1869 - Kaiser Franz Joseph I von Österreich
Auf und in der Cheopspyramide
(In einem Brief an Kaiserin Elisabeth)
Kairo
Im Schatten der großen Pyramide ruhten wir ein wenig, bis unsere ganze Karawane nach und nach eintraf, und nahmen etwas Obst und Wein, um uns für die bevorstehenden Strapazen zu stärken, und dachten mit einiger Befangenheit daran, dass wir diese so hohe und steile Pyramide besteigen sollten. Endlich setzten wir uns in Bewegung und als wir zu dem Punkte kamen, wo man die Besteigung beginnt, stürzten dreißig bis vierzig Beduinen auf uns und besonders auf mich los, denn jeder wollte mich führen. Ich war in Gefahr, zerrissen zu werden, und wir machten uns durch ausgiebige Benützung unserer Stöcke Luft, bis es gelang, insoweit Ordnung in die Sache zu bringen, dass jedem von uns zwei bis drei Beduinen zugeteilt wurden, um uns hinaufzuhelfen. Nun begann die Ascension in ziemlich scharfem Tempo, indem je ein Beduine eine meiner Hände ergriff, während der dritte folgte, um bei den höheren zu ersteigenden Steinblöcken hinten nachzuschieben, was aber bei mir nur fünf- bis sechsmal notwendig war. Meine Übung im Bergsteigen kam mir sehr zugute und es sind die Beduinen sehr geschickt, stark und sicher. Sie haben meist nur ein Hemd an, sodass man beim Steigen viel sieht, was der Grund sein soll, dass die Engländerinnen die Pyramiden so gerne und viel besteigen. Anfangs frappiert die Expedition etwas, besonders wenn man über die steile Fläche hinuntersieht und die Leute und Gegenstände immer kleiner erscheinen, bald gewöhnt man es aber und bei der immer zunehmenden Geschwindigkeit des Steigens ist man zu sehr mit dem richtigen Auftreten beschäftigt, um an Schwindel denken zu können. Am halben Weg ist ein kleiner Raum von Steinblöcken freigemacht, wo wir einige Minuten ausruhten und die Frage diskutierten, ob wir weitersteigen sollten. Ich entschied dafür und erreichte mit meinen Beduinen unter Hurrageschrei derselben in rasender Geschwindigkeit als Erster die Spitze. Die ganze Besteigung hatte siebzehn Minuten gedauert. Oben ist eine Fläche, die Raum für ungefähr vierzig Personen bietet, und die Aussicht sehr schön, auf der einen Seite gegen Cairo, das man gut sieht, und über dasselbe hinaus, dann den Nil hinunter bis über das Barrage, auf der anderen Seite weit in die Wüste hinein und auf die anderen Pyramiden, während zu den Füßen die Sphinx und die Spuren der vielen Gräber liegen. In der Richtung gegen den Nil sieht man noch Reste des Dammes, auf welchem die Steine für den Bau vom Nil und den über demselben gelegenen Höhlen gebracht wurden. In fünfzehn Minuten vollführten wir das Heruntersteigen und fanden unten den Khedive, der während unserer Abwesenheit gekommen war. Auf einer durch die Überschwemmung entstandenen Wasserfläche sahen wir eine große Schar Pelikane, die in der untergehenden Sonne rosenrot schimmerten und bald näherte sich hoch in der Luft eine noch zahlreichere Schar dieser Riesenvögel und fiel zu den anderen auf dem Wasser ein. Ein schöner Anblick! Wir erlebten dann einen Sonnenuntergang, wie man ihn nicht für möglich halten sollte. Ein dunkelrotes Glühen der Wüstenberge hinter Cairo und unter denselben violetten Tinten, wie man es in unseren Gegenden nie sehen kann, dabei warf die große Pyramide ihren scharf abgegrenzten Schatten bis Cairo, was einen frappanten Eindruck machte. In einem sehr garstigen kleinen Haus, das der Khedive neben der Pyramide hat, speisten wir mit ihm und dann wurde die große Pyramide in ihrer ganzen Höhe mit bengalischem Feuer beleuchtet, was einen herrlichen Effekt machte. Nun gingen wir wieder gegen die Pyramide, um in das Innere derselben zu steigen. Abermaliger Überfall der Beduinen und abermalige Anwendung der Stöcke, was umso notwendiger war, als der Eingang in die Pyramide sehr eng ist und die nachdrängenden Araber mich fast erdrückt hätten. Mit Lichtern versehen und unter Führung der Beduinen ging es nun hinein, zuerst steil bergab auf glattem Steinboden und in tief gebückter Stellung, weil der schmale Gang sehr nieder ist, dann geht es ein Stück eben, dann kommt eine ziemlich hohe Steinwand, über die man von den Beduinen hinaufgehoben wird, dann geht es steil bergauf in einen ziemlich hohen Gang, wo man nur mithilfe der bloßfüßigen Beduinen fortkommt, da man sonst beständig abrutschen würde, und endlich nach vielen Mühen und noch mehr Schwitzen kriecht man durch einen niederen Eingang in ein in Stein gehauenes Zimmer, in welchem der steinerne Sarkophag des Königs steht. Bald war der Raum mit uns allen und den Beduinen angefüllt, eine Hitze und ein Dunst zum Ersticken, und nun führten die Beduinen unter großem Geschrei und Händeklatschen einen Nationaltanz, eine Art Cancan auf.
Nun ging es den nämlichen Weg zurück, wobei mich die Beduinen über die steilsten und glattesten Stellen auf ihren Rücken trugen, was kein angenehmes Gefühl war. Mit Freude atmeten wir wieder die freie Luft und gleich darauf fuhr ich mit dem Khedive in einer starken Stunde in das Palais von Gesvieh zurück, wo wir um 9 Uhr ankamen und ich gleich schlafen ging.
enthalten in:
Kronprinz Rudolf von Österreich
Zu Tempeln und Pyramiden – Meine Orientreise 1881
Herausgegeben von Heinrich Pleticha
Lenningen 2005