1537 - Aldus von Venedig
Kriegsgefangener bei den Osmanen
Von Alexandria nach Suez
Diese Reise wurde, wie uns der Verfasser meldet, von ihm nicht aus freiem Willen, sondern aus Zwang getan, da er genötigt worden, dem Soleyman Bascha, einem Verschnittenen, zu folgen, welcher vom Soleyman, dem türkischen Kaiser, Befehl erhalten, einen Zug wider die Portugiesen in Indien zu unternehmen.
Es geschah eben um die Zeit, da der Krieg [des Osmanischen Reiches] wider die Herrschaft Venedig im Jahr 1537 ausbrach, und ihre Handelsgaleeren, welche Antonio Barbarigo führte, zu Alexandria waren. Sie lagen daselbst, ohne dass sie Gelegenheit zu handeln oder Güter einzunehmen hatten, bis den 7. des Herbstmonats [September]; an welchem Tage Almoro Barbaro, der venetianische Consul, der vorerwähnte Hauptmann Barbarigo, die Kaufleute, Seeleute, und alles was ihnen zugehörte, gefangen genommen und in den Turm von Lances gesetzt wurden. Dann wurden alle diejenigen, worunter auch der Verfasser war, herausgesucht, und zu Fünfzigen auf einmal nach Kairo und von da zum Bascha Soleyman gesandt, welcher die Kanoniere, Ruderer, Zimmerleute, Kalfaterer, Offiziere, den Admiral und einige Kompanien herausnahm, um sie nach Suez zu schicken, wohin eine Zeit später einige andere abfertigte, um die Flotte dort im Hafen für die Zeit, zu der er ankäme, auszurüsten.
Suez liegt an einem wüsten Ort, wo kein Kraut von irgendeiner Art wächst. Hier werden die nach Indien bestimmten Schiffe gebaut; und alles Zimmerholz, sie zu bauen, Eisen- und Takelwerk wird von Satalia und Constantinopel nach Alexandrien und von dort den Nil hinauf in Barken nach Kairo und von dort mit Kamelen nach Suez gebracht, wo Pharao ersoff. Auf dem Weg von Kairo bis Suez, der acht Meilen beträgt, trifft man weder Wohnung noch Wasser noch sonst etwas zu essen an, so dass sich die Karawanen, ehe sie abreisen, mit Nilwasser versehen. Zu der Christen Zeiten war es eine große Stadt und voller Zisternen. Sie hatte auch einen schiffbaren Canal, der vom Nil ausgeleitet war, wodurch beim Anwachsen des Flusses diese Zisternen mit Wasser angefüllt wurden, das dann das ganze Jahr hindurch diente. Nachdem sie aber dann durch die Mohammedaner zerstört worden, so wurde der Canal mit Erde zugefüllt; und jetzt wird das Wasser, welches man zu Suez trinkt, durch Kamele von bestimmten Teichen oder Brunnen dahin gebracht, die bei einem Turm sechs Meilen davon sind. Obgleich dieses Wasser sehr salzig ist, so mussten sie es doch trinken. Fünfzig Leuten wurde so viel zugestanden wie ein Kamel tragen konnte. Alles Zimmerholz, Eisen, Kriegsvorrat und Lebensmittel wurde von Kairo gebracht. Suez liegt an einer Bay des Roten Meeres und hat ein kleines Fort mit Wällen von Lehm, dreißig geometrische Schritte im Geviert, worinnen zwanzig Türken als Wache sind. Die Flotte bestand aus 76 großen und kleinen Segeln, nämlich sechs Maonen, siebzehn Galeeren, siebenundzwanzig neuen Fusten, zwei Galeonen, vier Schiffen und anderen Nachen.
Am 9ten März verließen ungefähr 2.000 Mann die Galeeren und gingen mit ihren Waffen an Land, um gegen das Gebirge zuzugehen; aber ungefähr sechs Meilen vom Ufer begegnete ihnen ein Sanjak in Begleitung von 27 Reitern, die als Besatzung von Suez bestimmt waren. Er umringte sie, und nachdem er 200 getötet hatte, wurde die anderen entwaffnet und auf die Galeeren gebracht, wo sie an die Ruder geschmiedet wurden.
Am 15ten des Brachmonats [Juni] kam Soleyman Bascha zu Suez an, wo er seine Zelte aufschlug und acht Tage verweilte. Unterdessen war die Flotte fertig geworden, und die Soldaten bekamen ihren Sold. Ein jeder nämlich fünf Dukaten aus Gold und zehn Maydine, in allem 215 Maydine. Ein Teil der Leute von der großen venetianischen Galeere, wozu der Verfasser gehörte, wurde an Bord der Flotte verteilt. Siebzig kamen auf eine Halbgaleere, siebzig auf eine andere, fünfzehn auf des Kiabyas Galeere und achtzehn auf die des Khilierki Bascha, der den Consul von Alexandrien bei sich hatte. Die übrigen Leute wurden auf die Galeonen gebracht, welche das Pulver, Salpeter, Schwefel, Kugeln, Mehl, Brot und alles, was nur der Flotte nötig war, führen. Der Bascha brachte auch gleichfalls seinen Schatz mit auf die Galeeren, welcher aus 42 Kisten bestand, die mit Ochsenhäuten und Wachsleinwand überzogen waren. Am 20ten befahl er, es solle jedermann in zwei Tagen an Bord der Flotte sein.
Am 22ten ging der Pascha zu Schiffe und legte sich vier Meilen von Suez an die Spitze Pharao, wo ein guter Grund bei vier Faden Wassertiefe ist. Hier starben sieben Mann. Dieser Ort liegt zwölf Meilen vor Moses’ Höhlen. Den 27sten verließ die ganze Flotte Suez mit einen Nordwestwind.
Des Soleyman Bascha Reisen von Suez nach Indien …
In: Allgemeine Historie aller merckwürdigen Reisen zu Wasser und und zu Lande
Hg. von Johann Joachim Schwabe
Band 1, Basel 1747