1782 - George Carter
Die Schiffbrüchigen der Grosvenor
Endlich kamen sie auf dieser Wanderung zu einem Dorfe, wo sie das Innere einer Uhr sahen, die, wie sie erfuhren, einer von der Gesellschaft des Zimmermanns für etwas Milch an die Eingeborenen vertauscht hatte. Da sie merkten, daß dieser Handel den Wilden behagte, so zeigte Shaw ihnen das Innere seiner Uhr und versprach ihnen ein Stück davon, wenn sie ihm ein Kalb dafür geben wollten.
Dieser Vorschlag ward angenommen und das Kalb in den Kral getrieben, um geschlachtet zu werden. Aber kaum sahen die Eingeborenen sich im Besitze des Preises, so hielten sie das Kalb zurück und trieben es sogleich aus dem Dorfe.
Unsere Leute verfolgten noch verschiedene Tage lang ihren Weg längs dem Flusse. Sie mußten durch viele Dörfer, wurden aber von den Einwohnern nicht beunruhigt. Endlich erreichten sie eine Stelle, wo sie hinüber kommen zu können glaubten. Sie bauten also in aller Eile, wie vorher, eine Fähre, ließen dieselbe ins Wasser und kamen alle glücklich über den Fluß, zwei ausgenommen, welche zurückblieben.
Hynes glaubt, daß dieser Fluß wohl anderthalb englische Meilen breit gewesen sei. Die beiden Leute, die sie am Ufer jenes oben erwähnten Flusses gefunden hatten, erschraken so sehr über die Breite dieses Stroms, daß sie, als die Fähre kaum vom Lande gestoßen war, ihren Platz verließen und zurückkehrten. Da die Gesellschaft das gegenüber liegende Ufer erreicht hatte, so sah sie diese beiden Unglücklichen zum letzten Male.
Die Wanderer gingen nun in einer schrägen Richtung bis an den Strand, wo sie den dritten Tag um Mittag ankamen. Hier schliefen sie, litten aber Mangel an einem notwendigen Bedürfnisse, dem Wasser. Am folgenden Tage, zur Zeit der Ebbe, sammelten sie einige Muscheln, und nachdem sie sich erquickt hatten, setzten sie ihre Reise weiter fort.
Denselben Tag kamen sie mit einer großen Menge von Eingeborenen ins Handgemenge, die, wie Hynes meint, Mangonies hießen. Von diesen wurden sie außerordentlich übel behandelt und bekamen viele Schläge, indem sie gar keinen Widerstand tun konnten. Um dieser Behandlung zu entgehen, liefen sie alle in den Wald, wo sie so lange blieben, bis die Wilden fort waren; dann versammelten sie sich und setzten ihre Reise weiter fort.
Sie waren nicht weit gegangen, als sie Spuren von Menschenfüßen sehr deutlich in den Sand eingedrückt fanden. Sie glaubten, daß dies die Fußstapfen ihrer letzten Gefährten wären; und in der Hoffnung, sie wieder zu finden, folgten sie eine Zeitlang ihrer vermeintlichen Spur, bis sie diese zwischen den Felsen und dem Grase völlig verloren.
Da sie auf diese Art ihren Zweck verfehlt hatten, so setzten sie ihren Weg weiter bis zu einem andern Flusse fort, der zwar nicht sehr breit, aber ungemein hoch angeschwollen war. Sogleich machten sie ein kleines Floß, legten ihre Kleider, einige Austern und Feuerbrände darauf und trieben es im Schwimmen vor sich her. Auf solche Art erreichten sie sicher das entgegengesetzte Ufer, wo sie der Ruhe pflegen konnten.
An den beiden folgenden Tagen trug sich nichts Merkwürdiges zu; aber nach Verlauf derselben kamen sie mit der Partei wieder zusammen, die sich unter Anführung des Zimmermanns von ihnen getrennt hatte und noch mehr gelitten zu haben schien als sie.
Sie erfuhren bei der Zusammenkunft mit diesen Leuten, daß der Zimmermann sich vergiftet habe, indem er vor Hunger eine Frucht gegessen, die er nicht gekannt hatte; ferner, daß die beiden Franzosen, D'Espinette und Olivier nebst ihren Bedienten, vor Hunger und Ungemach fast aufgerieben, hätten zurückbleiben müssen. Der kleine Law war auch noch bei ihnen und hatte auf eine bewunderungswürdige Art bis jetzt die Mühseligkeiten einer so langen Reise überstanden.
Die beiden Gesellschaften vereinigten sich also noch einmal und wanderten zusammen. Sie waren nicht lange gegangen, als sie in die Nähe einer Sandbank kamen, wo sie ein paar Bretter und in jedem einen starken Nagel fanden. Voll Freude über diesen Fund, dessen Wert bei ihnen jetzt ebenso groß war wie bei den Kaffern, zündeten sie augenblicklich die Bretter an, nahmen die Nägel heraus, schlugen sie zwischen zwei Steinen breit und machten so eine Art von Messer daraus. Für Menschen in diesen Umständen war dies eine sehr schätzbare Erfindung, und die, welche ein Werkzeug besaßen, schätzten sich sehr glücklich.
Etwas weiter hin kamen sie an einen andern Fluß, über den sie sogleich setzen mußten. Indessen rührte einer von ihnen zufälligerweise Sand auf und fand frisches Wasser. Durch diesen glücklichen Fund bewogen, blieben sie die Nacht dort und setzten erst den folgenden Morgen um neun Uhr über den Fluß.
Sie hatten es sich zum Gesetz gemacht, sich beständig, so viel als möglich, an die Küste zu halten; denn ohne dies hätten sie längst Hungers sterben müssen. Als sie diesen Tag an den Strand kamen, wurden sie sehr angenehm durch den Anblick eines toten Walfisches überrascht, den die Flut auf den Strand geworfen hatte.
Ihre Freude bei dieser Entdeckung nahm aber beträchtlich ab, als sie sich von einer großen Menge Eingeborenen beobachtet sahen, die gleich darauf zu ihnen herunter kamen. Da diese zudringlichen Menschen mit Lanzen bewaffnet waren, so konnten die Engländer mit Recht mutmaßen, daß sie feindliche Anschläge im Sinne hätten. Indessen hatten die Eingebornen kaum bemerkt, in welcher bedauernswürdigen Lage die Engländer sich befanden, und wie wenig sie imstande waren, den geringsten Widerstand zu tun, als sie anfingen, ein so friedliches Betragen zu äußern, daß unsere Leute alle Furcht verloren. Einer von ihnen lieh sogar denen, die mit dem Walfische beschäftigt waren, seine Lanze. Mittels derselben und der beiden Messer waren sie nun imstande, das Fleisch in große Stücke zu schneiden. Diese taten sie in ihre Säcke und setzten die Reise fort, bis sie Holz und Wasser finden würden, um das Fleisch zuzubereiten. Am folgenden Tage kamen sie zu einem Flusse, wo einer von ihnen krank ward. Sie mußten ihn nun schlechterdings zurücklassen und sahen ihn nicht wieder. In einer so allgemeinen Not muß die Erhaltung eines einzelnen Menschen der Rettung der ganzen Gesellschaft nachstehen!
Da sie jetzt einen Vorrat von Walfischfleisch hatten, so fanden sie es nicht nötig, sich mit dem Sammeln von Muscheln aufzuhalten; die Reise ward also vier Tage mit aller ihnen nur möglichen Eile fortgesetzt. Die Messer, die sie jetzt besaßen, dienten auch dazu, daß sie die Zeit besser berechnen konnten, als es vorher möglich war. Sie nahmen einen Stock und schnitten alle Tage einen Kerb hinein, und sonntags machten sie ein Kreuz. Auf diese Art erhielten sie eine Zeitrechung; aber da sie einst über den Fluß setzten, verloren sie ihren Kalender. Nun konnten sie sich nicht mehr danach richten, und alle Mühe, die sie sich gegeben hatten, war völlig unnütz.
Da sie sich gewöhnlich so nahe als möglich an den Strand hielten, so darf man sich nicht wundern, daß sie eine Menge Flüsse zu passieren hatten, wovon einige sehr breit waren. An der Küste des Kafferlandes, wo sie Schiffbruch litten, bis zum Vorgebirge der Guten Hoffnung findet man sehr viele Ströme und Bäche, die sie in ihrer Reise sehr aufhielten und hinreichend waren, diejenigen abzuschrecken, welche nicht schwimmen konnten.
Bald nachher kamen sie an einen andern Fluß, an dessen Ufer sie gern hätten übernachten mögen, wenn nur frisches Wasser zu finden gewesen wäre. Sie glaubten schon hinübersetzen zu müssen; indessen änderten sie ihren Vorsatz, da sie eine Menge großer und eßbarer Beeren fanden, die den Mangel des Wassers erträglich machen konnten. Für diesmal blieben sie also, wo sie waren.
Am folgenden Morgen wehte ein scharfer Wind, und es war überhaupt kalt. Daher wollten einige aus der Gesellschaft nicht hinüberschwimmen; Hynes aber und etwa zehn andere, die ungeduldig waren und gern weiter wollten, setzten hinüber und ließen die übrigen zurück, unter denen sich auch der kleine Law befand.
Als sie das andere Ufer erreicht hatten, gingen sie weiter fort und kamen zu einem Platze, wo sie Muscheln, Holz und Wasser fanden. Hier blieben sie zwei Tage lang in der Erwartung, daß die anderen ihnen noch nachkommen würden; da indessen der scharfe Wind fort wehte, so vermutete man, daß jene es noch nicht gewagt hätten, über den Fluß zu schwimmen. Hynes und seine Gesellschaft glaubten nun, es würde vergeblich sein, länger auf ihre furchtsamen Gefährten zu warten; sie gingen also weiter und kamen bald nachher an einen andern Fluß, den sie ebenfalls passierten. Da sie beim Nachgraben frisches Wasser gefunden hatten, so blieben sie die Nacht über dort.
Des Morgens wanderten sie weiter und entdeckten nicht lange nachher einen toten Seehund, welcher von der Brandung auf den Strand geworfen war. Die Gesellschaft hatte jetzt nur noch ein einziges von den aus Nägeln geschmiedeten Messern, und es war überdies so stumpf geworden, daß man es fast nicht mehr gebrauchen konnte. Sie machten es also auf eben die Art scharf, wie sie ihm eine Schneide gegeben hatten, und zerschnitten dann das Tier mittels desselben und einiger scharfer Muschelschalen, die sie am Strande fanden. Nachher bereiteten sie etwas davon auf der Stelle zu und nahmen das übrige mit. Sobald sie zu einem bequemen Holz- und Wasserplatze gekommen waren, ruhten sie wieder aus.
Am folgenden Morgen traf die zurückgebliebene Gesellschaft zu der, in welcher sich Hynes befand. Seit dem Tode des Zimmermanns war der Proviantmeister zum Anführer gewählt worden. Sie schienen viel gelitten zu haben und hatten von den Eingeborenen eine sehr harte Behandlung zu ertragen. Fünf von ihnen waren seit ihrer Trennung vor Ermattung, Hunger und durch andere Zufälle umgekommen.
Sie hatten jetzt den Rest des Seehunds unter sich geteilt und ausgeruht. Nun setzte die Gesellschaft ihre Wanderung gemeinschaftlich fort und kam nach einiger Zeit zu einem hohen Berge, den man notwendig übersteigen oder um die jähe Spitze eines in die See vorspringenden Felsens herumgehen mußte.
Der letztere Weg schien ihnen der kürzeste zu sein, daher wählten sie ihn. Bald aber fanden sie, daß sie Ursache hatten, ihren Entschluß zu bereuen; denn die Brandung schlug so heftig gegen den Felsen, daß sie beinahe weggeschwemmt worden wären. Ihre Rettung war in der Tat wunderbar. Während der Bemühung, ihr Leben zu erhalten, verloren vier oder fünf von ihnen ihr Stück Robbenfleisch, wovon jeder seinen Anteil besonders trug. Zum größten Unglück waren alle ihre Feuerbrände erloschen.
Sie setzten nun zwar ihre Reise wieder fort, aber, weil sie ihr Feuer verloren hatten, ganz mutlos; denn dies war ihnen höchst notwendig, nicht allein ihr Essen zu bereiten, sondern auch sich des Nachts gegen die wilden Tiere zu verteidigen, deren es in den meisten Gegenden, durch welche sie kamen, eine große Menge gab. Das Ungemach, das notwendig auf das Verlöschen ihrer Feuerbrände folgen mußte, schwebte ihrer Seele lebhaft vor und machte ihre Aussichten noch schwärzer.
Als sie in diesem trostlosen Zustande fortwanderten, erblickten sie verschiedene Weiber der Wilden, die sich aber, sobald man sie entdeckte, davonmachten. Als die Reisenden an die Stelle kamen, wo sie die Weiber zuerst gesehen, bemerkten sie, daß diese damit beschäftigt gewesen waren, Miesmuscheln zu fangen. Aber wie sehr freuten sie sich, als sie fanden, daß das Feuer, an dem die Wilden ihre Muscheln zubereitet hatten, noch nicht ausgegangen war. Freudig zündeten sie ihre Feuerbrände an, ruhten einige wenige Stunden aus und setzten dann ihren Weg weiter fort. Man muß bemerken, daß sie sich gewöhnlich an solchen Plätzen aufzuhalten pflegten, wo sie Holz genug zu ihren Feuern hatten; aber nie blieben sie da, wo sie bloß Wasser fanden, weil sie ohne Feuer nicht sicher schlafen konnten.
Am folgenden Tage kamen sie in ein Dorf, wo ihnen die Eingeborenen einen jungen Ochsen zeigten und ihnen einen Tauschhandel antrugen. Man bot ihnen dafür das Innere einer Uhr, einige Knöpfe und dergleichen, womit sie sogleich zufrieden waren. Das Tier ward in den Kral getrieben, und von unseren Leuten mit einer den Eingeborenen gehörenden Lanze getötet.
Die Wilden nahmen die Eingeweide für sich und schienen sehr viel Behagen daran zu finden. Das Tier selbst ward unter die Mannschaft auf folgende Art ausgeteilt. Damit keiner sich beschweren möchte, daß er zu kurz gekommen sei, so schnitt man das Ganze in möglichst gleiche Teile. Einer von den Leuten stellte sich mit dem Rücken gegen das Fleisch; ein anderer fragte ihn, wer das Stück haben sollte, das jetzt in die Höhe gehalten würde, und jener mußte einen Namen aus der Gesellschaft nennen. Auf diese Art ward jeder befriedigt; auch vergaß man das Kind bei dieser Gelegenheit nicht. Die Haut zerschnitt man in Stücke und verteilte sie durch das Los; und die, welche gute Stücke bekommen hatten, machten sich Schuhe davon.
Diese Nacht über blieben sie nahe bei dem Ufer; aber am folgenden Morgen machten sie eine Fähre und setzten damit über den Fluß, wobei jeder seinen Anteil am Mundvorrat mitnahm.
Dies war der einzige Fall, wo sie von den Eingeborenen Unterstützung erhielten, ausgenommen, daß die Weiber dem kleinen Knaben von Zeit zu Zeit etwas Milch gaben. Ungeachtet das Kind bei seinem Alter nicht dazu gemacht war, das Ungemach einer solchen Wanderung zu ertragen, so befand es sich doch meistens ziemlich wohl. Wo der Weg eben und gut war, da wanderte der Kleine und hielt wohl gar mit der Gesellschaft gleichen Schritt. Kamen sie aber an tiefe, sandige Stellen oder mußten sie durch hohes Gras waten, welches sich oft ereignete, dann trugen ihn die Leute wechselweise. Gingen sie auf das Fischen aus, so ward er an das Feuer gestellt, um es zu unterhalten, und bekam dafür hernach seinen Teil von dem Fange.
Sie setzten nun ihren Weg weiter fort und kamen in eine sandige Wüste, worin sie zehn Tage zubrachten und die Eingeborenen ganz aus dem Gesichte verloren. In dieser Einöde hatten sie eine Menge Flüsse zu passieren; und gewiß würden sie umgekommen sein, wenn sie nicht Nahrungsmittel bei sich gehabt hätten. Glücklicherweise fehlte es ihnen nicht an Holz; an den Ufern der Flüsse fanden sie eine hinlängliche Menge, die der Strom mit sich herabgeführt hatte, und wenn sie im Sande nachgruben, so fehlte es ihnen fast nie an Wasser.
Sie bemerkten jetzt, daß sie unter einer andern Völkerschaft reisten, die, wie Hynes glaubt, Mambukis genannt werden. In dem Gebiete derselben brachten sie fünf bis sechs Tage zu. Während dieser Reise wurden sie bisweilen von den Eingeborenen sehr übel behandelt; oft aber ließen diese sie auch ziehen, ohne sie zu beunruhigen.
Als sie jetzt wieder an die See gekommen waren, stießen sie auf einen Haufen Wilder, die ihnen durch Zeichen zu verstehen gaben, daß sie landeinwärts gehen möchten, und die ihnen zugleich den Weg zeigten, den sie zu nehmen hätten. Auf diesem gingen sie also weiter, und nachdem sie so etwa drei englische Meilen gewandert waren, kamen sie in ein Dorf, wo sie bloß Weiber und Rinder fanden.
Hier ruhten sie eine Weile aus, und die Weiber brachten etwas Milch, die sie dem kleinen Law gaben. Die Milch befand sich in einem kleinen Korbe, der aus Binsen sehr künstlich geflochten und so dicht war, daß keine Flüssigkeit durchlief.
Während die Reisenden ausruhten, kamen die Männer des Dorfes von der Jagd zurück, und jeder trug auf der Spitze seines Speers seinen Anteil Wildbret, der in einem Stück von ungefähr zehn Pfunden bestand.
Sobald sie die Fremden erblickten, stellten sie sich in einen Kreis um sie her und schienen sie voll Bewunderung zu betrachten. Dann zeigten sie ihnen zwei Flaschen Milch. Diese schienen sie vertauschen zu wollen; da aber den Engländern nichts übrig geblieben war, was sie den Wilden dafür hätten anbieten können, so mußten sie zu ihrer Kränkung sehen, daß die Milch zu einem andern Zwecke verbraucht ward.
Als der Tausch nicht zustande kam, so brachten die Wilden aus ihren Hütten Stäbe hervor, die an den Enden eingekerbt waren; dann setzten sie sich um die Flaschen her, tunkten ihre Stäbe in die Milch und sogen sie auf diese Art bald völlig aus.
Kaum hatten sie ihre Mahlzeit vollendet, als sie schnell aufstanden und augenblicklich in verschiedene Richtungen abgingen, worüber unsere Leute nicht wenig erschraken. Es waren ihrer wenigstens vierzig. Das Geräusch, welches einige von ihren Gefährten in der Entfernung machten, schien ihre Aufmerksamkeit an sich zu ziehen; sie zerstreuten sich also in die Wälder und waren in einem Augenblicke gleichsam verschwunden.
Es währte nicht lange, so kamen sie mit einem erlegten Wildbret zurück. Unsere Reisenden baten inständigst, daran teilnehmen zu dürfen; aber umsonst! Als die Nacht einbrach, mußten sie aus dem Kral weg; sie wanderten also noch vier bis fünf Meilen und legten sich dann zur Ruhe.
Sobald die Sonne aufging, setzten sie ihre Reise weiter fort. Die folgenden Tage kamen sie durch verschiedene Dörfer, wo sie eine Menge Rindvieh sahen. Aber da sie so unglücklich waren, den Besitzern desselben nichts zum Tausche anbieten zu können, so mußten sie sich mit dem bloßen Anblick begnügen. Die Eingeborenen wollten schlechterdings nichts geben, ohne einen beträchtlichen Wert dafür zu erhalten, ausgenommen, daß sie bisweilen dem Kleinen etwas Milch schenkten. Ansonsten ließen sie die Engländer in Frieden ziehen.
Diese kamen darauf an einen andern Fluß; da es aber Flutzeit war, so fanden sie ihn so stark angeschwollen, daß sie nicht hinüber konnten. Nicht weit von der Mündung desselben bemerkten sie drei oder vier Hütten, worin sich nur Weiber und Kinder befanden, weil die Männer abwesend waren. An den Hütten hatte man das Fleisch einiger Seekühe und Seelöwen zum Dörren aufgehängt, und die Weiber teilten den Reisenden etwas davon mit. Hynes glaubt übrigens, daß eher die Furcht als das Gefühl der Menschlichkeit sie dazu bewogen habe. Diese Nacht schliefen unsere Leute in einer kleinen Entfernung von den Hütten.
Am folgenden Tage schwammen neun von der Gesellschaft, unter denen sich auch Hynes befand, über den Fluß. Die andern aber blieben zurück, weil sie fürchteten, daß ihnen der Versuch nicht gelingen möchte, obwohl der Fluß bei der Ebbe kaum eine englische Meile breit und größtenteils zu durchwaten war.
Die, welche über den Fluß geschwommen, hatten aber kaum drei bis vier Meilen gemacht, als sie einen schlafenden Seehund hoch auf dem Strande erblickten. Als sie näherkamen, erwachte das Tier und eilte sogleich dem Meer zu. Da sie indessen mit langen zugespitzten Säbeln versehen waren, wie sie ihre Muschelstäbe nannten, so umringten sie den Seehund, schnitten ihm auf diese Art den Rückweg ab und töteten ihn endlich. Sobald das Tier tot war, schnitten sie das Fleisch in Stücke; jeder nahm seinen Anteil, und so wanderten sie weiter.
Die folgenden vier oder fünf Tage setzten sie ihre Reise weiter fort und sahen viele von den Eingeborenen, die sich, im ganzen genommen, ziemlich artig betrugen. Indessen begegneten sie bisweilen einigen, von denen sie (wie die Matrosen sich ausdrückten) geentert wurden, und bekamen einen oder ein paar Schläge.
Hierauf gelangten sie an einen andern Fluß, über den sie ebenfalls mußten. Wenn sie diese Flüsse zu passieren hatten, so pflegten sie Flösse zu bauen; oder, wenn dies nicht anging, so banden sie ihre Kleidungsstücke mit einem Bande um den Kopf dicht zusammen, so daß dieses Bündel das Ansehen eines Turbans hatte. Vorn in die Bündel steckten sie die Feuerbrände senkrecht in die Höhe, so daß sie nicht vom Wasser berührt und ausgelöscht werden konnten.
Zwei von der Gesellschaft waren bei dem Übersetzen bei dem letzten Fluß so unglücklich, ihre Feuerbrände ins Wasser fallen zu lassen; indessen ersetzten die übrigen diesen Verlust, so gut sie konnten.
Da sie jenseits des Flusses waren, gingen sie weiter und fanden am folgenden Tag einen Walfisch. Jetzt hatten sie auf einige Zeit Vorrat und waren folglich nicht gezwungen, so sehr wie sonst zu eilen; sie blieben daher zwei Tage lang an diesem Orte und hofften, daß inzwischen der andere Teil der Gesellschaft sich mit ihnen vereinigen würde. Aber, wie sie nachher erfuhren, waren die Zurückgebliebenen mehr landeinwärts gegangen, hatten sie auf diese Art verfehlt und waren jetzt schon voraus.
Während dieser Zeit hatten sie von dem Walfisch so viel abgeschnitten, als sie tragen konnten, und nachdem sie sich hinreichend erquickt hatten, setzten sie ihre Reise voll Munterkeit fort, da sie nicht mehr genötigt waren, Umwege zu machen oder sich mit dem Aufsuchen von Lebensmitteln aufzuhalten.
Auf diese Art gingen sie acht bis zehn Tage fort und mußten in dieser Zeit manchen Fluß durchwaten. Sie bemerkten auf ihrer Reise mehrere hin und wieder zerstreut liegende Lumpen und schlossen daraus, daß ihre Landsleute, denn nur von diesen konnten die Lumpen herrühren, durch diese Gegend gewandert sein mußten.
Jetzt lag eine große sandige Wüste vor ihnen, die das Land der Mambukis von dem Gebiete der Tambukis trennt, welche letztere südlicher als jene wohnen. Sie wanderten durch diese Einöde fort und fanden gegen Abend zu ihrem großen Kummer, daß sie wenig Hoffnung hatten, hier Holz oder Wasser zu finden. Zu ihrer ungemeinen Freude sahen sie indessen an dem Eingang eines tiefen Tals folgende Worte in den Sand geschrieben: »Kehrt hier ein, und ihr werdet Überfluß an Holz und Wasser finden.«
Einen so angenehmen Befehl befolgten sie sehr gern. Am Eingang des Tals fanden sie eine artige Grotte, wo sie, durch die Inschriften, die Reste des ausgegangenen Feuers und verschiedene andere Spuren versichert wurden, daß ihre ehemaligen Gefährten hier ausgeruht hatten.
Die vier oder fünf folgenden Tage setzten sie ihre Reise fort, ohne daß sich ein einziger merkwürdiger Umstand ereignete, ausgenommen, daß ihre Ermattung immer zunahm, je weiter sie kamen.
Reise einiger Brittischen Schiffbrüchigen durch das Kaffernland nach dem Hoffnungskap im Jahre 1782; Erzählt von dem Matrosen John Hynes, und beschrieben von dem Maler Carter
in: Ehrmann, T. F.: Geschichte der merkwürdigen Reisen, die seit dem 12. Jahrhundert zu Wasser und zu Land unternommen worden sind; Band 18, Frankfurt 3 797
Abgedruckt in:
Keller, Ulrike (Hg.)
Reisende in Südafrika 1497 – 1990
Wien 2000