1829 - Herr von Köppe
Straßenpracht im Novembernebel
London, England
Die paar noch übrigen Stunden Tageslicht – obgleich jetzt von diesen in Londons Nebeln und Kohlendämpfen überhaupt kaum, von Sonnenschein gar nicht die Rede ist – verwendete ich zu einen Spaziergange durch Green Park und Hyde Park. Im erstern exercirten eben ein paar Abtheilungen der königlichen Fußgarde; wunderschöne Leute und herrliche Musik! Form und Verhältnisse des neugebauten, noch nicht vollendeten königlichen Residenzschlosses sind äußerlich ganz und gar nicht imposant; man sagt auch, der König selbst, bekanntlich ein sehr competenter Urtheiler in Kunst- und Geschmackssachen, sey mit der Ausführung nichts weniger als zufrieden. In Hyde Park fallen die Augen gleich auf das große Monument, welches die brittischen Damen der Schlacht von Waterloo haben errichten lassen, und den Feldherrn als nackten Achilleus oben darauf gesetzt. Ich will es dem edlen Herzoge wünschen, daß er jemals so ausgesehen! Seine Herrlichkeit läßt jetzt an der Ecke von Hyde Park und Piccadilly einen neuen Palast bauen, aus dessen Fenstern der Doppelgänger einen angenehmen und schmeichelhaften Aussichtspunkt gewähren wird.
Den Rückweg nach meinem Hotel machte ich schon beim Scheine der Gaslaternen, also viel heller wie bei Londoner Tageslicht. Ein Abendspaziergang durch die erleuchteten Hauptstraßen dieser Riesenstadt, und ihr buntes unendliches Menschengewimmel gehört zu den interessantesten Dingen, die man machen und sehen kann. Nicht ist großartiger als die Wirkung dieser in stundenlangen Reihen an einander gedrängten Kaufläden, ihres kostbaren Inhalts, ihres geschmackvollen Aufputzes, ihrer vielfarbigen magischen Beleuchtung – und dann die ungeheure Staffage dieser Landschaft, oder vielmehr Stadtschaft! Alle Herrlichkeiten Berlins gleicher Gattung verhalten sich hiegegen wie die Nußschale zum Kriegsschiffe; und selbst Paris erscheint in der Vergleichung doch nur klein und ärmlich – mit Ausnahme des Palais Royal, welche auch hier nicht seines Gleichen hat.
Köppe, von
Briefe in die Heimath, geschrieben 1829 und 1830 …
Stuttgart/Tübingen 1835