Um 1200 - Abd-al-Latif al-Baghdadi
Die Bäder von Kairo
Die Bäder der Ägypter sind so beschaffen, daß ich in keinem Lande ähnliche gesehen habe; sie sind von besserer Lage, vollkommenster Bequemlichkeit, größerer Pracht und regelmäßigem Bau, von schönerem Ansehen und geprüfter Annehmlichkeit. Fürs erste sind ihre Zuber oder Badebecken sehr geräumig und ein Becken hält die Menge von zwei bis vier Wasserschläuchen, zum Teil noch mehr. In die Becken ergießen sich zwei Wasserleitungen, die eine mit warmem, die andere mit kaltem Wasser. Zuerst strömen sie beide in ein sehr kleines erhöhtes Becken, von dort weiter in das große. Das große Becken ist ungefähr zu einem Viertel über der Erde, der übrige Teil ist in die Erde versenkt. Wer sich baden will, muß in dieses Becken hinabsteigen und eintauchen. Wenn man in das Bad hineingeht, so trifft man auf mehrere Zimmer mit Türen, und in der Entkleidungsstube sind wiederum einige Kammern für die Vornehmen, daß sie sich nicht unter den Pöbel mischen, und die Mannspersonen abgesondert von den Frauenzimmern ihre Heimlichkeiten entblößen können. Die Entkleidungsstube selbst mit ihren besonderen Gemächern ist unvergleichlich adaptiert, bequem und schön gebaut. In ihrer Mitte ist eine marmorne Wasserkunst oder Springbrunnen, über der sich ein Pfeiler mit der Kuppel erhebt. Alles ist aufs kostbarste eingerichtet. Die Stuckdecke ist schön vergoldet oder ausgemalt, die Wände sauber getüncht und mit Streifen geziert; der Fußboden ist glasiert, mit Platten von verschiedener Art Marmor belegt, wobei über die tausendfach ineinanderspielenden Farben staunt. Innerhalb ist Schmuck und Marmorierung immer schöner als außerhalb; und dennoch ist auch hier schon alles sehr brillant, und in hohen Bogengängen gearbeitet, wobei jedes einzelne Stück Arbeit das Auge mit der mannigfaltigsten Farbenmischung und lebhaftestem Kolorit belustigt. Wenn daher jemand das Innere betreten hat, so kann er sich beinah nicht entschließen, es wieder zu verlassen. Denn es geht mit der Pracht dieser Gebäude so weit, daß ein gewisser Fürst, der sich nach seinem Regierungsantritt einen Palast bauen wollte, als Modell dazu ein ägyptisches Badehaus wählte, weil er in der Tat keine bessere Vorlag finden konnte.
Die Heizung in diesen Badehäusern ist wegen ihres zweckmäßigen Baus ganz besonders zu bewundern. Oben über dem Feuerhaus ist eine offene Kuppel, in die die Flamme aufsteigt. Vier Kessel aus Zinn, wie die Kessel der Garköche, nur größer, werden an den Seiten aufgestellt. Diese Kessel werden mit der Öffnung an die Röhren gerückt, aus denen das Wasser strömt. Das Wasser läuft aus dem Brunnen in einen großen Wasserbehälter und aus diesem in den ersten Kessel, darin es noch seine natürliche Kälte behält. Dann aber läuft es in den zweiten Kessel, worin es etwas warm wird. aus diesem strömt es fort in den dritten Kessel, darin es heißer wird; bis es endlich im vierten Kessel am heißesten wird. Aus dem vierten Kessel strömt es in den Badetrog. So fließt das Wasser unaufhörlich und wird erwärmt und erhitzt, ohne daß man besondere Mühe und Arbeit damit hat oder viel Zeit dazu braucht. Man pflegt die ganze Arbeit mit dem zu vergleichen, was nach dem Gang der Natur in den tierischen Leibern vorgeht, wenn sie Speisen verdauen. Die Speisen werden in den Eingeweiden und Verdauungswerkzeugen, die alle tierischen Körper gemein haben, ebenfalls verwandelt. Und so oft die Nahrung in das Chylgedärm kommt, erfährt sie eine Art von Digerierung und eine gewisse zunehmende Reifung, bis sie so weit gediehen ist, daß sie der letzte Darm aufnimmt, in welchem ihre Bearbeitung beendet wird.
Das muß ich noch sagen, daß jene Kessel nach bestimmten Zeiten immer neu angeschafft werden müssen, weil die Gewalt des Feuers sie abnutzt. Doch nutzt sich der erste Kessel, der das kalte Wasser auffängt, verhältnismäßig mehr und früher ab als die Kessel, in denen das Wasser warm oder heiß wird. Den natürlichen Grund von diesem Phänomen zu untersuchen, ist hier der Ort nicht.
Den Boden des Badeofens, in dem das Feuer brennt, bestreuen sie mit viel Salz. Das tun sie auch auf den Böden der anderen Öfen, weil das Salz die Hitze zusammenhält und vermehrt.
Abd-al-Latif al-Baghdadi; Wahl, Samuel Friedrich Günther (Hg.)
Eines arabischen Arztes Denkwürdigkeiten Egyptens
Halle 1790