1855 - Ferdinand de Lesseps
Die Feldarbeit für den Suezkanal beginnt
Am 15. November [1854] wurde die Frage des Suezkanals endgültig beantwortet, heute, am 31. Dezember, dem ersten Tag unserer Forschungsreise, legen wir den Grundstein zu jenem großen Werke, welches Orient und Okzident einander nähern soll.
Ich lese Linants [beratender Ingenieur] Aufsatz über die alte Geographie des Isthmus im Vergleich zu der heutigen, sowie über den von den Hebräern eingeschlagenen Weg; diese Lektüre soll mir, mit dem Studium der Hauptstellen des Buch Moses zusammengehalten, von Nutzen sein.
1. Januar 1855. Abbruch des Lagers 5 Uhr morgens. Wir folgen an der Westseite den Biegungen der Bitterseen, welche zu Moses Zeiten einen Arm des Toten Meeres bildeten und heute ausgetrocknet sind. Zerstreut in dem alten Meeresbette lagern Salzkrusten, die Eisschollen beim Eisgang gleichen. Unser Weg führt uns über einen Teil dieses Terrains, dabei lassen wir aber zu unserer Rechten gewisse Schlammstellen liegen, welche die Reisenden zu betreten sich hüten, da sie darin mit ihren Reittieren unrettbar versinken würden. Zu unserer Linken, etwa ¼ Meile entfernt, erhebt sich das Awebetgebirge, welches gute Kalk- und Bausteine liefern kann.
Wir besteigen einen Hügel und finden dort Granitblöcke, Überreste des sogenannten persepolitanischen Monuments. Einer dieser Blöcke trägt auf einer Seite assyrische oder Keilinschriften, auf der anderen Seite ist ein Geier mit entfalteten Flügeln und in den Ecken der alte ägyptische Königsstab abgebildet.
Man glaubt, daß dieses Denkmal von Darius, dem persischen Eroberer, zur Zeit seiner ägyptischen Expedition errichtet worden sei, entweder um als Grenzstein zwischen zwei Ländergebieten zu dienen, oder um das Andenken an die Wiederherstellung des Kanals der Pharaonen, welche Herodot ihm zuschreibt, zu verewigen. Die Steinart, welche zu dem Denkmal verwendet wurde, ist der Stein des Sinai.
Wir lassen das Becken der Bitterseen rechts liegen und setzen unseren Weg durch die Wüste fort. Hier ist der Boden nicht mehr so hart wie bisher, der Sand ist feiner, so daß die Spuren eines jeden Tieres auf dem Boden zurückbleiben. Nach allen Richtungen hin kreuzen sich die Fährten der Hyänen, Gazellen, Füchse und Hasen.
Um 4 Uhr lagern wir uns in dem Uad-el-Akram (Tal der Akram, Name einer Art Sträucher).
Abends Unterhaltung über unser Kanalproject von Suez bis zu der Stelle, wo wir uns jetzt befinden. Aus unseren Beobachtungen geht hervor, dass dem Kanal am Eingang von Suez alle 24 Stunden ungefähr 10 Millionen Cubikmeter Wasser durch die Fluthöhe des Roten Meeres zugeführt werden können, und daß man hierdurch sowie durch die Wasser des Mittelmeeres das Becken der Bitterseen zu füllen imstande sei. Letzteres soll ein ungeheures Reservoir für 2 Milliarden Cubikmeter Wasser abgeben.
Diese Wassermasse wird den Kanal genügend versorgen und wird, wenn der Wind sie nicht zurücktreibt, eine schwache Strömung nach dem Mittelländischen Meere hervorrufen.
Lesseps, Ferdinand de
Vierzig Jahre Erinnerungen
Berlin 1888, Faksimile Düsseldorf 1984