1820 - Heinrich Meidinger
Die Wasser von Bath
England
Nun zu dem Wasser selbst, das an Eigenschaft und Wirksamkeit dem zu Wiesbaden gleichkommt, und meistens in Lähmungen, rheumatischen und gichtischen Zufällen mit Erfolg gebraucht wird.
Badehäuser giebt es nur vier, The Kings Bath, The new private Bath, Cross Bath und Hot Bath. Das Königsbad (kings bath) ist hierunter das vorzüglichste, besitzt auch die größte und stärkste Quelle, die jede Minute 3 Oxhoft (hogshead) Wasser aufwirft. Die andern sind klein, und das eine davon (Hot bath) wird meistens nur von armen Leuten besucht. Das Königsbad (65 Fuß lang und 40 Fuß breit) ist unter freiem Himmel in einem schönen Gebäude mit Dorischen Säulen, und faßt, wenn es voll ist, bei 365 Tonnen Wasser, die Tonne zu 48000 franz. Kubikzoll gerechnet. Im ersten Stock sind besondere Kabinette mit Privatbädern, die aber dadurch, daß man nicht darin umher wandeln kann, an Wirksamkeit verlieren. Die gewöhnliche Badezeit ist des Morgens von 6 bis 9 Uhr, nach welcher das Wasser abgelassen wird. Der Eintritt kostete 1 ½ Schilling. Beim Eingang geht man einige Stufen hinunter zu einem kleinen Gemach, worin ein Kamin, Teppich und einige Stühle zum Auskleiden. Ein Badeknecht oder Art Kammerdiener leistet dabei hülfreiche Hand, und reicht einen ziegelbraunen, groben Kittel, mit einem Gürtel versehen, dar, worin man leibhaftig wie ein Galeerensklave aussieht. Dazu bekommt man eine graue wollene Pudelmütze, die man über die Ohren zieht, und so vermummt tritt man um ein paar Stufen weiter, durch eine Glasthüre, in’s gemeinschaftliche Bad.
Hier empfing mich beim Eintritt ein dicker warmer Dampf, der mir kaum ein paar Schritte weit zu sehen erlaubte. Allmählich gewöhnt man sich aber daran, und so zieht man bis an die Schultern im Wasser, in Dampf eingehüllt, weiter. Das Wasser hat eine angenehm Wärme (116 Grad Fahrenh. [47 °C], ist gelblich-grün und klar, und von leichtem, salz- und eisenartigem Geschmack. Der Boden besteht aus Sand und Kieseln, worauf sich‘s sehr bequem geht. In den Mauern sind Nischen mit steinernen Bänken zum Sitzen, und eiserne Ringe zum Festhalten, auch auf der einen Seite ein kleiner bedeckter Säulengang zum Schutz gegen den Regen. Das Bad selbst besteht aus zwei Abtheilungen, die jedoch in Verbindung mit einander sind. In der einen ist die bedeckte Quelle, und eine Pumpe zum Trinken im Bad. Alles Trinkwasser wird durch besondere Röhren aus den Tiefen der Quelle geleitet, und kann in keine Berührung mit dem Badwasser kommen. In der Mauer ist eine steinerne Inschrift, nach welcher ein gewisser König der Britten, Baldud, der 863 Jahre von Christi Geburt gelebt haben, und in Athen erzogen worden seyn soll, dieses köstliche Wasser entdeckt hat. Ohne Zweifel ein Mährchen. Soviel ist jedoch gewiß, daß schon zu den Römerzeiten ein bedeutendes Bad hier war.
Nicht ist possierlicher, als wenn sich die Dampfwolken zertheilen, und man nun hie und da ein paar Köpfe mit Pudelmützen oder Strohhüten aus dem Wasser hervorragen oder stillschweigend an sich vorübergleiten sieht. Oder wenn hie und da eine Glasthüre aufgeht, und man nichts als einen Kopf im Wasser schwimmen sieht, der sich allmählich vorwärts bewegt. Was die Strohhüte anbelangt, so gehören diese Frauenzimmern, die dieselbe Kleidung wie die Herren, außer der Kopfbedeckung, tragen. Auch ist der eine Flügel des Hauses für die Herren, der andere für Frauen bestimmt.
So wandelt man ehrbar auf und nieder, wünscht sich einander guten Morgen, unterhält sich vom Wetter, von der Gesundheit u dergl., und geht zuletzt frisch und gestärkt wieder nach Hause.
Um 1 Uhr versammelt man sich in dem im gleichen Gebäude befindlichen Kur- oder Trinksaal (The great Pump Room).Dieser Saal ist 85 Fuß lang, 46 breit und 34 hoch. Im Hintergrund ist ein Orchester, wo täglich Musik anzutreffen ist. Gegen diesem über steht in einer Nische die Marmor-Statue des berühmten Directeurs und Ceremonienmeisters Nash, der sich um die Geselligkeit und den Flor von Bath große Verdienste erworben hatte, und zugleich seine eigenen Verhältnisse so in Flor brachte, daß er 1732 mit sechs Pferden, drei Bedienten, einem Vorreiter und einem Läufer, gleichsam wie ein Fürst von Bath, durch die Straßen fuhr. Jeder Ceremonienmeister wird von den Stadtbehörden und der Mehrheit der Badegäste gewählt.
In der Mitte des Kursaales sind zwei Nischen mit Pumpen, wo von zwei höflichen Brunnenfrauen gegen eine gewisse wöchentliche oder monatliche Vergütung jedem auf einem kleinen Teller das Glas gereicht wird. Über dem Eingang des Saales steht der Anfang der ersten Ode von Pindar:
Ariston men hydor. (Das Fürnehmste ist Wasser.)
Meidinger, Heinrich
Briefe von einer Reise durch England, Schottland und Irland
Stuttgart/Tübingen 1821