Ab 1907 – Arthur Ruppin, jüdischer Zionist aus Magdeburg
Von den Anfängen des jüdischen Bauwesens
Tel Aviv
Tel Aviv wurde die Schule für jüdische Bauhandwerker und Bauarbeiter. Unter den Juden gab es zwar eine kleine Zahl von Maurern, aber sie waren von Osteuropa nur an Ziegel als Baumaterial gewöhnt, während das in Jaffa übliche Baumaterial ein grober poröser Sandstein (Debbisch) war. Die Araber waren seit Geschlechtern mit diesem Stein vertraut und wußten mit ihm umzugehen. Es war deshalb vor dem Bau von Tel Aviv in Jaffa (und ebenso in Jerusalem und Haifa, wo mit Blöcken aus festem Sandstein gebaut wurde) die Regel, daß alle Maurerarbeiten durch Araber ausgeführt wurden. Nur als Bautischler, Klempner, Glaser, Dachdecker wirkten auch Juden bei Bauten mit. Beim Bau der ersten Häuser von Tel Aviv wurde der erste Versuch gemacht, auch die Maurerarbeiten durch Juden ausführen zu lassen.
Es war eine sehr schwere Sache, jüdische Arbeiter in die Bauarbeit hineinzubringen. Was heute in Palästina ganz natürlich erscheint, daß Juden in allen Zweigen der Bauarbeit beschäftigt sind, erschien damals so gut wie unmöglich. Nicht nur waren die arabischen Arbeiter billiger, sie waren auch in ihrer Erfahrung und Geschicklichkeit bei der Bauarbeit mit den ihnen vertrauten Bausteinen den Juden weit überlegen. Diese mußten sich wie Lehrlinge diese Geschicklichkeit erst im Laufe von Jahren erwerben.
Ein Bauingenieur oder Architekt wurde bei den kleinen Häuschen in Tel Aviv meist nicht beschäftigt. Der Bauunternehmer, mochte er die nötigen Kenntnisse haben oder nicht, schusterte zusammen mit dem Bauherrn, der noch weniger verstand, irgendeinen Plan zusammen. Daß auf diese Weise vielfach monstra von Häusern zustande kamen, kann nicht Wunder nehmen, zumal der Mangel an Mitteln dazu zwang, so billig wie möglich zu bauen. Erst als die Bautätigkeit in Tel Aviv stieg und auch das Palästina-Amt für die Parzellierung städtischer Terrains und für den Entwurf von Bauplänen für Häuser der Dienste eines Ingenieurs bedurfte, eröffneten wir (1913) eine technische Abteilung, zu deren Leitung ich den Ingenieur Josef Loewy aus Berlin berief. Die technische Abteilung übernahm es, für Privatpersonen Baupläne herzustellen und den Bau von Häusern auszuführen. Zu dieser Zeit hatten die Juden sich schon in der Verwendung des „Debbisch" vervollkommnet, und es war schon möglich, größere, zweistöckige Häuser zu bauen, während vorher fast alle Häuser klein und einstöckig waren.
Einen wirklichen Schritt vorwärts auf dem Gebiete des townplanning machten wir erst nach dem Weltkriege. Im Jahre 1920, als wir vor der Emek-Kolonisation standen, wollte ich vermeiden, daß sich bei den neuen Siedlungen all die Häßlichkeiten wiederholten, die in der Anlage der alten Kolonien hervortraten, und lud den town-planning engineer und Architekten Richard Kauffmann nach Palästina ein. Es war ein glücklicher Griff. Er war es, der die Siedlungspläne für die Siedlungen im Emek Jesreel - zunächst für Nahalal und Kfar Jecheskel - und später für viele andere Siedlungen ausgearbeitet und einen bestimmten Stil für die Anlage unserer Siedlungen geschaffen hat. Er war es auch, der für die von der PLDC gekauften großen städtischen Flächen in Haifa (im Hadar Hakarmel und auf dem Karmel) und in Jerusalem (Recha-wia, Talpioth, King George Avenue) Parzellierungspläne nach den Grundsätzen eines modernen town-planning entwarf und das Stadtbild von Haifa und Jerusalem in hohem Maße beeinflußte.
Die vielen Versuche, zum Ersatz des Debbisch Ziegel zu fabrizieren, hatten im Anfange, als man Ziegel aus teurem importierten Zement auf Handpressen herstellte, wenig Erfolg. Sie konnten mit dem Debbisch, der in Steinbrüchen rings um Jaffa im Tagebau gewonnen wurde, nicht konkurrieren. Erst einige Jahre später wurden in einer von Johann Kremenetzky, Wien, errichteten großen Fabrik Silikatziegel produziert und verdrängten den Debbisch. Nach Errichtung der Zementfabrik „Nescher" bei Haifa bürgerte sich der Bau mit Zementwänden oder mit Zementziegeln ein.
Ruppin, Arthur
Tagebücher, Briefe, Erinnerungen
Königstein/Taunus 1985