März 1864 - Samuel Baker
Die Bakers entdecken den Albert-See: Die Quelle des Nils?
Als ich erwachte, war die Sonne aufgegangen. Ich hatte geschlafen, und entsetzt, als wie ein Blitz der Gedanke über mich kam, daß sie [Ehefrau Florence] tot sein müsse, und daß ich nicht bei ihr gewesen sei, sprang ich auf. Sie lag auf ihrem Bett, blaß wie Marmor und mit jener ruhigen Heiterkeit, welch die Gesichtszüge annehmen, wenn auf den Geist nicht mehr die Sorgen des Lebens wirken und der Leib im Tode ruht. Der furchtbare Gedanke beugte mich nieder; aber während ich angstvoll auf sie starrte, hob sich sanft ihre Brust, nicht mit den krampfhaften Schlägen des Fiebers, sondern natürlich. Sie schlief, und als sie bei einem plötzlichen Geräusch die Augen öffnete, waren sie ruhig und klar. Sie war gerettet! Wo kein Hoffnungsstrahl blieb, Gott allein weiß, was uns da half. Welche Dankbarkeit mich in jenem Augenblick erfüllte, will ich nicht zu schildern versuchen.
Glücklicherweise gab es in diesem Dorfe viele Hühner; in dem Stroh, mit welchem die Hütte bestreut war, fanden wir mehrere Nester mit frischen Eiern; sie waren nach unserer harten Reise willkommen und gaben eine Lieferung Suppe.
Nachdem wir zwei Tage geruht hatten, zogen wir wieder vorwärts; Frau Baker wurde auf einem Bett getragen. Wir gingen jetzt auf einem hohen Terrain, auf der Nordseite eines Tales fort, das, etwa sechzehn Meilen breit und außerordentlich sumpfig, von Westen nach Osten lief. Die Felsen, aus welchen der Bergrücken bestand, auf dem wir gerade nach Westen reisten, waren sämtlich Gneis und Quarz und hatten von Zeit zu Zeit Durchbrüche, die enge Täler bildeten, welche nichts als Sümpfe waren, mit gewaltig großen Papyrusbinsen versperrt, die den Marsch sehr ermüdend machten. In einem dieser schlammigen Talgründe blieb einer meiner Reitochsen, der krank war, stecken; wir sahen uns genötigt, ihn aufzugeben, und beabsichtigten eine Anzahl Eingeborene zu senden, um ihn mit Seilen herauszuschleppen. Als wir in einem Dorfe ankamen, schickte unser Führer zu diesem Zwecke etwa fünfzig Mann ab, während wir unsere Reise fortsetzten.
Jenen Abend erreichten wir ein Dorf, das einem Ortsvorsteher gehörte und viel besser war als die meisten, die wir auf dem Wege von M'ruli her passiert hatten. Auf den Feldern stand großes Zuckerrohr der blauen Spielart, und in dem in der Nähe befindlichen Walde hatte ich Kaffee gesehen, der wild wuchs. Etwa zwei Stunden nach Sonnenuntergang saß ich an der Tür der Hütte, eine Pfeife ausgezeichneten Tabak rauchend, als ich plötzlich einen starken Gesang im Chor rasch aus der Ferne nach dem Eingang des Hofes heranrücken hörte. Anfangs bildete ich mir ein, die Eingeborenen hätten einen Tanz vor, was für mich eine Strafe gewesen wäre, die ich zu vermeiden wünschte, da ich müde und fieberkrank war; aber in wenigen Minuten führte der Knabe Saat einen Ortsvorsteher ein, welcher mir sagte, daß der Reitochse in dem Sumpfe, wo er am Morgen stecken geblieben war, gestorben sei, und daß die Eingeborenen mir seine Leiche gebracht hätten. "Was!" erwiderte ich, "mir seine Leiche, den ganzen Ochsen, gebracht?" "Der ganze Ochse, wie er starb, ist an Ihrer Tür abgeliefert," antwortete der Ortsvorsteher; "ich konnte nicht zugeben, daß irgend etwas von Ihrem Eigentum auf der Straße verloren ging. Wäre die Leiche des Ochsen nicht an Sie abgeliefert worden, so hätten wir können in den Verdacht kommen, ihn gestohlen zu haben." Ich ging an den Eingang des Hofes und fand inmitten eines Haufens von Eingeborenen den ganzen Ochsen genau so, wie er gestorben war. Sie hatten ihn gegen acht Meilen auf einer Trage hergeschafft, welche sie aus zwei ungeheuer langen Pfosten mit Querhölzern von Bambus hergestellt, auf die sie den Leichnam gelegt hatten. Sie wollten das Fleisch nicht essen, und schon der Gedanke daran schien ihnen völlig zuwider zu sein, da sie entgegneten, "er sei gestorben".
Die Bewohner von Unyoro zeichnen sich in merkwürdiger Weise dadurch aus, daß sie nur ganz reine Nahrung genießen und weder das Fleisch von Tieren, die gestorben, noch von denjenigen, die krank sind, anrühren mögen; auch das Krokodil mögen sie nicht essen. Sie baten um keine Vergütung dafür, daß sie ihre schwere Last so weit hergebracht hatten; sie betrachteten es als eine selbstverständliche Sache und gingen in guter Laune ab.
Nie gab es solche sich selbst widersprechenden Menschen wie diese Geschöpfe. Während der Reise hatten sie uns furchtbare Not gemacht, indem sie plötzlich über die Schwere ihrer Lasten schrien, sie wegwarfen und ins hohe Gras sprangen; und doch hatten sie jetzt aus eigenem freien Willen einen ganzen toten Ochsen acht Meilen weit getragen und an mich abgeliefert, gerade als wäre er ein Gegenstand von größtem Wert gewesen.
Der Name dieses Dorfes war Parkani. Schon mehrere Tage lang hatten uns unsere Führer gesagt, daß wir ganz nahe am See wären, und jetzt versicherte man uns, daß wir ihn am morgigen Tage erreichen würden. Ich hatte in ungeheurer Entfernung gen Westen eine Reihe stattlicher Berge bemerkt und mir eingebildet, der See läge jenseits dieser Kette; jetzt wurde mir aber mitgeteilt, daß diese Berge die westliche Grenze des M'wutan N'zige bildeten, und daß der See sich wirklich innerhalb eines Marsches von Parkani befände. Ich glaubte gar nicht, daß es möglich sei, daß wir dem Gegenstande unseres Suchens so nahe wären. Jetzt erschien der Führer Rabonga und erklärte, daß, wenn wir am folgenden Morgen früh aufbrächen, wir im Stande sein würden, uns gegen Mittag im See zu waschen!
Jene Nacht schlief ich kaum. Jahre lang hatte ich gerungen, die "Quellen des Nil" zu erreichen. In meinen nächtlichen Träumen während jener schwierigen Reise war es mir stets mißlungen, aber nach so viel harter Arbeit und Ausdauer war der Becher gerade an meinen Lippen, und ich sollte an der geheimnisvollen Quelle trinken, ehe die Sonne zum zweiten Male unterging - an jenem großen Behälter der Natur, der seit der Erschaffung jeder Entdeckung gespottet hatte.
Durch Schwierigkeiten aller Art hindurch, bei Krankheit, Hunger und Müdigkeit hatte ich gehofft, gebetet und gerungen, jene verborgene Quelle zu erreichen, und so oft es unmöglich erschienen war, hatten wir uns beide entschlossen, lieber auf der Straße zu sterben, als unverrichteter Sache umzukehren. War es möglich, daß sie so nahe lag, und daß wir morgen sagen konnten: "Das Werk ist vollendet"?
Den 14. März. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als ich meinem Ochsen die Sporen gab und dem Führer nacheilte, den, weil ich ihm bei der Ankunft am See eine doppelte Hand voll Perlen versprochen hatte, die Begeisterung des Augenblicks ergriffen hatte. Der schöne heitere Tag brach an, und nachdem wir ein zwischen den Hügeln liegendes tiefes Tal überschritten hatten, arbeiteten wir uns mühsam den gegenüberliegenden Abhang hinauf. Ich eilte auf die höchste Spitze. Unser prachtvoller Preis sprang mir plötzlich in die Augen! Dort lag, gleich einem Quecksilbermeer, tief unten die großartige Wasserfläche - im Süden und Südwesten ein grenzenloser Seehorizont, glänzend in der Mittagssonne, und im Westen erhoben sich in einer Entfernung von fünfzig bis sechzig Meilen blaue Berge aus dem Busen des Sees bis zu einer Höhe von etwa 7.000 Fuß über seinem Wasserstand.
Den Triumph dieses Augenblicks zu beschreiben ist unmöglich; hier lag der Lohn für alle unsere Arbeit - für die jahrelange Zähigkeit, mit welcher wir uns durch Afrika hindurchgeplagt hatten. England hatte die Quellen des Nil erobert! Lange zuvor, ehe ich diese Stelle erreichte, hatte ich mir vorgenommen, zu Ehren der Entdeckung mit unserer ganzen Mannschaft drei Hurrahs in englischer Weise zu rufen; aber jetzt, wo ich hinabschaute auf das große Binnenmeer, das gerade im Herzen Afrikas eingenistet lag, wo ich daran dachte, wie vergebens die Menschheit so viele Jahrhunderte hindurch diese Quelle gesucht, und erwog, daß ich das geringe Werkzeug gewesen, dem es gestattet war, diesen Teil des großen Geheimnisses zu enthüllen, während es so vielen, die größer als ich, mißlang, da war ich zu ernst gestimmt, um meinen Gefühlen in eitlem Hurrahgeschrei für den Sieg Luft zu machen, und dankte aufrichtig Gott, daß er uns durch alle Gefahren zum guten Ende geführt und uns beigestanden hatte. Ich stand etwa 1.500 Fuß über dem See und blickte von der steilen Granitklippe hinab auf diese willkommenen Wasser - auf jenen ungeheuren Behälter, der Ägypten ernährte und Fruchtbarkeit brachte, wo alles Wildnis war - auf jene große Quelle, die der Menschheit so lange verborgen blieb, jene Quelle der Güte und des Segens für Millionen menschlicher Wesen, und als einen der größten Gegenstände in der Natur beschloß ich, sie mit einem großen Namen zu ehren. Zum unvergänglichen Andenken an einen von unserer gnädigsten Königin geliebten und betrauerten und von jedem Engländer beweinten Fürsten nannte ich diesen großen See den "Albert N'yanza". Die Seen Victoria und Albert sind die beiden Quellen des Nil.
Der Zickzackweg, auf welchem man zum See hinabsteigen mußte, war so steil und gefährlich, daß wir uns genötigt sahen, unsere Ochsen mit einem Führer zurückzulassen, der sie nach Magungo bringen und auf unsere Ankunft warten sollte. Wir begannen zu Fuß den steilen Paß hinabzusteigen. Ich ging, ein starkes Bambusrohr ergreifend, voran. Meine Frau wankte in äußerster Schwäche den Paß hinab, indem sie sich auf meine Schulter stützte und alle zwanzig Schritt stehenblieb, um auszuruhen. Nachdem wir, durch jahrelanges Fieber geschwächt, aber für den Augenblick durch den glücklichen Erfolg gestärkt, etwa zwei Stunden mühsam gegangen waren, erreichten wir die waagerechte Ebene unterhalb der Klippe. Ein Spaziergang von etwa einer Meile durch flache sandige Wiesen mit schönem Rasen, der hie und da mit Bäumen und Gebüsch bestanden war, brachte uns zum Rande des Wassers. Die Wellen rollten auf ein weißes Kieselgestade. Ich stürzte mich in den See und trank, durstig von Hitze und Ermüdung, mit dankerfülltem Herzen tief aus den Quellen des Nil.
Innerhalb einer Viertelmeile vom See lag ein Fischerdorf namens Vacovia, in welchem wir uns jetzt niederließen. Alles roch nach Fisch - und alles sah wie Fischerei aus, nicht wie die vornehme Kunst Englands mit Angelrute und Fliege, sondern Harpunen lehnten an den Hütten, und Schnüre fast so dick wie der kleine Finger waren zum Trocknen aufgehängt und daran eiserne Angelhaken von einer Größe befestigt, die viel sagte für die Ungeheuer des Albertsees. Beim Eintritt in die Hütte fand ich eine erstaunliche Menge Fischergerät. Die Angelschnüre waren schön gemacht aus der Faser des Pisangstengels, außerordentlich elastisch und wohl geeignet, dem ersten Anlauf eines schweren Fisches zu widerstehen. Die Angelhaken waren sehr roh, aber gut mit Widerhaken versehen, und wechselten in der Größe von zwei bis sechs Zoll. Eine Anzahl Harpunen und Flöße für Flußpferde waren in guter Ordnung aufgestellt, und die ganze Einrichtung der Hütte zeigte, daß der Eigentümer ein Waidmann war.
Die Harpunen für Flußpferde waren genau nach demselben Modell gearbeitet wie diejenigen, welche die Hamrau-Araber an der Takagrenze Abessiniens benutzen. Sie haben eine schmale, drei Viertelzoll breite Klinge mit einem einzigen Widerhaken. Das an der Harpune befindliche Seil war schön aus Pisangfasern gemacht, und das Floß war ein ungeheures Stück Ambatschholz von etwa fünfzehn Zoll Durchmesser. Das Flußpferd wurde aus Kanus gespießt, und die großen Flöße waren nötig, um in den stürmischen Wassern des Sees leicht erkannt zu werden.
Meine Mannschaft war beim Anblick des Sees völlig bestürzt. Die Reise war so lang gewesen, und "verschobene Hoffnung" hatte ihre Herzen so vollständig krank gemacht, daß sie schon lange nicht mehr an die Existenz des Sees glaubten und überzeugt waren, ich wolle sie nach dem Meer führen. Sie blickten jetzt mit Schrecken auf den See - zwei von ihnen hatten bereits das Meer bei Alexandria gesehen und nahmen keinen Anstand zu behaupten, dies sei das Meer, aber es sei nicht salzig.
Vacovia war ein elender Ort und der Boden so mit Salz geschwängert, daß kein Feldbau möglich war. Salz war das Naturprodukt des Landes, und die Bevölkerung beschäftigte sich mit der Bereitung desselben; dies machte den Handel der Seeküsten aus, indem es für Lebensbedürfnisse umgetauscht wurde, die aus dem Innern kamen. Ich untersuchte die Gruben; sie waren etwa sechs Fuß tief; aus dieser Tiefe wurde ein schwarzer, sandiger Schlamm gegraben, den man in große irdene Krüge brachte; letztere wurden auf Gestelle gesetzt und der Schlamm mit Wasser vermischt, welches, indem es schnell durch kleine im Boden befindliche Löcher sickerte, in darunter stehende Krüge aufgenommen wurde. Dies Wasser benutzte man wieder mit frischem Schlamm, bis es eine starke Salzsole wurde, wo man es dann kochte und abdampfte. Das Salz war weiß, aber sehr bitter. Ich stelle mir vor, daß es sich durch das Absterben von Wasserpflanzen gebildet hat, die von den Wellen ans Ufer gespült wurden; indem sie sich zersetzten, bildeten sie einen Schlammniederschlag, und mit dem Salz ist viel Pottasche verbunden. Die flache sandige Wiese, die sich vom See etwa eine Meile bis an den Fuß der 100 Fuß hohen jähen Klippen erstreckt, scheint einst der Grund des Sees gewesen zu sein - ja, das flache Land von Vacovia sieht aus wie eine Bai, indem die etwa fünf Meilen südlich und nördlich stehenden Bergklippen schroff bis zum Wasser herabsteigen und die Fläche der Boden eines durch die Klippen gebildeten Hufeisens ist. Läge der Spiegel des Sees fünfzehn Fuß höher, so würde diese Fläche bis zum Fuß der Hügel überschwemmt sein.
Ich verschaffte mir vom Häuptling des Dorfes für einige blaue Perlen ein paar junge Ziegen, und da ich vom Ortsvorsteher von Parkani gegen eine Anzahl Perlen und Armbänder einen Ochsen zum Geschenk erhalten hatte, so gab ich meiner Mannschaft zu Ehren der Entdeckung ein großes Gastmahl. Ich hielt eine Ansprache an sie und setzte ihnen auseinander, wie viel Not uns hätte erspart werden können, wenn die ganze Gesellschaft sich von allem Anfang an gut betragen und meiner Führung vertraut hätte, indem wir dann zwölf Monate früher hier angekommen wären; zugleich aber sagte ich ihnen, daß es eine größere Ehre sei, das Werk mit einer so kleinen Macht, wie dreizehn Mann wären, vollendet zu haben, und daß, da der See jetzt glücklich erreicht sei und Frau Baker nach einer so schrecklichen Gefahr ihre Gesundheit wiedererlangt habe, ich ihnen frühere Vergehen verzeihen und alles auswischen werde, was in meinem Tagebuche gegen sie angemerkt sei. Dies freute meine Leute; sie riefen aus: "El hamd el illah!" (Gott sei Dank!) und fielen sofort über das Rindfleisch her.
Am folgenden Morgen bei Sonnenaufgang nahm ich den Kompaß und ging, von dem Häuptling des Dorfes, meinem Führer Rabonga und der Frau Batschita begleitet, nach den Gestaden des Sees, um das Land aufzunehmen. Es war schön hell, und mit einem starken Fernrohr konnte ich zwei große Wasserfälle erkennen, welche die Wände der Berge auf der gegenüberliegenden Küste spalteten. Obgleich der Umriß der Berge auf dem hellblauen Himmel deutlich hervortrat und die dunklen Schatten auf ihren Wänden tiefe Schluchten andeuteten, so konnte ich doch keine anderen Gestalten erkennen, als die zwei großen Wasserfälle, die wie Silberfäden auf der dunklen Vorderseite der Berge aussahen. Eine Grundfläche war nicht zu sehen, selbst von einer Höhe von 1.500 Fuß über dem Wasserspiegel aus, von wo ich den See zum ersten Mal erblickte, sondern die hohe Bergkette im Westen schien sich plötzlich aus dem Wasser zu erheben. Diese Erscheinung mußte von der großen Entfernung herrühren, indem die Grundfläche unterhalb des Gesichtskreises lag, denn dichte Rauchsäulen stiegen scheinbar von der Oberfläche des Wassers auf; sie mußten durch das Verbrennen von Prärien am Fuße der Berge entstanden sein. Der Häuptling versicherte mir, es sei bekannt, daß große Kanus von der anderen Seite herübergefahren, aber es erfordere vier Tage und Nächte harten Ruderns, um die Reise auszuführen, und viele Boote seien bei dem Versuch verloren gegangen. Die Kanus von Unyoro wären für eine so gefährliche Reise nicht geeignet; aber die Westküste des Sees sei mit in dem großen Königreich Malegga inbegriffen, das der König Kadjoro regiere, welcher große Kanus besäße und von einem Magungo gegenüberliegenden Punkte aus, wo sich der See bis auf eine Tagereise verschmälere, mit Kamrasi Handel treibe. Er beschrieb Malegga als ein sehr mächtiges Land, das eine größere Ausdehnung habe als Unyoro oder selbst Uganda. Südlich von Malegga liege ein Land, das Tori heiße, von einem König desselben Namens regiert. Was jenseits jenes Landes nach Süden auf der Westküste sei, darüber könne man von niemandem Kunde erhalten.
Man wußte, daß der See sich ebensoweit nach Süden erstrecke als Karagwe, und es wurde die alte Geschichte wiederholt, daß Rumanika, der König jenen Landes, Elfenbeinjagdgesellschaften nach dem See in Utumbi zu senden pflege, und daß sie früher den See bis nach Magungo befahren hätten. Dies war eine merkwürdige Bestätigung der Nachricht, die mir Speke in Gondokoro gab, der schrieb: "Rumanika pflegt beständig Elfenbeinjagdgesellschaften nach Utumbi zu senden".
Die Ostküsten des Sees wurden von Norden nach Süden von Tschopi, Unyoro, Uganda, Utumbi und Karagwe eingenommen. Vom letztgenannten Punkte aus, der unter nicht weniger als etwa 2 Grad südlicher Breite liegen konnte, sollte der See sich plötzlich nach Westen wenden und in dieser Richtung eine unbekannte Strecke weit fortgehen. Nördlich von Malegga, auf der Westküste des Sees, lag ein kleines Land, namens M'Caroli; dann Koschi auf der Westseite des Nil, wo er aus dem See tritt, und Koschi gegenüber, auf der Ostseite des Nil, war das Madiland. Der Führer sowohl als der Häuptling von Vacovia benachrichtigten mich, daß wir auf Kanus nach Magungo gebracht werden sollten, dem Punkte, an welchem der Somerset, den wir in Karuma verlassen hatten, sich mit dem See vereinigte, daß wir aber den Somerset nicht hinauffahren könnten, weil auf dem ganzen Wege von Karuma bis eine kurze Strecke vor Magungo immer ein Katarakt auf den anderen folge. Von seinem Ausfluß aus dem See in Koschi sei der Nil eine beträchtliche Strecke weit schiffbar, und Kanus könnten so weit den Fluß hinabfahren, als das Madiland gehe. Sie stimmten beide darin überein, daß der Wasserstand des Sees niemals niedriger sei als jetzt, und daß er nie höher steige als bis zu einem Zeichen auf dem Strande, das ein Wachsen von etwa vier Fuß andeutete. Der Strand war vollkommen reiner Sand, auf welchem die Wellen dahinrollten gleich denen des Meeres, Unkraut auswerfend, genau so wie man auf der englischen Küste das Seegras sieht. Er war ein großartiger Anblick, auf diesen ungeheuren Wasserbehälter des gewaltigen Nil zu schauen und zu sehen, wie die schweren Wogen sich auf den Strand wälzten, während weit nach Südwesten hin das Auge ebenso vergebens nach einer Grenze suchte wie auf dem Atlantischen Ozean. Ich war im höchsten Grade gerührt, als ich diese herrliche Szene genoß. Meine Frau, die mir mit so großer Ergebung gefolgt, war, stand an meiner Seite, blaß und erschöpft - ein Wrack an den Küsten des großen Albertsees, den wir so lange zu erreichen gestrebt. Noch kein europäischer Fuß hatte je auf seinen Sand getreten, und noch keines weißen Mannes Augen hatten je seine ungeheure Wasserfläche gemessen. Wir waren die Ersten; und das war der Schlüssel zu dem großen Geheimnis, welches zu enthüllen selbst Julius Caesar sich sehnte, aber vergebens. Hier war das große Becken des Nil, das jeden Tropfen Wasser aufnahm, von dem vorübergehenden Regenschauer bis zu dem brausenden Gebirgsstrom, der aus Zentralafrika gen Norden abfloß. Das war der große Wasserbehälter des Nil!
Der erste Blick von der 1.500 Fuß über dem Wasserspiegel liegenden Spitze der Klippe hatte vermuten lassen, was eine nähere Prüfung bestätigte. Der See war eine ungeheure Einsenkung weit unter das allgemeine Niveau des Landes, von jähen Klippen umringt und im Westen und Südwesten von großen Bergketten begrenzt, die sich fünf- bis siebentausend Fuß über den Stand seiner Wasser erhoben - er war daher der eine große Behälter, in welchen alles Wasser abfließen mußte, und aus dieser ungeheuren Felsenzisterne nahm der Nil seinen Ausgang, ein Riese schon bei seiner Geburt. Für die Geburt eines so gewaltigen und wichtigen Stromes wie der Nil hatte die Natur eine großartige Einrichtung getroffen. Speke's Victoria N'yanza bildete einen Wasserbehälter in bedeutender Höhe, welcher durch den Kitangulestrom den Abfluß von Westen aufnahm, und Speke hatte in großer Entfernung den M'Fumbiro-Berg als eine Spitze zwischen anderen Bergen gesehen, von denen die Flüsse herabkamen, welche durch ihre Vereinigung den Hauptstrom Kitangule, den vorzüglichsten Speisekanal des Victoriasees von Westen her unter etwa 2 Grad südlicher Breite bildeten; dieselbe Bergkette, welche den Victoriasee im Osten speiste, mußte daher auch eine Wasserscheide nach Westen und Osten haben, die in den Albertsee floß. Da der allgemeine Abfluß des Sees von Süden nach Norden gerichtet ist und der Albert sich viel weiter nach Norden erstreckt als der Victoriasee, so nimmt er den Fluß aus dem letzteren auf und reißt also die ganzen Quellwasser des Nil allein an sich.
Baker, Samuel
Der Albert Nyanza, das große Becken des Nil und die Erforschung der Nilquellen
Jena 1867