1807 - Ulrich Jasper Seetzen
Ausflug vom Katharinenkloster
14. April. Schon ein Viertel vor 5 Uhr fing am folgenden Morgen ich nebst meinem Bedienten, einem Beduinen und einem Knaben an, den St. Kathrinenberg zu ersteigen. Obgleich der Pfad weniger steil, als der vorige war, der auf den Horeb führte: so fand ich ihn doch weit beschwerlicher, weil auf dem ganzen Wege nirgends Stufen vorhanden sind, und er voller Steine und Blöcke liegt, und man an mehrern Stellen über steile Felsen klettern muss. Die Gebürgsart bestand aus Jaspis, Porphyr und einem sehr feinkörnigen, ungemein festen Granit. An unserm Pfade bemerkte ich viele artige schwarze Dendriten, wovon ich einen kleinen Vorrat mit mir nahm.
Zwanzig Minuten nach 5 Uhr ruhten wir uns an einer Stelle aus, wo der Berg eine kleine Terrasse bildete. Um halb 6 Uhr fingen wir wieder zu steigen an und erreichten nach 10 Minuten die kleine Quelle Ain el Schennar oder Rebhühner-Quelle, welche am Fusse hoher überhangender Felsenwände entspringt, an welchen ich kleine Stellen mit einem weissen Tuff inkrustiert fand. Diese Quelle hält etwa einen Fuss im Quadrat und liefert wenig Wasser. Neben derselben stand auf dem Felsboden ein Azarolenbaum (Saarur) von der Grösse eines Kirschenbaums.
Nach 20 Minuten Aufenthalts stiegen wir auf einem sehr beschwerlichen Pfade höher. Um halb 7 Uhr erreichten wir eine etwas offenere und steinlosere Stelle, wo viele Stauden wuchsen, und auf welcher wir gemächlich bis zum Fusse der höchsten Felsenspitze des St. Kathrinenberges hinaufstiegen. Beim Anfange dieser Stelle, wo man erst jene Spitze ansichtig wird, ruhten wir wieder eine halbe Stunde aus. Fünf Minuten vor halb 8 Uhr erreichten wir den Fuss jenes mächtigen Felsengipfels, wo wir wieder ein wenig ausruhten, und um ein Viertel vor 8 Uhr sahen wir uns innerhalb fünf Minuten auf diesem Gipfel selbst. Dieser Felsen ist ausserordentlich hart und steil, und man muss ihn mit Mühe erklettern, weil durchaus keine Stufen vorhanden sind. Ein Glück ist es, dass man nicht leicht ausgleitet, weil seine scharfe Oberfläche in die Sohlen eindringet. Nichts desto weniger gingen meine beiden Beduinen mit blossen Füssen, und ihre natürliche Schwielensohle schien nicht von den schärfsten Steinen zu leiden.
Auf diesem Gipfel, welcher den Umfang eines mittelmässigen Zimmers hat, steht ein sehr kleines niedriges elendes Häuschen, von rohen auf einander gelegten Steinen gebaut, welches man die Kapelle der heiligen Katharine nennt, die die Hälfte der Gipfelfläche einnimmt, und in welcher man den Körpereindruck dieser Heiligen sehen soll. Ich fand den Fussboden in derselben aus dem natürlichen Felsen bestehend, und in demselben eine länglichte Erhabenheit, welche etliche Zoll hoch über demselben hervorragte. In dieser Erhabenheit sieht man etliche unförmliche flache Vertiefungen, welche mir durchaus keine Aehnlichkeit mit der Form eines menschlichen Körpers zu haben schienen. Mein Bedienter war gläubiger, als ich, und versicherte, dass er Alles aufs genaueste sehe; ein Beweis, dass der feste Glaube noch etwas mehr vermöge, als Berge zu versetzen! Dieser Felsen besteht, wie fast der ganze Berg, aus einem ungemein harten sehr feinkörnigen Granit. Der Dolmetscher des Klosters versicherte, mehrere neuere Reisende hätten versucht, ein Stück von dem Boden, worin der Eindruck befindlich ist, abzuschlagen, allein, sie hätten dies nicht vermocht. Er gab dies, wie man leicht denken kann, für etwas Wunderbares aus, welches indessen kein Vernünftiger darin finden wird, da Keiner von ihnen vermutlich mit einem schweren Hammer versehen war, und der Fussboden keine scharfen Ecken hat. Ich nahm aus dieser kleinen Kapelle einige Steine zum Andenken mit, welche für fromme Katholiken in Europa einen hohen Wert haben dürften, da sie ohne Zweifel Bruchstücke von dem Felsen sind, worin man den vermeintlichen wundervollen Eindruck sieht. Einen davon übersandte ich dem P. General-Procurator von Terra Santa, Clemente Perez, in Jerusalem, welcher mich bei meiner Abreise von Jerusalem darum ersuchte, und welchem ich mit Vergnügen einen so kleinen Dienst erzeigte, da er mich durch seine Gefälligkeit und die wesentlichsten Dienstleistungen auf immer zu seinem Schuldner zu machen gewusst hatte. - Neben dieser Kapelle zeigt man den Eindruck eines Fusses der heiligen Katharine in den Felsen. Diese Behauptung ist indessen eine wahre Lästerung des schönen Geschlechts; denn nach ihm zu urteilen, müsste der Fuss dieser Schönen grösser gewesen sein, als der Fuss des grössten Mannes, und sehr schlecht zu dem niedlichen Köpfchen gepasst haben, das man in dem Kloster von ihr vorzeigt.
Wir hatten nur 1 Stunde und 45 Minuten, die Ruhezeit abgerechnet, zur Ersteigung dieses Berges nötig gehabt, weswegen ich glaube, dass andere Reisende, welche 3 Stunden dazu anwandten, die Ruhezeit mitrechneten. Da diese indessen sehr willkürlich ist, und von sehr zufälligen Umständen abhängt: so sollte man, um durch die Angabe der Zeit doch einigermassen einen Massstab zur Bestimmung der Höhe eines Berges zu erhalten, immer die Zeit des Steigens und der Ruhe genau von einander unterscheiden. Die Nachrichten der Reisenden hatten mich vermuten lassen, dass die Spitze dieses Berges über der Schneelinie liege, und dass ich oben eine heftige Kälte finden würde; ich sah mich aber ganz in meiner Erwartung getäuscht. Denn ich empfand oben gar keine Kälte, vielmehr schien die Sonne warm. Den Schnee findet man nur in einigen Klüften, in welche die Sonne nie eindringt, und wo er also sich, wie in einem Eiskeller, erhält. Die Stellen, wo er sich findet, waren einige hundert Schritte von der Kapelle entfernt; ich sah sie nicht, aber mein Wegweiser holte einen kleinen Vorrat davon, welchen wir, weil sonst kein Wasser vorhanden war, am Feuer schmolzen, da er uns dann seines unangenehmen räuchrichten Geschmacks unerachtet zur Stillung unsers Durstes und zur Erweichung unsers mitgenommenen steinharten, und sonst ungeniessbaren Zwiebacks dienen musste.
Leider! waren auch an diesem Tage die zackigen wilden Felsenberge mit Dunst bedeckt, so dass unsere Aussicht wiederum sehr beschränkt war. Von dem östlichen Arm des arabischen Meerbusens sah ich keine Spur; allein vom Golf von Sues oder dem westlichen Arm zeigte sich südwestwärts ein kleiner Teil. Westwärts erhob sich der ansehnliche Berg Serbähl, und etwas weiter nordwestwärts der Berg Phirän (Faran), letzterer jedoch war wegen des Dunstes nur wenig kenntlich. Beide Berge stehen gänzlich isoliert. Südwärts fielen mir einige sehr ansehnliche spitze Felsenberge auf, welche mir wenigstens eben so hoch schienen, als der St. Katharinenberg. Auch vom Tih-Gebürge erblickten wir die steile Südseite jenseits einer Ebene, jedoch halb in Dunst versteckt. Mein Wegweiser versicherte, er sähe el Nachel, die Pflanzung von Dattelpalmen bei dem Hafen Tur; ich sah sie diesmal nicht, vermute aber, dass man sie bei heller Witterung sehr deutlich sehen könne. Westwärts bemerkte ich in einem tiefen engen Tale eine lange Reihe von schmalen Baumgärten, welche schon seit langer Zeit den Beduinen zugehören, vormals aber ein Eigentum des St. Katharinenklosters waren. - Dass einige frühere Reisende von hier den Pisga (in der Gegend von Jericho), so wie das mittelländische Meer wollen gesehen haben, ist ein Irrtum, den man ihrer Unkunde in der Geographie dieses Landes zuschreiben muss; denn das Tih-Gebürge hindert alle weitere Aussicht nach Norden zu.
Der Kathrinenberg übertrifft den Sinai, das heisst den Horeb und Mose-Berg, beträchtlich an Höhe, und jener Berg zeichnet sich, von hier aus angesehen, gar nicht von den übrigen Bergen der zahlreichen Gruppe aus. Da wir nun zur Ersteigung beider Berge fast gleiche Zeit nötig hatten: so erhellet daraus, dass das Kloster el Ledscha in einem beträchtlich höhern Tale liegen müsse, als das St. Katharinenkloster. Diese Bemerkung fand ich noch dadurch bestätigt, dass wir nachmittags immer etwas bergab gingen, indem wir unsern Weg um den Fuss des Sinai oder Horeb herum nahmen. Indessen ist die Versicherung einiger Reisenden, dass der St. Kathrinenberg noch einmal so hoch sei, als der Sinai, äusserst übertrieben; höchstens kann er jenen um ein Drittel an Höhe übertreffen.
Um ein Viertel vor 9 Uhr stiegen wir wieder zum Kloster el Ledscha hinab, wo wir 5 Minuten vor 11 Uhr ankamen, nachdem wir uns unterwegs 25 Minuten ausgeruht hatten. Obgleich ich äusserst müde war, so benutzte ich doch die kurze Zeit, die wir noch in Ledscha blieben, um meine gesammelten Pflanzen einzulegen.
Beim Herabsteigen fand ich einige mächtige Felsblöcke von einem schönen fleischroten Granit und Felsen von Trapp an dem Unterteil des St. Katharinenberges.
Um ein Viertel vor 1 Uhr verliessen wir el Ledscha, um noch vor Abend das St. Kathrinenkloster zu erreichen. Wir verfolgten das enge Thal, welches auf der linken Seite den St, Katharinenberg, und auf der rechten den Sinai, oder wenn man lieber will, den Horeb hat. Man geht immer ein wenig abwärts. Das Tal ist sehr felsigt, und es liegen viele mächtige isolierte Granitblöcke darin, welche von den gigantischen steilen Felsenseiten des Horeb herabgerollt zu sein scheinen. Nach Verlauf von 25 Minuten kamen wir zu einem dieser Blöcke, welchen man Hadschar Musa oder Mose-Stein nennt; er besteht, wie die übrigen, aus einem schönen festen fleischrothen Granit, ist ohne eine bestimmte Form, übrigens aber etwas abgerundet, wie alle übrigen, die in diesem Grunde liegen, und welche Form dieser Art von Granit, sobald er in einzelnen Blöcken liegt, eigentümlich ist. Das Tal ist an dieser Stelle nur wenige Schritte breit; es liegt aber dem Fusse des Horeb näher, als dem St. Katharinenberge. Ich fand ihn dritthalb Klafter lang, anderthalb Klafter breit, und etwa eben so hoch. Die eine lange Seite davon ist dem St. Kathrinenberge zugekehrt, und auf derselben sieht man rechterhand (wenn man mitten vor dem Stein steht) von oben nach unten in etwas schräger Richtung eine schmale, anderthalb Fuss breite und anderthalb Zoll tiefe flache rinnenförmige Vertiefung, in welcher ich übereinander neun bis zehn querlaufende Spalten wahrnahm, welche von verschiedener Länge, Höhe und Tiefe waren, gewöhnlich aber die ganze Breite der erwähnten Rinne einnahmen, und wovon die grössten etwa zwei in der Mitte hoch und bis fünf Zoll tief waren. Pococke's Vergleichung derselben mit den Löwenmäulern, welche man in Europa bisweilen an Brunnen ausgehauen findet, ist nicht ganz unpassend, obgleich man sie nicht so künstlich, als jene, denken muss. Ich fand in etlichen Öffnungen eine Handvoll Pflanzen gesteckt, welches die Beduinen aus Aberglauben tun, indem sie überzeugt sind, dass diese Pflanzen nachher ihr Vieh für alle möglichen Krankheiten sichern, wenn sie dieselben damit füttern. Von keinem Gegenstande, den ältere Reisende in diesem berühmten Gebürge sahen, wurde mehr gefabelt, als von diesem wunderbaren Stein, aus welchem Mose durch einen Schlag mit seinem Stabe eine reiche Quelle entlockt haben soll. Nur geblendet vom Vorurteil war es möglich, dass jene Reisende hier nicht die Arbeit des Meissels, sondern etwas Wunderbares erblicken wollten. Freilich ist der Granit schwer zu bearbeiten; allein, arbeiteten nicht die alten Ägypter aus dieser Steinart die schönsten Werke ihrer Baukunst, welche den Einwirkungen von Jahrtausenden trotzten, und hat man nicht schon seit mehrem Jahren in Hamburg angefangen, die Granitblöcke Holsteins mit einer Geschicklichkeit zu bearbeiten, welche der Kunst der alten Ägypter schon fast ganz gleich kommt? Ich brauche wohl kaum meine denkenden Leser erst zu versichern, dass ich kein Wasser aus dem Mose-Stein herausfliessen sah, und dass ich mich überzeugt halte, dies sei nie geschehen, und dass ich die Achtung bei ihnen verlieren würde, wenn ich von einer entgegengesetzten Meinung wäre.
Allein, nur wenige Schritte weiter entspringen etliche, für die hiesige wasserarme Gegend reiche Quellen unter Felsblöcken von Granit, wovon einer so gross ist, als der Mosestein. Diese Quellen ergiessen sich in einen sehr kleinen Teich, und werden von dort in einem Kanal zur Wässerung nach einigen Obstgärtchen geleitet, welche in einer Reihe in dem Grunde hinab liegen. Ihr Wasser ist rein und sehr gut. An jenem Kanal liegt einige Schritte unterhalb dem Bassin ein beträchtlich größerer Granitblock als der Mosestein, und der Kanal fliesst so dicht an seiner Seite herum, dass er von demselben halb verdeckt wird. -
Wenn Mose hier wirklich ein Wunder getan zu haben vorgab: so setzet dies voraus, er habe gewusst, dass die Israeliten diese Quellen, deren Wasser schon nach einem Laufe von einer Viertel- oder halben Stunde gänzlich verschwindet, nicht kannten. Er hielt sie also in dieser Entfernung von den Quellen, begab sich allein, oder mit seinen Vertrauten zu den Quellen selbst, und liess sie hernach auch herzunahen, sich von deren Dasein zu überzeugen, das sie einem Wunder zu verdanken haben sollten. So könnte man sich dieses Factum erklären, wenn man es anders der Mühe wert halten sollte, ein vermeintliches Wunder zu erklären. Indessen möchte ich lieber zur Ehre des berühmten Gesetzgebers der Israeliten glauben, dass eine solche Szene, wie so viele ähnliche, die man ihn spielen läßt, nie vorfiel; und ich halte mich auch gewissermassen davon überzeugt, weil es in diesem Gebürge an mehrern Stellen Quellen gibt, die einem so zahlreichen Volkshaufen nicht unbekannt bleiben konnten.
Man brachte mir hier eine Eidechse, welche ich für Lacerta stellio L. erkannte.
Wir ruhten uns in dieser Gegend ein wenig in einer Grotte aus, und setzten um 7 Minuten vor 3 Uhr unsern Weg fort, der immer weiter rechts um den Horeb herumführte. Nachdem wir uns an einer andern Stelle nochmals 10 Minuten aufgehalten hatten, kamen wir um 20 Minuten vor 4 Uhr zum Ras el backara, oder Rindskopf. Man sieht hier an dem Pfade in einem Granitblock, der fast mit der Erde gleich ist, ein Loch, welches einigermassen die Form eines gigantischen Ochsenkopfes hat, und die Mönche versichern, hierin habe Aaron, der Priester, den Kopf zu seinem Apis-Idol gegossen!
Zehn Minuten vor 4 Uhr verliessen wir diese Stelle. Gleich darauf zeigte man mir beim Anfange des Tales, worin das St. Kathrinenkloster liegt, zwei grosse Merkwürdigkeiten. Die eine war ein Granitblock mit einer ausgehöhlten Seite, welche Aushöhlung Moses mit einem Druck seines Rückens gemacht haben soll! Die andere, ein paar 7 bis 8 Schuhe von einander entfernte Steine, wovon die Beduinen mir versicherten, dass diese die Länge eines Fusses von ihren beliebten Helden, den Beni Helal, bezeichneten! Das Erstere versichert man von einem ähnlichen Granitblocke auf dem Mose-Berge, welchen man mir aber zu zeigen vergass. Ich dächte, die hebräischen Legenden enthielten schon genugsame Erzählungen von Wundertaten von Mose, und dass man sich leicht die Mühe ersparen könnte, noch neue hinzu zu erdichten.
Es war ein Viertel nach 4 Uhr, als wir wieder beim St. Katharinenkloster, von dem heutigen Marsche sehr ermüdet, anlangten, und wo man uns vermittelst eines Stricks über die hohe Gartenmauer steigen liess.
Des Abends hörten wir ein wildes Geschrei von mehrern Beduinen, welche sich unter der Winde-Öffnung versammelt hatten, und mit Ungestüm Lebensmittel verlangten.
Da, so viel mir bekannt ist, noch kein Europäer die geographische Länge und Breite dieses Klosters und also des Sinai genau bestimmt hat, und dieser Berg es mir in mancher Hinsicht vorzüglich wert zu sein schien: so wandte ich die zwei folgenden Tage zu astronomischen Beobachtungen an, wobei mein Bedienter die Uhr zählte. Gelegentlich muss ich hier eine kleine Unrichtigkeit rügen, welche sich der grosse Astronom Lalande zu Schulden kommen liess. Er versichert nämlich an einer Stelle seines Abrégé d'Astronomie, der tropische Zirkel des Krebses passiere über den Sinai, und ich vermute, dies sei entweder ein Schreib- oder Druckfehler, indem dieser Berg noch mehr als 6 Grade davon entfernt ist.
Die hiesigen Mönche führen eine äusserst eingezogene stille Lebensart. Nie hört man lautes Rufen und Schreien; sie sprechen sachte und wenig, und sie scheinen alle Einsiedler zu sein. Fleischspeisen essen sie nie, und jedesmal essen sie nur ein Gericht; zweimal wöchentlich werden ihre Speisen nicht einmal mit Öl bereitet. Von dem beständigen Fasten sind sie schwach, obgleich selten krank, und erreichen oft ein hohes Alter. Wein trinken sie nicht, aber Kaffee und bisweilen ein Gläschen Branntwein. Sie schnupfen und rauchen nicht. Nur Einer von ihnen, der Dolmetscher und Oekonom, Abuna Akakius, der aber kein Mönch ist, sprach ausser dem Griechischen das Arabische; dieser unterhält sich immer mit den Beduinen, die Brot u. s. w. verlangen, und Briefe bringen und abholen; er führt auch die Aufsicht über die Gärten des Klosters. Er war der Einzige, mit welchem ich mich unterhalten konnte. Alle Übrigen sprachen bloss griechisch und ein Paar noch das Türkische.
Einer von den Mönchen, Abuna Simeon, zeichnete sich durch Welt- und Menschenkenntniss vor allen Übrigen aus. Er war aus Trebisond in Anatolien gebürtig, und bereiste, ausser diesem Teil von Asien, Griechenland und die übrige europäische Türkey, auch Russland, Ungarn und Deutschland bis Sachsen. Man versicherte mir, er sei ein angesehener Kaufmann gewesen. Es ist zu bewundern, wie ein Mann, der die Welt gesehen, sich zu einer so höchst eingezogenen Lebensart entschliessen konnte. Er nahm noch den lebhaftesten Anteil an den politischen Begebenheiten, und erinnerte sich mit Vergnügen der Merkwürdigkeiten, die er auf seinen Reisen sah, und besuchte mich mehrmals mit dem Dolmetscher, um sich mit mir darüber zu unterhalten, und bei mir Tabak zu rauchen, welchen es ihm schwer hielt zu vergessen. Er war erst seit 5 Monaten hier, und ich glaubte an ihm zu bemerken, dass er die gewählte Lebensart nicht ganz nach seinem Geschmack finde.
Der Dolmetscher versicherte mir, dass das Kloster jetzt Mangel an Getreide leide, und war offen genug, mir den Wunsch seiner Obern zu erkennen zu geben, dass man zwei Kamelladungen Weizen als ein Geschenk von mir erwarte, welche ich ihm auch von Sues zu übersenden versprach, da, seiner Versicherung nach, man kein Geldgeschenk annähme, und überdies meine Kasse erschöpft war.
Das Kloster ist für die hiesige Gegend eine wahre Festung, und für die Anfälle der Beduinen hinlänglich gesichert. Seine Mauern sind stark, und es ist überdem mit Flinten und einigen kleinen Kanonen versehen. Zur Zeit des französischen Einfalls in Ägypten war eine Mauer eingestürzt, und der General Kleber hatte so viele Aufmerksamkeit für dasselbe, dass er die Kosten zum Wiederaufbau derselben hergab.
Der jetzige griechische Bischof vom Sinai war vorhin ein Mönch; er bekleidet seine Würde seit zwei Jahren, sah das Kloster aber nie. Man versicherte mir, dass er sehr gelehrt sei, und dass er mehrere Sprachen, auch etliche europäische, verstehe. In seiner Würde als Bischof besuchte er dies Kloster bisher nicht, weil dies mit sehr grossen Unkosten verbunden ist. Er muss sich in diesem Fall in seinem grössten Pomp zeigen, und die umherwohnenden Beduinen verlangen alsdann grosse Geschenke an Lebensmitteln, Kleidungsstücken und Geld von ihm. Er hielt sich eine Zeit lang in Kahira auf, begab sich aber von dort nach Cypern. Das St. Katharinenkloster steht unmittelbar unter dem Kloster der Sinaiten in Alt-Kahira, wo sich der Bischof gewöhnlich aufhält. Die Unterhaltung des St. Katharinenklosters wird teils von den hiesigen Gärten, teils von milden Stiftungen in entfernten Gegenden, teils von Geschenken des russischen Kaisers, grösstenteils aber von den Almosen bestritten, welche die Sinaitischen Missionarien in allen Ländern, wo griechische Christen sind, sammeln. Diese milden Beiträge werden an Procuratoren, die in gewissen Städten befindlich sind, abgeliefert, welche sie alle sechs Jahre an den General-Procurator in Alt-Kahira entweder übersenden oder selbst überbringen. Die Zahl dieser umherreisenden Mönche soll sich auf einige Hundert belaufen, und vier oder fünf davon sollen sogar in Indien, zu Surate, in Bengalen u. s. w. herumziehen. Man wird mit mir gestehen müssen, dass dies wahrlich viele Umstände sind, um einen Haufen von 25 Mönchen, wovon nur drei die Priesterwürde bekleiden, mit Fastenspeisen zu versehen!
Der Dolmetscher Akakius versicherte mir, dass, obgleich jetzt täglich etliche Beduinen beim Kloster erschienen, um Brot, Kaffee, Salz, Öl, Nadeln u. s. w. zu betteln: so sei dies gar nichts im Vergleiche mit einer andern Jahreszeit. Denn jetzt haben sie des Futters wegen entfernte Stationen bezogen, statt dass sie in den Sommermonaten dem Kloster nahe sind, da sie dann oft in so grosser Anzahl kommen, dass man glauben sollte, es würde hier ein Jahrmarkt gehalten.
Seit dem französischen Einfall in Ägypten kommen wenige Pilger an, indem der Weg von Sues und Tur hierher durch die Beduinen unsicher gemacht wird. Selten kommen hier europäische Reisende her, und diese sind gewöhnlich Engländer und Franzosen. Griechen kommen aus allen Gegenden des osmanischen Reichs. Etliche griechische Kaufleute, welche nach Dschidda reisen, um dort Kaffee und andere Waren Arabiens und Indiens einzukaufen, landen bisweilen bei ihrer Rückkehr zu Scharm, und reiten mit Kamelen hierher, und dann nach Sues, wohin sie ihre Waren mit den Schiffen vorausgehen liessen. Bisweilen wird dies Kloster auch von angesehenen Mohammedanern besucht, welche gut aufgenommen werden und ein Zimmer neben der kleinen Moschee erhalten, welche hier in der Mitte des Klostergebäudes befindlich ist. Diese Moschee wird wöchentlich am Freitage von dem Beduinen-Schech gereinigt; indessen wird kein Gottesdienst darin gehalten, weil die Kloster-Beduinen eben so wenig, als die meisten übrigen Stämme, weder lesen noch schreiben können, indem sie durchaus keinen Unterricht erhalten, und deswegen sich auch wenig um ihre Religion bekümmern, zu der sie sich bloss dem Namen nach bekennen.
Die Mönche vom Sinai erhalten, so wie die Beduinen der ganzen Halbinsel, und selbst die Bewohner des Tih, fast alle ihre Lebensmittel, besonders aber ihren Weizen, aus Ägypten, und zwar von Kahira. Ägypten ist die unerschöpfliche Kornkammer für diese ganze Gegend, wo man fast gar kein Getreide baut. Und dies war ohne Zweifel schon in den urältesten Zeiten der Fall, und ich finde es höchst wahrscheinlich, dass die Israeliten sich in diesem unwirtbaren Lande von Memphis Lebensmittel aller Art kommen liessen. Rindvieh ist auf der Halbinsel und dem Tih-Gebürge nicht vorhanden, weil kein Futter und zu wenig Wasser für dasselbe vorhanden ist, und aus dem nämlichen Grunde werden auch keine Pferde gehalten, sondern bloss Kamele, Esel, Schafe und Ziegen. Wahrscheinlich sahen die Israeliten sich bald nach ihrer Ankunft im peträischen Arabien genötigt, ihr mitgenommenes zahlreiches Rindvieh zu schlachten, indem es unmöglich scheint, dass sie es dort erhalten konnten, zumal die Natur des Bodens dort seit Jahrtausenden nicht verändert ist.
Am 17. April wehte ein stürmischer Wind. Das Kloster erhielt an diesem Tage von einigen zurückgekommenen Beduinen die Nachricht, dass ein Dutzend englischer Schiffe mit indischen Truppen in Sues angekommen sei. Allein in der Folge zeigte sich's, dass diese Nachricht eine Unwahrheit gewesen sei.
Obgleich dieser Teil des peträischen Arabiens ausserordentlich schlecht bevölkert ist, so findet man doch eine Menge Beduinenstämme, wovon Manche aber so klein sein dürften, dass ihre Anzahl kaum ein einziges mittelmäßiges Dorf zu füllen vermöchte. Der Schech im Kloster gab mir auf mein Ersuchen alle Namen derselben an ...
Die Beduinen der Halbinsel sind im Ganzen bei weitem weniger wohlhabend, als diejenigen, welche die Landschaft Belka, Karrak und andere von der Natur begünstigte Gegenden bewohnen. Lebensmittel sind nirgends im Überfluss bei ihnen, weil sie wenig oder gar kein Getreide bauen, und ihr Viehstand geringe ist. Ich habe schon vorhin gesagt, dass das bunte Kopftuch der östlichen Beduinen, el Keffije, hier wenig im Gebrauch ist; die Meisten tragen eine weisse oder rote Kopfbinde von einem Wollen- oder Baumwollenzeuge, und ein grobes weisses Hemd, und höchstens bei Kälte einen schwarzen Abbaje von einem groben Wollenzeuge. Beinkleider müssen äusserst selten bei ihnen sein; denn ich habe sie bei keinem Einzigen angetroffen. Auf Reisen, oder wenn sie jemanden einen Besuch abstatten, führen sie noch ein langes schmales Tuch mit sich, welches wie unser Doppelstein, blaugestreift und gewürfelt ist; dies hängen sie über die Schulter und schlagen das eine Ende davon, unter die Achsel durchgezogen, quer über die Brust, noch einmal über die Schulter zurück. In dem gewöhnlichen breiten ledernen Gürtel, womit sie ihr Hemd aufschürzen, tragen sie, wie andre Beduinen, einen Handschar, den sie el Szef nennen. Gewöhnlich gehen sie barfuss; sonst bedienen sie sich der Fussohlen; Schuhe sind aber fast gar nicht bei ihnen im Gebrauch. Schilde, Bogen und Pfeile kennen sie jetzt kaum mehr als den Namen nach, sondern statt deren bedienen sie sich der Luntenflinten. Einige sind auch mit einem Säbel bewaffnet, den sie an einem Gehänge an der Seite tragen. Lanzen erinnere ich mich kaum bei ihnen gesehen zu haben. Zum Reiten bedienen sie sich der Dromedare, das heisst Kamele, welche einen Trab laufen; denn ein Dromedar, welches man hier ein Hedschim nennt, ist eben so wenig wesentlich von dem Kamel verschieden, als bei uns ein Reitpferd von dem Pferde eines Kärners.
Am 19. April feierten die Mönche das Palmenfest, welchem ich mit beiwohnte. Ich schloss mich an eine Prozession an, welche im Hofe des Klosters um die Kirche angestellt wurde. Der Pater Guardian trug unbedeckt auf einer goldenen Schüssel den Schädel und die Hand der heiligen Katharine. Nachdem wir wieder in die Kirche zurückgekehrt waren, erzeigte der Guardian mir die Ehre, mich diese unschätzbaren Heiligtümer küssen zu lassen, mich mit der Hand einzusegnen, und meinen Siegelring zu weihen, wofür ich ein Goldstück opferte. Beide hauchten einen Moschusgeruch von sich, welchen die Mönche für etwas Wunderbares ausgeben, obgleich kein Ding in der Welt begreiflicher ist, als die Ursache davon. Nach diesen beiden Reliquien zu urteilen, welche man in einem weissen Marmorsarge auf dem Chor verschliesst, muss die Heilige ein sehr zartes Geschöpf gewesen sein, und da das schöne Geschlecht doch nicht leicht seine Eitelkeit verleugnen kann, so würde sie es, wenn sie es wüsste, sehr übel aufnehmen, dass man ihr einen so gigantischen Fuss zuschrieb, wovon man den Eindruck in dem Felsenscheitel des nach ihr benannten Berges sieht. Auf dem Marmorsarge ist eine griechische und arabische Inschrift befindlich, woraus man sieht, dass diese Kirche, die schönste von allen griechischen Kirchen, welche ich in der Levante sahe, im Jahre 1710 von einem Damascenischen Werkmeister gebaut worden sey.
Es wehte an diesem Tage wieder ein stürmischer Wind; die Luft war bezogen und drohte Regen; es fielen aber nur etliche Tropfen. - Die Kloster-Beduinen, welche im Garten arbeiten, waren Beide musikalisch und liebten sehr ihre Rbabe; sie sagten mir einige Kasside, welche ich von meinem Bedienten aufschreiben liess; ich fand aber, dass es meistenteils Bruchstücke aus den Beni Helal waren.
Seetzen, Ulrich Jasper
Reisen durch Syrien, Palästina, Phönicien, die Tansjordan-Länder, Arabia petraea und Unter-Aegypten
Weimar 1854; Nachdruck 2004