1761-1762 - Carsten Niebuhr
Kairo
Das ganze Kastell zu Kahira besteht jetzt aus drei Quartieren: des Pascha, der Janitscharen und der Assabs. Das Quartier des Pascha ist so voller Ruinen, das man schwerlich hier die Wohnung des Statthalters von ganz Ägypten suchen würde. Weil aber die Paschas überhaupt selten lange in einer Provinz bleiben, so gibt sich keiner die Mühe, einen neuen Palast zu bauen, und daher wohnen diese überall sehr schlecht. Von diesen Quartier gehen Tore zu den beiden anderen, der Janitscharen und der Assabs; der Pascha aber hat dazu nicht die Schlüssel, sondern nur zu zwei anderen schlechten Pforten, wovon die eine nach dem Kara meidan, und die andere an der Mauer des Kastells der Janitscharen nach dem Berge und aufs Feld führt, und diese sind des Nachts nach Gewohnheit des Landes nur mit hölzernen Schlössern verwahrt. Im Quartier des Paschas ist auch die Münze. Hier werden Sequins, eine goldene Münze, Para, eine kleine silberne Münze, und Burben, eine kleine Kupfermünze, geschlagen. Das Quartier der Janitscharen sieht einer Festung sehr ähnlich, denn es hat eine Mauer mit Türmen nach Manier der übrigen türkischen Festungen. Das Corps der Janitscharen wird zwar vom Sultan bezahlt. Aber weil die Offiziere größtenteils Sklaven vornehmer Kahiriner gewesen sind und daher größere Freunde ihrer alten Herren als des Sultans zu sein pflegen, so sind es gemeiniglich diese, welche einen von den Ägyptern abgesetzten Pascha bald mit Kanonen aus seiner Wohnung vertreiben, wenn er nicht zu der von den Beis festgesetzten Zeit gleich abzieht. Doch scheinen sich die Araber nicht sehr vor den Janitscharen zu fürchten, denn sie rauben oftmals dicht unter dieser Festung. Dies Quartier ist voller Häuser. Hier ist auch der berühmte Brunnen Josephs, welchen alle Reisenden als eine der größten Merkwürdigkeiten von Kahira sehen. Dieser Brunnen muß gewiß viel Arbeit und Geld gekostet haben, weil er sehr tief und ganz in dem Felsen ausgehauen ist …
Im Quartier des Corps Assab ist der so genannte Palast Josephs das merkwürdigste. Hier wird das kostbare Tuch verfertigt, welches jährlich auf Kosten des Sultans nach Mekka gesandt wird. Man findet in diesem Gebäude noch einige Überbleibsel seiner ehemaligen Pracht. In dem Zimmer, wo die Weber sitzen, sieht an den Wänden Bäume, Häuser und dergleichen in schöner Mosaikarbeit aus Perlmutt und allerhand Arten von kleinen Steinen und gefärbtem Glas. In einem anderen Zimmer, wo das Tuch brodiert wird, sind noch einige gut erhaltene Inschriften an den Wänden …
Der Muristan ist eigentlich ein Hospital für Kranke und Unsinnige. Man soll in den arabischen Beschreibungen von Kahira sehr vieles von den großen Einkünften sowohl dieses Hospitals als auch vieler großer Moscheen lesen können. Aber diese werden oftmals so verwaltet, daß die Rechnungsführer bald reich, die Moscheen aber nach und nach arm werden, wenn nicht immer wieder neue Vermächtnisse den Verlust wieder ersetzen. In diesem Hospital war für alles gesorgt, was ein Kranker nur nötig haben könnte. Sogar die Musik war nicht vergessen. Aber dieses letzte Vergnügen war ihnen schon seit vielen Jahren entzogen worden, bis Abdurrahman Kichja sie vor einiger Zeit aufs neue damit beschenkte. Ich habe nur den Teil des Gebäudes gesehen, wo die Kranken sich befinden, und diese waren gewiß nur sehr wenige im Vergleich mit der Größe der Stadt.
Die Oqals oder Chans sind große, von starken Mauern aufgeführte Gebäude mit vielen kleinen Kammern und Warenlagern für Kaufleute. Hiervon findet man in Kahira sehr viele. Die Anzahl der öffentlichen Bäder ist auch groß. Diese haben von außen eben kein hübsches Aussehen, inwendig aber sind sie geräumig, reinlich und schön. Der Fußboden ist oft mit kostbarem Marmor belegt. Man findet in demselben verschiedene Bediente, wovon jeder seine besonderen Verrichtungen hat. Die Ceremonien, welche diese mit jenem, der sich baden will, vornehmen, scheinen einem neu angekommenen Europäer so besonders, daß er glauben muß, sie wollen ihn zum Gelächter haben. Aber die Morgenländer sind hierzu nicht aufgelegt, sondern man kann nur alles mit sich machen, und sogar alle Glieder ausrecken lassen, und man wir sich wohl dabei befinden. Im innersten des Gebäudes findet man eine kleine Kammer, und mitten in selbiger einen 2 ½ Fuß hohen Pfahl, auf welchen diejenigen sich setzen, die ihre Haare an den heimlichen Stellen vermittelst einer Salbe, die man in den Bädern verkauft, abnehmen wollen. Diese Stelle war mir deshalb merkwürdig, weil ich mich erinnerte, unter den Zeichnungen der Alten nackte Personen auf einem Pfahl sitzend gesehen zu haben, und daher vermute, daß ihr jetziger Gebrauch in den Bädern schon sehr alt sei.
Zu den öffentlichen Gebäuden in Kahira gehören auch die Häuser, in welchen täglich allen Vorbeigehenden, die es verlangen, umsonst Wasser gegeben wird. Einige von diesen Häusern haben ein schönes Ansehen, und die Aufwärter in demselben müssen beständig einige kupferne, schön verzinnte Tassen mit Wasser angefüllt nach der Seite der Straße vor dem Gitter stehen haben.
Die Birkets, deren man verschiedene in und um Kahira findet, sind niedrige Plätze, welche innerhalb 12 Monaten kleine Seen, dann schöne Gärten und Wiesen und endlich Wüsteneyen vorstellen. An diesen, und besonders am Birket el fil, wohnten viele Vornehme. Aber die Mohammedaner zeigen ihre Pracht nicht auswärts an ihren Häusern, und daher sieht man von ihren Palästen nichts weiter als hohe Mauern.
Niebuhr, Carsten
Reisebeschreibung nach Arabien und umliegenden Ländern
Band 1, Kopenhagen 1774