Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1823 - James Weddell
Zusammentreffen mit den Feuerländern
Kap Horn

Als die Feuerländer näher kamen, erhoben sie eine Art Gesang und machten eine Menge Pantomimen, wie ich später erfuhr, lauter Zeichen der Freundschaft. Als sie 8 – 10 Yards vom Schiff waren, machten wir ihnen ähnliche Zeichen und winkten ihnen an Bord zu kommen, aber sie blieben in der Entfernung. Ihr Betragen bewies großes Erstaunen, sie waren so lebhaft bewegt, daß sie über eine Viertelstunde ohne Unterbrechung laut sprachen. Endlich als sich ihr Erstaunen etwas gelegt hatte, ruderten sie um das Schiff herum, betrachteten es von allen Seiten und schienen ungewiß, ob es todt oder lebendig sey, denn da sie nie zuvor ein Schiffe gesehen hatten, wußten sie nicht, was sie daraus machen sollten. Endlich erhielten sie mehr Zutrauen, kamen an die Steuerbordseite und zwei Männer stiegen herauf. Da sie jämmerlich aussahen, so glaubte ich ihnen mit Nahrungsmitteln den besten Dienst erweisen zu können, sie erhielten Rindfleisch, Wein und Brodt: Fleisch aßen sie wenig, Brodt und Wein wurden gar nicht angenommen.
   Ich bemerkte, daß sie ihre Weiber nicht aus den Canoen herausließen, was ich mit Recht der bei den Wilden gewöhnlichen Eifersucht zuschrieb, doch wollte ich die Damen nicht vernachlässigen, ich schickte ihnen also etwas Wein in einer Porcellanschale. Das Gefäß erregte ihre Aufmerksamkeit so, daß sie bei der Untersuchung desselben den Wein verschütteten, und es ohne Umstände behielten. Ich dachte nicht daran, es wieder zu verlangen und glaubte, sie würden es benutzen, um daraus zu trinken, aber am Tag nachher sah ich es in kleinen Stücken am Hals der Weiber hängen.
   Die Männer staunten Alles an, was sie sahen, das Eisenwerk zog besonders ihre Aufmerksamkeit auf sich, und vor einem Kessel von Gußeisen, der 200 Gallonen hielt, schien sie zu erschrecken. Da ich eine Menge eiserne Reife an Bord hatte, so schenkte ich jedem ein Stück, worüber sie sehr erfreut waren; sie verließen uns mit dem Geschenk sogleich, und begaben sich nach ihren Hütten, die in der Nähe des Havens lagen.
   Am 27. [November] bei Sonnenaufgang erschienen sie wieder und erhoben ein großes Geschrei, das ihre Angst über unser Dableiben auszudrücken schien. Ich hatte Befehl gegeben, daß keiner eher an Bord gelassen werden sollte, bis die Mannschaft auf dem Deck versammelt wäre, was um 4 Uhr geschah. Nach einiger Zeit erschien ein drittes Canoe, das ebenfalls an das Schiff kam, was bewies, daß unsere ersten Gäste ihren Landsleuten unsere freundliche Aufnahme gerühmt hatten. Nun waren 22 Personen an Bord, Männer, Weiber und Kinder und jetzt, da sie von unserer Freundschaft überzeugt waren, wurden sie immer zutraulicher. Ich zeigte ihnen die Cajüte, wo besonders der glänzende Ofen und die Spiegel sie zu interessieren schien. Vor dem Spiegel betrugen sie sich ganz wie die Affen, und suchten eifrig das zurückgeworfene Bild hinter Glas, und ob sie sich gleich gewiß oft genug im Wasser gesehen hatten, so war doch ihre Urtheilskraft nicht scharf genug, um die Aehnlichkeit beider Erscheinungen zu entdecken. Da ich die Neigung der Wilden zum Diebstahl wohl kannte, so ließ ich beständig Acht auf sie gegeben, aber als der Hochbootsmann vom Haven zurückkam, meldete er, daß sie die Reife von einem Faß abgeschlagen hatten. Es hatte, trotz unserer Aufmerksamkeit, ein Meister in der Kunst zu stehlen, einen starken eisernen Nagel entwendet. Ich hielt es deßhalb für täthlich, ihnen eine Idee von der Strafbarkeit des Diebstahls zu geben: der Nageldieb wurde an das Tauwerk gebunden und erhielt einen derben Hieb mit den neun Strängen, wobei ich ihm deutlich zu machen suchte, wofür er bestraft würde. Dieß Verfahren hatte die erwünschte Wirkung, keiner nahm von nun an auch nur das kleinste Stückchen Eisen ohne Erlaubniß.
   Am 27. hatten wir schönes Wetter; die Zimmerleute fällten Bäume und sägten sie in Bretter, was den Feuerländern vielen Spaß zu machen schien, die Säge gefiel ihnen so wohl, daß sie sie gewiß gestohlen haben würden, wenn wir sie nicht über Nacht an Bord gebracht hätten. An diesem Tage kamen bloß Männer und Knaben an Bord, wahrscheinlich waren die Frauen anderweit beschäftigt. Unter ihnen war ein hübsch gewachsener Bursch von 14 – 15 Jahren, den ich gerne bei mir behalten hätte, aber als er meinen Wunsche bemerkte, kehrte er schnell in des Canoe zurück und kam nicht wieder an Bord.
   Am 28. war der Wind so veränderlich, daß er rund um den Compaß herumging. Am Morgen erschienen die Feuerländer wieder, aber in einer anderen Tracht oder eigentlich Farbe, denn die Weiber, die sonst roth aussahen, waren jetzt pechschwarz, und die Männer waren mit weißen und rothen Strichen verziert, die horizontal und kreuzweise über das Gesicht liefen. Sie glaubten sehr schön geputzt zu seyn, hatten aber ein sehr groteskes Ansehen.
   Im Anfang unserer Bekanntschaft gaben sie mir die Kleinigkeiten, dich ich von ihnen verlangte, ohne Weiteres, jetzt aber hatten sie schon eine Idee vom Tauschhandel und verlangten gewöhnlich irgend etwas glänzendes, wie Knöpfe u. dgl., am liebsten blieben ihnen aber doch die eisernen Reife, und ich bin überzeugt, daß sie das Eisen für unseren größten Reichthum hielten.


Weddell, James
Reise in das südliche Polarmeer in den Jahren 1822 bis 1824
Weimar 1827

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