Um 1400 - Calcaschandi
Feste beim Kalifen
Kairo
Im Ramadan, und zwar in der Nacht vor dem 4. bis zum Ende des 26. diesen Monats, ließ der Kalif in dem goldenen Hof im Schloß ein Gastmahl anordnen, zu welchem die Emire jeden Abend abwechselnd eingeladen wurden, so daß jeden Abend einige erschienen, damit sie nicht den ganzen Monat abgehalten wurden, die Fastenzeit in ihren Wohnungen zuzubringen; der Ober-Kadi wurde aus Hochachtung nicht zu erscheinen genötigt, außer in den Nächten des Freitag. Der Kalif erschien nicht selbst bei diesem Gastmahl, sondern der Wesir übernahm jede Nacht den Vorsitz oben an der Tafel, die hohen Würdenträger tauschten mit ihm Geschenke aus, so daß er mit den meisten Personen in Berührung kam. Sobald der Wesir erschien, sandte der Kalif als besondere Auszeichnung ihm etwas von den Speisen, von welchen er selbst aß, und zuweilen schickte er auch noch etwas von seinem Frühstück.
Der Tisch an den beiden Festtagen wurde am Feste der beendigten Fasten und am Opferfest unter dem fürstlichen Thron im goldenen Hof gedeckt, vor dem Platze, auf welchem der Kalif bei den öffentlichen Aufzügen saß. Neben dem Thron wurde ein silberner Tisch aufgestellt, genannt der runde Tisch, darauf goldene und silberne Schüsseln und andere von chinesischem Porzellan, mit den köstlichsten Speisen, wie sie nur ein Fürst haben kann. Unterhalb des Thrones wurde der allgemeine Tisch von poliertem Holz aufgestellt in der Länge des Hofes und zehn Ellen breit, mit wohlriechenden Blüten bestreut, an den Seiten wurde das Brot zerschnitten, jeder Leib zu drei Ratl [etwa 1,5 kg] Mehl vom feinsten Mehl; mitten auf die Tafel wurden der Länge nach 21 große Schüsseln aufgetragen, in jeder Schüssel 21 Schaflämmer und in jeder derselben 230 Stück Geflügel, wie Hühner, junge Hähnchen und junge Tauben, hoch aufeinander zurechtgelegt, so daß es die Höhe eines großen Mannes hatte, dazu kamen getrocknete süße Früchte in verschiedenen Farben. Die Zwischenräume jener Schüsseln auf dem Tisch waren mit etwa 500 Schalen ausgefüllt, wie Fruchtschalen mit vorzüglichen Farben geschmückt, in jeder Schale sieben Hühner mit süßer Sauce, und andere köstliche Speisen. In dem Haus, wo Gaben zur Verteilung am Feste der beendigten Fasten abgegeben wurden, wurden zwei Schlösser von Süßigkeiten angefertigt, jedes im Gewicht von 17 Kintar [wahrscheinlich handelt es sich um Marzipan, und zwar um jeweils 850 kg] von schönster Form mit den Abbildungen verschiedener Tiere; diese wurden in den Hof gebracht und auf beiden Enden der Tafel aufgestellt. Der Kalif kam zu Pferde, saß ab, ging auf den Thron zu, wo der silberne Tisch schon aufgestellt war, und setzte sich an den Tisch; zum Haupte standen vier ältere Herren mit der Kopfbinde. Darauf wurde der Wesir allein herbeigerufen, er stieg hinauf, setzte sich zu seiner Rechten nahe beim Thron und gab den Emiren mit den Halsketten und den anderen von niedrigeren Graden einen Wink, dann nahmen sie Platz nach ihrer Rangordnung und fingen an zu essen. Die Hofvorleser lasen in Zwischenräumen aus dem Koran, die Tafel blieb gedeckt stehen bis nahe an das Mittagsgebet, bis alles, was darauf stand an Speisen und Früchten vertilgt oder an die dazu Berechtigten verteilt war.
Calcaschandi's Geographie und Verwaltung von Ägypten
Aus dem Arabischen übersetzt von Ferdinand Wüstenfeld
in: Abhandlungen der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen 25, 1879, Historisch-philologische Classe
Abgedruckt in:
Keller, Ulrike (Hg.)
Reisende in Ägypten 2200 v. Chr. – 2000 n. Chr.
Wien 2001