Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1772 - Georg Forster
In Kapstadt

Die Häuser sind von Backsteinen und an der Außenseite mehrentheils mit Kalk beworfen. Die Zimmer sind gemeiniglich hoch, räumlich und luftig, wie das heiße Clima solches erfordert. In der ganzen Stadt ist nur eine Kirche, und auch diese nicht allein von schlechter Bauart, sondern dem Ansehen nach, für die Gemeinde auch zu klein. Der Duldungs-Geist, welcher den Holländern in Europa so viel Nutzen verschafft hat, ist in ihren Colonien nicht zu finden. Nur erst seit ganz kurzer Zeit haben sie den Lutheranern erlaubt hier und zu Batavia Kirchen zu bauen; und selbst gegenwärtig haben diese noch keinen eignen Prediger am Cap, sondern müssen sich mit den Schif-Predigern der Dänischen oder Schwedischen Ost-Indienfahrer begnügen die, gegen gute Bezahlung, ein bis zweymahl des Jahrs alhier predigen und das Abendmahl austheilen. Die Sclaven sind in diesem Stück noch viel übler dran; denn weder die Regierung überhaupt, noch die einzelnen Eigenthumsherren insbesondre, bekümmern sich um einen so geringfügigen Umstand, als ihnen die Religion ihrer Leibeignen zu seyn dünkt, im allergeringsten; daher denn auch diese, im Ganzen genommen, gar keine zu haben scheinen. Einige wenige derselben sind dem Mohamedanischen Glauben zugethan, und versammlen sich wöchentlich einmal in dem Hause eines freyen Mohamedaners, um einige Gebethe und Capitel aus dem Coran zu lesen und abzusingen, als worauf sich ihr ganzer äußerlicher Gottesdienst alhier einschränkt, weil sie keine Priester haben. (Wir sind nicht gemeinet dies den Holländern allein schuld zu geben; denn es ist zu bekannt, daß alle Neger in englischen und französischen Colonien in diesem Punkt eben so vernachläßigt sind. Wir wünschten nur unter den Colonisten aller Nationen ein mitleidiges Gefühl gegen diese Unglücklichen rege zu machen; und sie, die das unschätzbare Glück der Freyheit selbst genießen oder wenigstens darnach streben, zu erinnern, daß sie menschlich und gütig gegen Elende seyn sollen, denen sie den Segen der Freiheit, vielleicht ohne alles Mitleid vorenthalten.)
    Die Anzahl der Sclaven, welche die Compagnie alhier zu ihrem Dienst hält, beläuft sich auf etliche hundert, die sämmtlich in einem geräumigen Hause wohnen, in welchem sie auch zur Arbeit angehalten werden. Ein anderes großes Gebäude ist zum Hospital für die Matrosen der Compagnie-Schiffe bestimmt, die hier anzulegen pflegen und auf ihren Reisen von Europa nach Indien gemeiniglich eine ungeheure Menge von Kranken an Bord haben. Ein solcher Ost-Indienfahrer führt oft sechs bis achthundert Mann Recruten nach Batavia und da sie auf der langen Reise durch den heißen Himmelsstrich, sehr eng zusammengesteckt, auch an Wasser sehr knap gehalten werden, und nichts als Eingesalznes zu essen bekommen, so ist es kein Wunder, daß ihrer so viele drauf gehen. Es ist was sehr gewöhnliches, daß ein Holländisches Schiff, von Europa bis hieher 80, oder gar 100 Mann Todte zählt und bey seiner Ankunft alhier noch überdies zwey bis drey hundert gefährlich Kranke ins Hospital schickt. Die geringen Kosten und große Leichtigkeit, womit die Holländischen Zielverkoopers ihren, die Menschheit entehrenden, Recruten-Handel für die Ostindische Compagnie zu treiben im Stande sind, macht sie gegen die Erhaltung der armen Menschen so gleichgültig. Nichts ist hier und in andern Holländischen Colonien gemeiner, als Soldaten in der Compagnie Diensten zu finden, die öffentlich gestehen, daß sie in Holland »weggestohlen« sind. In der zum Hospital gehörenden Apothecke werden die nöthigen Arzeneyen zubereitet; aber kein einziges etwas theures Medicament ist darin anzutreffen, und da zwo oder drey große Bouteillen ohne Unterschied für alle Patienten dienen müssen, so scheint wohl die gesunde Land-Luft nebst den frischen Lebensmitteln zur Genesung der Kranken mehr beyzutragen als die Geschicklichkeit der Ärzte. Kranke die gehen können, müssen des Morgens bey gutem Wetter in den Straßen auf und nieder spazieren; und der benachbarte Garten der Compagnie liefert ihnen alle Arten von Gartengewächs und antiscorbutischen Kräutern. Verschiedne Reisende haben diesen Garten bald gelobt und bald verachtet, je nachdem der Gesichtspunkt verschieden war, aus dem sie solchen betrachteten. Ein Paar regelmäßige Alleen von gemeinen Eichen-Bäumen, mit Ulmen- und Myrten-Hecken eingeschlossen, ist das beste was er auf zuweisen hat. Daran wird nun freylich derjenige wenig Geschmack finden, der an die Vollkommenheit der englischen Gärtnerey gewöhnt ist, oder gelernt hat, in Holland und Frankreich Cypressen, Buchsbaum und Eyben zu bewundern, die in Gestalt von Vasen, Pyramiden und Statuen geschnitten sind, oder wo das grüne Heckenwerk, gar Häuser und Paläste vorstellt. Wenn man aber auf der ändern Seite erwägt, daß diese Bäume im Anfang gegenwärtigen Jahrhunderts und mehr zum Nutzen als zum Staat gepflanzt sind; daß sie zugleich den Küchen-Garten des Hospitals gegen die Stürme schützen, welche hier zu Lande sehr heftig sind, und endlich, daß sie die einzigen schattichten und kühlen Spatziergänge für Reisende und Kranke in dieser heißen Gegend ausmachen, so ist es wohl nicht zu verwundern, daß ihn einige einen reitzenden Lustort (Admiral Byron) und andre mit stolzer Verachtung einen Bettelmönchs-Garten (Bougainville) nennen.

Forster, Georg
Reise um die Welt
Berlin 1784
Nachdruck Frankfurt/M. 1967

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