Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

5. Jahrhundert v. Chr. - Hanno
Die Seereise von Karthago zum Kamerunberg

Als wir die Säulen des Herkules hinter uns gelassen hatten und zwei Tagesreisen weiter gefahren waren, erbauten wir die erste Stadt, die wir Thymiatherium nannten. Diesen Ort umgab eine große Ebene. Von hier fuhren wir weiter gegen Westen und kamen nach Soloeis, einem lybischen Vorgebirge, das mit dickem Gehölz bewachsen war.
   Nachdem wir auf dieser Höhe dem Neptun einen Tempel gebaut hatten, lenkten wir wieder nach Osten und gelangten nach einer halben Tagereise an einen See, der nicht weit vom Meere lag und voll Rohr stand, das sehr groß war. Hier waren Elefanten und andere wilde Tiere, die wir in großer Menge weiden sahen.
   Als wir von diesem See etwa eine Tagesreise weiter gefahren waren, legten wir an der Küste des Meeres Städte an und nannten sie Cariconteiches, Gytte, Acra, Melitta und Arambys. Von da fuhren wir weiter und kamen an den großen Fluss Lixus, der aus Libyen fließt. An diesem Fluss weideten die Lexiten, die herumschweifende Hirten sind, ihre Herden. Da wir ihre Freunde wurden, blieben wir eine Zeit lang bei ihnen.
   Weiter über dies hinauf wohnten Mohren, unfreundliche Leute gegen Fremde. Diese bewohnen ein Land, das voll wilder Tiere und von Gebirgen durchschnitten ist, aus denen nach dem Bericht der Lexiten der Lixus entspringt.
   Die Leute sagten auch, dass um diese Berge herum Menschen von einer ganz fremden Gestalt wohnen, die Troglodyten hießen und schneller als Pferde laufen könnten.
   Nachdem wir von den Lexiten Dolmetscher genommen hatten, fuhren wir neben einer wüsten Küste zwei Tagesreisen gegen Mittag. Von da lenkten wir wieder eine Tagesreise gegen Osten. Wir fanden in der Tiefe eines Meerbusens eine kleine Insel, die im Umkreis fünf Stadien hatte. Wir setzten Bewohner darauf und gaben ihr den Namen Cerne.
   Wir schlossen aus unserer Umfahrt, dass sie mit Karthago in gerader Linie läge. Denn die Entfernung von Karthago bis zu den Herkulessäulen ist mit der Entfernung von den Herkulessäulen bis nach Cerne gleich.
   Von hier kamen wir zu einem See, nachdem wir über einen großen Fluss, der Chrete heißt, übergesetzt hatten. In diesem See waren drei Inseln, deren jede größer war als Cerne.
   Als wir eine Tagesreise von diesen Inseln zurückgelegt hatten, kamen wir in den innersten Busen dieses Sees. Über diesen Busen erstreckten sich die höchsten Berge, auf denen sich Wilde zeigten, die mit Tierfellen bekleidet waren. Sie hinderten uns an der Landung und jagten uns zurück, indem sie mit Felsstücken warfen. Von da reisten wir zurück und kamen wieder nach Cerne.
   Wir fuhren aus dem See hinaus und kamen an einen anderen Fluss, der groß und breit und voll von Krokodilen und Flusspferden war. Von da reisten wir zurück und kamen wieder nach Cerne.
   Von da fuhren wir gegen Süden. Wir reisten zwölf Tage immer an den Küsten. Die ganze Strecke bewohnten Mohren, die vor uns liefen und uns nicht ohne Entsetzen anblicken konnten. Sie redeten so unverständlich, dass sogar die Lexiten sie nicht verstanden, die wir bei uns hatten. Am zwölften Tage gelangten wir endlich an hohe und bewaldete Berge. Das Holz der Bäume war wohlriechend und von unterschiedlicher Art.
   Nachdem wir nach zwei Tagen diese Berge umschifft hatten, gelangten wir an einen unermesslich weiten Raum des Meeres, dessen Küste eine Ebene hatte, von der wir zur Nachtzeit die ganze Strecke hinunter abwechselnd Feuer in die Höhe schießen sahen, das bald stärker, bald schwächer war.
   Als wir hier frisches Wasser eingenommen hatten, fuhren wir fünf Tage lang an der Küste weiter, bis wir in einen großen Meerbusen gelangten. Unsere Dolmetscher sagten, dass diese Krümmung das Abendhorn genannt würde. Es lag eine große Insel darin, und auf der Insel war ein See mit Salzwasser, in dem eine weitere Insel lag. Am Tage sahen wir nur Wald; zur Nachtzeit hingegen erblickten wir viele leuchtende Feuer und hörten ein Tönen von Flöten und ein Klingen von Zimbeln und Paukenschlägen, mit einem entsetzlichen Geschrei vermischt. Schrecken überfiel uns, und unsere Wahrsager befahlen, die Insel zu verlassen.
   Wir fuhren also in aller Eile hinaus und kamen in die feuerreiche Gegend der Thymiamater. Dort ergossen sich Feuerströme ins Meer, und den Erdboden konnte man der Hitze wegen nicht betreten. Wir fuhren also auch von hier schnell und voller Schrecken wieder fort.
   Wir reisten vier Tage lang und sahen das Land alle Nächte voll heller Flammen, in deren Mitte ein sehr hohes Feuer war, das die übrigen Flammen überragte und, wie es schien, bis an die Sterne reichte. Am Tage sah man, daß es ein sehr hoher Berg war. Man nennt ihn den Götterwagen [Kamerunberg].
   Als wir von da noch drei Tage lang an Feuerbächen vorbeigefahren waren, gelangten in einen Meerbusen, den man das Südhorn nennt. In ihrer Tiefe lag eine Insel, die der ersten gleich war. Auch in ihr lag ein See, und in diesem wieder eine Insel, die von einer Menge Wilder besetzt war. Die meisten von ihnen waren Weiber mit rauen Körpern. Unsere Dolmetscher nannten sie Gorillas. Wir verfolgten sie, die Männer aber konnten wir nicht fangen, denn sie retteten sich durch Flucht. Sie konnten über Felsen weg springen und widersetzten sich uns mit Steinen.
   Drei von ihren Weibern, die durchaus nicht folgen wollten, setzten sich gegen unsere Leute, die sie gefangen nahmen, mit Beißen und Kratzen zur Wehr. Daher töteten wir sie, zogen ihnen die Haut ab und haben ihre Felle mit nach Karthago gebracht.
   Weiter haben wir unsere Schifffahrt nicht fortgesetzt, weil es uns an Lebensmitteln fehlte.

Flavius Arrianus
Indische Merkwürdigkeiten und Hannos Seereise
Braunschweig und Wolfenbüttel 1764

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