Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

m 1710 - Peter Kolb
Von den Hottentotten
Kapregion

Bevor sich die Holländer hier niederließen, hat die Nation der Gunjemanns allein in der Kapkolonie gewohnt. Nachdem die Gunjemanns ihr Land an die Holländer verkauft und diese sich ausgebreitet hatten, haben sie ihr Land zwar nicht verlassen müssen, aber sie sind angehalten worden, den Europäern zu vergönnen, daß sie neben ihnen das Land bewohnten und das Land bebauten, das die Gunjemanns selber unbebaut liegen ließen. Dies ging aber den guten Gunjemanns nicht in den Kopf, sie wollten das abgetretene Land, die alte Freiheit behalten und ihr eigener Meister sein. Da es im Guten nicht gehen wollte, versuchten sie, es mit Gewalt zu erreichen; aber das konnte nicht gelingen, weil die Europäer, da sie eine gute Festung hatten, sie nach eigenem Willen und Gefallen zwingen und zur Einhaltung des Vertrages drängen konnten.
   Obwohl die Hottentotten sahen, daß sie den kürzeren zögen und nachgeben müßten, ließen sie doch von ihrem Vorhaben nicht ab; sondern sie versuchten aufs neue, ihre alte Freiheit zu behaupten und das verkaufte Recht wieder an sich zu ziehen. Sie probierten es also auf allerlei Art und Weise. Da die Holländer ihnen nicht nachlaufen konnten aus Sorge, es möchte ein Hinterhalt dahinter stecken, und sie sich daher mit Verlust zurückziehen und ihrem Gegner den Sieg überlassen müssten, so trachteten sie die Hottentotten müde zu machen oder zu bestricken und einmal in die Falle zu locken. Allein alles, was sie auch taten, war vergebens, und verursachte nichts, als daß die Holländer noch einige neue Werke anlegten, gute Wachen auf den Feldern einsetzten und ihnen den Zugang zu ihren Wohnungen und der Festung abschnitten.
   Da nun mehrere blutige Scharmützel stattgefunden hatten, und die Gunjemanns mit ihren Verbündeten, den Koopmanns-Hottentotten, immer den Kürzeren zogen und viele ihrer Leute eingebüßt hatten, bequemten sie sich schließlich dazu, den Europäern die Kultivierung ihres Landes nicht mehr schwer zu machen. Sie schlossen vielmehr mit ihnen einen ewigen Friedensbund, Kraft dessen sie aufs Neue den alten Kaufkontakt bestätigten und den Holländern zugestanden, unter ihnen ruhig zu leben und sich so weit auszubreiten, wie sie es wollten oder wie sich ihr Land erstrecke.
   Weil nun auch die anderen hottentottischen Nationen dem Beispiel folgten und sich dem Friedensbund anschlossen, so wurde ein Generalfriede geschlossen und die Hottentotten Alliierte der Holländer; denjenigen, die ihnen Unruhe antun wollten, würden sie Angriff und Einfall schwer machen helfen; es sei auch nicht zu zweifeln, daß sie es rühmlich tun würden, wenn sich einer unterstünde, die europäischen Besitzer anzutasten und in ihrer Ruhe zu stören. Und wer die Hottentotten belästige, hätte von den Holländern das gleiche zu erwarten, nämlich das sie ihnen jederzeit zu Hilfe kämen. Nach dem Friedensschluß wurden die meisten Feldwachen, die hier und da im Lande aufgestellt waren, eingezogen. Man hat angefangen, sich weiter auszubreiten, die anderen Kolonien aufzubauen. und sich in solche Position gesetzt, daß es einem Auswärtigen schwer und sauer fallen würde, auch nur den geringsten Vorteil zu erhalten. So weiß man, daß die Hottentotten dem Herrn Gouverneur berichten, sobald sie nur ein Schiff am Vorgebirge kreuzen sehen oder ein Schiff in einen nahe gelegenen Hafen einläuft, und es nur das geringste Anzeichen eines feindlichen Angriffs macht. Dann kann der Gouverneur Hilfe bereitstellen und sich auch selber verteidigen, so daß keine Fremden ins Land kommen.
   Die nächste Nation, welche im Norden an die Gunjemanns grenzt, ist die der Kochaquas. Diese Nation hat zwar noch das meiste ihres Landes in Besitz, dennoch haben sich die Europäer auch hier schon eingenistet, vornehmlich in den grünen Tälern. Diese Täler hatte die illustre Compagnie sich selbst vorbehalten, um sie nur von denen beweiden zu lassen, die das benötigte Fleisch für ihre Schiffe und andere an Land liefern.
   Weil in diesem Gebiet die besten Salzpfannen anzutreffen sind und die Einwohner das benötigte Salz dort holen, so kann man wohl sagen, daß außer den Schlachtern oder Metzgern, die dort mit ihrem Vieh sind, auch andere sich dort aufhalten. Zudem ist auch von der Compagnie eine Wache aufgestellt, die das Salz bewachen und auf andere Dinge achten soll, insbesondere auf Schiffe, die dorthin kommen; Sie geben Nachricht an den Herrn Gouverneur. Zweifelsohne würden sich mehr Einwohner dort niederlassen, wenn es nicht überall an Süßwasser mangelte; die zwei oder drei Bauern, die sich dort niedergelassen haben, Mühe genug haben, so viel Wasser zu finden, daß sie und ihr Vieh davon leben können. Hieraus ist auch leicht zu ersehen, daß diese Kochaqua-Nation nicht allzu zahlreich sein kann, weil sie sich auch von Vieh ernährt und normalerweise große Viehherden hat. Doch können diese Leute viel eher und besser zurechtkommen als die Europäer, da sie keine beständige Wohnung haben, sondern heute hier, morgen aber anderswo anzutreffen sind, wo sich gute Weiden und genug Wasser finden. Sie ziehen mit ihren Herden weiter, bis das Gras wieder gewachsen ist. Wenn das Gras aber zu alt ist, und das Vieh nicht mehr fressen will, stecken sie es in Brand und warten dann auf das junge.
   Nach den Kochaquas findet man weiter gegen Norden die Sousiquas oder Soussaquas, die oberhalb der Saldanha-Bay wohnen. Diese sind ebenfalls nicht sehr zahlreich, weil ihr Land Mangel an Wasser hat. Auch haben sie nicht viel Vieh, teils wegen des Wassermangels und teils, weil Europäer es ihnen geraubt haben. Sie haben sich deshalb zerstreut, und man findet nur wenige Dörfer oder Krale bei ihnen. Das Land ist durchgehend sehr hügelig und voller Steinhaufen, trägt aber genügsam Gras. Man findet wenig Holz dort, das dazu fast nur aus Gesträuch und Büschen besteht; es ist krumm und brüchig und ungeeignet zum Bauen. In den Tälern sieht man die schönsten Blumen und andere wohlriechende Kräuter; Dorthin begibt sich auch das Wild, von dem es jedoch wegen des erwähnten Wassermangels nicht viel gibt. Ich glaube, daß diese Täler sehr gute Erd- und Kornfrüchte tragen würden, auch wenn es nicht viel Wasser gibt, weil es an anderen Orten eben auch nur vom Himmel drauf regnet.
   Wie es mit den Soussaquas verhält es sich auch mit den Odiquas oder Udiquas, die nördlich von jenen, aber noch unterhalb der Sankt-Helena-Bay wohnen. Tachart hat richtig geschrieben, daß sie mit den Soussaquas einen ewigen Bund gegen ihre Nachbarn, die Chirigriquas, geschlossen haben, deshalb halten sie zusammen und ziehen bei Uneingkeiten gegen diese zu Felde. Kurz nach meiner Ankunft, 1706, hat die Compagnie einen Frieden zwischen ihnen bewerkstelligt, und so glücklich eingerichtet, daß sie seitdem einander nicht viel im Weg gelegen sind.
   Bei diesem Samsam oder Friedenmachen hat die ruhmreiche Compagnie mit ihnen und auch anderen um Vieh gehandelt; was auch sehr erfolgreich abgelaufen ist. Nur daß ein Mann im Gefecht, ehe der Friede hergestellt war, mit einem vergifteten Pfeil in den Mund geschossen worden ist; dieser würde, wenn nicht ein kundiger Barbier dabei gewesen wäre, ohne Zweifel seinen Geist aufgegeben hätte; durch den Beistand des Barbiers aber und auf Anraten der Hottentotten selber ist er glücklich kuriert worden.
   Ein anderer, der ebenfalls mit auf diesem Feldzug war, hat das Unglück gehabt, daß er zwar den feindlichen Hottentotten entsprungen und unverletzt davongekommen ist. Der Heerführer Johannes Starrenberg, damals Landdrost, machte an einer Wasserstelle Halt und lagerte dort über Nacht; einen ehrlichen Soldaten, dessen Name mir entfallen ist, traf das Los, daß er Schildwache halten mußte unweit dem aufgeschlagenen Zelt und vor den Wagen, zwischen denen die Ochsen und Pferde wie in einer Wagenburg standen. Kaum hatte er eine Viertelstunde gestanden, so kam ein Nacht-Rab, ich meine einen verschlingenden Löwen, und löschte diesem guten Menschen durch einen einzigen Schlag das Lebenslicht unvermutet und ungewarnt aus.
   Sobald dieser Schlag geschehen war, der sonst immer mit einem entsetzlichen Gebrüll verbunden ist, fingen die Pferde, die den Geruch des Löwen bekamen, an zu schnauben und die Ochsen machten mit ihren Hörnern an den Wagen Gerassel. Man wußte aber nicht, was zu tun wäre, obgleich vermutet wurde, daß ein Löwe in der Nähe sein müßte. Man rief deshalb der Schildwache zu, sie sollte sich vorsehen; aber es war schon zu spät, denn es erfolgte keine Antwort. Darüber wurde der Offizier unwillig, weil er meinte, daß die Schildwache schliefe. Als man aber hinauskam und sich nach ihm umsehen oder ihn aufwecken wollte, fand man wohl sein Gewehr liegen; die Person hingegen war schon hinweg getragen und in Sicherheit gebracht. So konnte man diesem grausamen Feind weder mit Schüssen noch Feuer etwas anhaben und mußte ihn seinen Raub ruhig fressen lassen.
   Nun kommen wir endlich noch etwas höher und an die Sankt-Helena-Bay, wo die Chirigriquas Nation ihr Gebiet hat. Sie ist mächtig genug an Leuten, die von starkem Leibe und gewaltig im Werfen ihrer Wurfspieße oder Hassagayen sind. Das Land ist noch ziemlich gut, viel besser als das der beiden vorher erwähnten Nationen, aber nicht so gut wie das der Gunjemanns. Ein schöner Fluß strömt mitten durch, der wegen der vielen dort lebenden Elefanten den Namen Elefantenfluß hat. Zu beiden Seiten dieses Flusses gibt es zahlreiche felsige Berge. In den Tälern, wo es Steine von unterschiedlicher Farbe und Größe gibt, wachsen nicht nur schöne Blumen und andere Kräuter, sondern man trifft auch sehr große Schlangen dort an; darunter soll auch die gehörnte Art sein, die man Cerastos nennt.
   Es ist auch ein ziemlich großer Wald in diesem Land, in dem unterschiedliche Baumarten stehen, die eine ziemliche Dicke und im Verhältnis eine gleiche Höhe erreichen. Ob sie aber auch gute Früchte tragen, kann ich nicht sagen, ich habe keine gefunden. In diesem Wald halten sich auch vielerlei wilde Tiere auf, wie Löwen, Tiger, Leoparden, Elefanten, Rhinozerosse, Wölfe und andere mehr. Deswegen ist das Reisen hier auch sehr gefährlich, besonders auch, weil man wegen des dicken Gesträuchs nicht voraus und zur Seite sehen kann; es ist, als ob man in einem finsteren Gewölbe unter der Bäumen durchgeht.
   Noch weiter nach Norden kommt man zu den zwei Nationen, die die Großen und Kleinen Namaquas genannt werden. Die Kleinen Namaquas wohnen am Meer, die Großen Namaquas etwas weiter im Landesinnern. Sie leben beide voneinander getrennt und haben keine gemeinsame Regierung. Es gibt etwa 12.000 bis 20.000 wehrhafte Männer. Sie sind alle groß und stark, haben einen guten natürlichen Verstand, und wenn man eine Frage an sie richtet, antworten sie nicht bevor sie ihre Worte wohl erwogen haben. Ihre Antworten sind auch alle sehr kurz und sie reden sehr wenig. Ihre Frauen scheinen kunstfertig und nicht gar so ernsthaft zu sein wie die Mannspersonen. Ihr Land ist das beste nicht, da es dort viele steile und rauhe Berge gibt, doch ist es dem Land der Chirigriquas ähnlich, da der Elefantenfluß in einem Bogen auch durch einen guten Teil ihres Land fließt. Wenn sie den Fluß nicht hätten, wäre dort nur Brack- oder salziges Wasser zu finden. Dies ist auch der Grund, daß man sich ihrem großen Land so selten nähert und ihnen von anderen wenig Schaden zugefügt wird. Außer dem Brunnen bei Miros Castell gibt es keinen; und die, die dahin reisen müssen, müssen sich das Trinkwasser aus diesem Brunnen sichern.
   Miros Castell ist nicht etwa ein Festung, von einem Miros erbaut; sondern es ist bearbeiteter Fels oder Berg, den ohne Zweifel ein hottentottischer Häuptling hat machen lassen. Ich kann nicht herausfinden, wer es ausgehauen hat; es fällt mir schwer zu glauben, daß sie es selber waren, da mir ihre übergroße und unglaubliche Faulheit sattsam bekannt ist. Doch es mag gemacht haben, wer da will, es ist gewiß, daß zwei Stockwerke daran und darinnen sind, in welchen sich eine ziemlich große Gruppe aufhalten und lange Zeit verteidigen könnte, wenn sie mit allem nötigen wohl versehen wäre; weil die Festung aber nicht am Ufer, sondern tief im Lande anzutreffen, wäre es mühsam, alles dorthin zu bringen.
   Die oben genannten Berge sind kahl und ohne Holz, so daß fast kein Laub oder Gras auf ihnen anzutreffen ist. An Holz gibt es im ganzen Lande nur Gesträuch, Äste und dergleichen. Sie finden kaum so viel, wie sie zum Kochen brauchen. Wenn sie wegen der Kälte Feuer unterhalten müßten, würde es nicht reichen und aus benachbarten Ländern geholt werden müssen. Jetzt ist kaum so viel zu finden, daß sie ihre Schafkrale umzäunen können.
   Es gibt aber sehr viel Wild, wie Elefanten, Rhinozerosse, Wildesel und eine Art bunter oder gefleckter Böcke, die man in der Nähe des Vorgebirges niemals sieht. Sie haben nämlich weiße und gelbe Flecken durcheinander, sind den europäischen Böcken in der Größe nicht vergleichbar, aber überaus schnell auf der Flucht. Man trifft sie nicht oder nur selten einzeln an, wohl aber oft über 1000 Stück in einer Herde. Ihr Fleisch schmeckt nicht unangenehm, eher wie Reh- oder anderes Wildfleisch. Es ist auch ziemlich fett und braucht weder Butter noch Fett, wenn man es kochen will.
   Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß nördlich von den Namaquas noch die Attaquas wohnen; und ich glaube, auch die Choragaukquas, aber wegen des Verlustes meines Manuskriptes kann ich das nicht gewiß sagen. Das Land der Attaquas ist auch unfruchtbar, und man findet sehr wenige fruchtbare Täler, weil ein großer Wassermangel herrscht. Doch gibt es Gras, das in solch großen Mengen auf den Hügeln und Bergen wächst, daß man schöne Herden halten könnte, wenn nur das Wasser nicht so knapp wäre. Aber die Bewohner sind so zufrieden, als ob sie in den fruchtbarsten Gegenden wohnten. Sie kommen mit wenig Vieh zurecht und essen meist Wildbret, von dem es eine ziemliche Menge gibt.
   Man hört wenig davon, daß sie von anderen bekämpft würden, und noch weniger, daß sie anderen Schaden zufügen oder sie in ihrer Ruhe stören. Doch wenn Not am Mann ist und sie sich wehren müssen, haben sie ein so gutes Mittel wie die Schweizer oder Tiroler, ihre Leute zusammenzurufen: sie laufen auf die Berge und zünden dort ein großes Feuer an, so daß man bei Tag viel Rauch und bei Nacht ein helles Feuer sehen kann. Sobald nun die anderen dies sehen, laufen sie an diesen Ort und stellen sich in Positur, um anderen die Stirn zu bieten und sich zu verteidigen.
   Hinter den Gunjemanns am Vorgebirge nach Osten hin wohnen die Koopmanns, die ihren Namen von einem Häuptling haben, der so heißt. Sie bewohnen ein großes und ausgedehntes Gebiet, in dem sich bereits Europäer niedergelassen haben und das herrliche, aber bisher unbebaute Land bearbeiten. Gegen das Meer hin ist es zwar nicht sehr breit, zum Innern hin breitet es sich aber weit aus. Obwohl sich viele Berge darin befinden, ist das Land doch sehr fruchtbar; es gibt auch keinen Mangel an süßem und gutem Wasser. Außerdem gibt es genügend Wild für einen Liebhaber der Jagd; es braucht nicht viel Mühe, so viel zu erlegen, wie man in etlichen Tagen aufessen kann. Es gibt auch einiges an Holz, was gut ist und nicht nur geeignet zum Bauen und als Brennholz, sondern auch für schöne Schränke, Sessel und Stühle. An Salz fehlt es diesem Land auch nicht, so daß dem Lande eigentlich nichts fehlt als eine europäische Kultur, die den verborgenen Reichtum der herrlichen Fruchtbarkeit an den Tag bringen könnte.
   Landeinwärts grenzen die Hessaquas an, die keinen Fußbreit Land an der Küste besitzen. Sie sind sehr reich, weil sie wie andere Hottentotten viel Vieh haben. Sie besitzen große Herden an Schafen und Großvieh; die bedecken oft ein ganzes Feld und werden doch dick genug. Auch an Tragochsen besitzen sie mehr als manche andere Nation. Ein unfehlbares Kennzeichen ihres Reichtums ist, daß sie sehr oft zum Vorgebirge kommen und Vieh gegen andere Waren, wie Tabak, Perlen und ähnliches tauschen. Dies könnten und würden sie sicherlich nicht tun, wenn sie nicht einen Überfluß an Vieh hätten.
   Daß sie mächtig, d.h. zahlreich sind, sieht man daran, daß sie mehr Krale oder Dörfer haben als benachbarte Nationen. Viele von dieser Nation verdingen sich bei den Europäern als Knechte, weil sie dort reichlich Unterhalt finden und noch guten Lohn bekommen, von dem sie sich dann Schafe kaufen und so selber Herrn werden können, wenn sie von ihren Vätern nichts bekommen haben. Weil sie nun in allen Dingen Überfluß haben und in süßem Müßiggang aufgezogen werden, ist es kein Wunder, daß sie das Kriegshandwerk nicht zu lernen versuchen, und auch keine Lust zum Kriegführen haben. Sie wissen, daß sie damit nichts gewinnen, sondern nur von ihren armen Brüdern gerupft werden; es kommt nur auf das Totschlagen an, wodurch sie Leute verlieren und weiteren räuberischen Einfällen ihrer Feinde gegenüber schutzlos würden. Deshalb versuchen sie, lieber mit Sanftmut und guten Worten ihre Streitigkeiten beizulegen, als sich in Gefahr zu begeben. Sie vermeiden es auch, die Nachbarn mit ihrem Vieh zu stören, sondern halten es im eigenen Land und hüten sich, jemandem eine Ursache für Feindseligkeiten zu geben.
   Wenn sich aber die eine oder andere Nation untersteht, ihnen das Feuer zu heiß zu machen, und nicht ruht, bis es zum Gefecht kommt, dann lassen sie sich nicht unterdrücken oder benachteiligen. Dann kämpfen sie mit solcher Herzhaftigkeit und solchem Selbstvertrauen, daß sie meistens den Sieg davontragen und ihre Widersacher aus dem Felde jagen. Weil aber die Gegner wohl wissen, daß sie ihnen nicht nachsetzen oder den Sieg weiter vergrößern wollen, laufen sie zerstreut umher und versuchen, als Rache einige Stück Vieh habhaft zu werden; darüber kommt es dann häufig wieder zu Kämpfen und es gibt blutige Köpfe, bis die ruhmreiche Compagnie zu Hilfe gerufen wird, die der Sache ein Ende macht und von neuem Frieden unter ihnen stiftet.
   Weiter nach Osten und an der See über den Koopmanns-Hottentotten leben die Sonquas. Sie sind mutig, keck, stark und hurtig, besonders wenn sie gegen andere in den Krieg ziehen sollen. Weil ihr Land eines der schlechtesten in dieser Gegend ist, so treibt sie wohl die Not, Krieg zu führen. Und sie sind oft froh, wenn sie bei einer anderen Nation in Dienst kommen; dabei erhalten sie keinen andern Sold, als daß man sie frei im Land wohnen läßt, und ihnen den nötigen Unterhalt gibt. Ich habe aber nicht gesehen, daß sie ihre Hassagayen oder Wurfspieße geschickter benutzen als andere Nationen. Würde ihnen erlaubt, ohne Dienst in anderen Ländern zu wohnen, würden sie sich gewiß auch auf die faule Haut legen, und kämpfen lassen, wer wollte; weil aber dies nicht sein kann, ist das Kriegsleben ein rechtschaffenes und hartes Muß bei ihnen, das sie aus Not erwählen.
   Da ich dieses sage und ihr Land als so schlecht beschreibe, muß man wissen, daß es meistens aus rauhen Klippen und felsigen Bergen besteht, auf denen nicht viel wächst als nur etwas Holz in den Schluchten und Spalten, das sie zum Unterhalt des Feuers während der Nacht gegen Löwen und andere wilde Tiere benötigen. Es gibt nicht allzu viel Wild, und wenn sie ein Stück davon sehen, ist es gewiß bald getötet, da sie sich meist von dem Fleisch des Wildes ernähren. Nicht aus gänzlichem Mangel, denn man triff Vieh und Schafe bei ihnen an; aber es gibt nicht solchen Überfluß wie bei anderen. Aber Wild schmeckt ihnen besser ist leichter zu erhalten. Wenn sie einem Schaf oder Ochsen den Hals abschneiden, geschieht das nur im äußersten Notfall. Sie haben aber, wie die anderen Völker, genug Wurzeln und andere eßbare Erd- und Baumfrüchte, von denen sie sich auch ernähren.
   Aus hohlen Bäumen und Felsspalten holen sie mit der größten Geschicklichkeit und Vorsicht den Honig der Bienen heraus, den die Bienen hineingetan haben. Sie essen ihn aber nicht gerne, sondern sammeln ihn in innen rauhen und ledernen Säcken, bringen ihn den Europäern und tauschen dafür Tabak, Pfeifen, Wein oder Branntwein, aber auch Messer, wenn sie diese benötigen. Einem Europäer kommt ein solcher Sack Honig, auch wenn das Wachs noch dabei ist, nicht sehr teuer. Nicht allein die Sonquas, sondern auch andere bringen den Honig zu Markte. Die Europäer, die im Inland wohnen, machen sich Honigbier davon, welches, wenn es frisch ist, ein guter kühlender und gesunder Trank ist, wenn es aber 14 Tage oder älter ist, gewinnt es solche Kräfte, daß man sich einen Rausch davon antrinken kann, obwohl es aus nichts anderem als Wasser und Honig besteht.
   Weiter im Lande wohnen die Dunquas in einem der besten und fruchtbarsten Gebiete. Es ist meist ganz flach und hat keinen Mangel an gutem Wasser. In den Auen und auf den Hügeln wächst das schönste Gras, und herrliche Blumen und Kräuter; so daß es hier genug Vieh gibt. Auch das Wild findet genügend Futter und Wasser, und sie können genug davon erlegen.
   Die Damaquas wohnen weiter im Norden am Meer in einem ebenso gesegneten Land, in dem allerlei Früchte wachsen, wie Wassermelonen, Dacha oder wilder Hanf. Das Land ist flach und liefert Gras genug, um die größte Herde zu ernähren. Es gibt daher auch genug Vieh, und auch an wilden Tieren ist kein Mangel. Dagegen gibt es wenig Bäume oder anderes Holz, das sie verwenden können, und daher müssen sie oft weit herumlaufen, bis sie zusammengetragen haben, was sie jeden Tag benötigen.
   In diesem Land gibt es auch Salzpfannen genug, von denen sie verkaufen könnten, wenn es nur jemanden gäbe, der es benutzen wollte. Denn kein Hottentotte, wenn er für sich kocht, bedient sich des Salzes.
   Weiter nach Nordosten hin wohnen die Gauros, deren Land sehr klein, aber doch noch ziemlich fruchtbar ist, und es mangelt weder an Gras noch an Wasser, viel weniger an Holz. Daher gibt es dort auch viel Vieh und Wild; von letzterem erlegen die Leute ziemlich viel, so daß sie sogar Karosse aus Tigerfell tragen, zum Zeichen, daß sie viel haben und erlegen. So klein aber das Land ist, so volkreich ist es.
   Noch weiter nach Nordosten leben am Strand die Houteniquas, deren Land voller schöner Bäume und dichter Wälder ist. Zwischen den Wäldern liegen die lustigsten Auen und Gegenden, wo das herrlichste Gras, die seltensten Blumen und wohlriechendsten Kräuter wachsen. Wegen dieser Fruchtbarkeit findet man hier viel Vieh und wilde Tiere, die sich wegen des herrlichen Futters und frischen Wassers reichlich fortpflanzen.
   Das Land der Chamtouers, das daran anschließt, ist ganz flach und eben, hat wenig Berge, aber auf den Auen Gras genug, das bis zu den Knien reicht. Es gibt dort viele, aber kleine Wälder, in denen die schönsten, geradesten und höchsten Bäume des ganzen Landes gefunden werden. In den Strömen, von denen es viel gibt, findet man häufig Seekühe, die nach ihrer Verjagung durch die Europäer hier einen sicheren Aufenthalt finden und nicht erlegt werden können. In diesen Flüssen findet man auch genug Fische von allerlei Gattungen.
   Noch weiter im Nordosten lebt die Heykoms-Nation in einem Land, das im Vergleich zu dem vorigen sehr schlecht ist, denn es ist voller Klippen, Gebirge und unfruchtbarer Hügel. Da es zwischen diesen aber auch fruchtbare Auen gibt, kann das viele Vieh ernährt werden; auch gibt es salzige Flüsse, woraus das Vieh und die wilden Tiere, von den Menschen gar nicht zu reden, ihren Durst löschen und sattsam getränkt werden; die Tiere werden dazu noch dick und fett, weil sie neben dem gewöhnlichen Gras auch das Rohrgras fressen, daß in diesen Flüssen häufig wächst.
   Und nun sind wir bis an das Land Natal gekommen, in dem die Kaffern wohnen. Sie unterscheiden sich von den Hottentotten, obwohl sie auch Karosse tragen, darin, daß sie sich nicht beschmieren. Auch haben sie keine solche kluckernde Sprache und wohnen in viereckigen Lehmhäusern. Sie bebauen das Land mit Mais und brauen Bier.
   Diese Kaffern sollen auch mit den Seeräubern aus dem Roten Meer Handel treiben und ihnen für Seide, Damast und andere Waren Elefantenzähne geben. Die seidenen Waren verkaufen sie wieder an andere Schiffe und nehmen dafür Pech, Tran und Ankertaue, die sie dann wieder an die Seeräuber verschachern. Wenn aber keine Schiffe kommen, so sollen sie die genannten Waren an die Leute von Monomotapa verkaufen, und von ihnen Geld und andere Sachen dafür erhalten.
   Doch genug davon. Ich glaube, ich habe nun diejenigen Nationen, die ich teils selbst besucht, teils von glaubwürdigen Leuten beschrieben bekommen habe, mit ihrem Land weitläufig genug beschrieben.
   
Kolb, Peter
Vollständige Beschreibung des Africanischen Vorgebirges der Guten Hoffnung
Frankfurt/Leipzig 1745

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