1845 - Ida Pfeiffer
Meine Ankunft zu Havenfjord und Reise nach Reykjavik
Island
Am 10. Mai morgens wurde ich in dem Hafenorte Havenfjord ausgeschifft und betrat nun zum erstenmal die Gestade Islands. Obwohl ich von der Seekrankheit und mehr noch von dem immerwährenden Herumwerfen des Schiffes ganz betäubt war, alle Gegenstände um mich her ordentlich tanzen sah und kaum einen festen sicheren Schritt machen konnte, so litt es mich doch nicht in Herrn Knudsons Hause, das er mir bereitwillig zum Absteigquartier angeboten hatte; - ich mußte gleich hinaus und alles untersuchen und prüfen. Ganz Havenfjord fand ich nur bestehend aus drei hölzernen Häusern, einigen Magazinen, von demselben Material erbaut und mehreren Koten (Bauernhäusern).
Die hölzernen Häuser sind von Kaufleuten oder ihren Faktoren bewohnt und bilden nur Erdgeschosse mit vier bis sechs Fenstern Front. Über zwei bis drei Stufen steigt man zum Eingange, der sich in der Mitte befindet und zum Vorgemach führt, von welchem rechts und links die Türen in die vorderen Zimmer gehen. Rückwärts ist die Küche, und von da gelangt man in die Hofzimmer und in den Hofraum. - Ein solches Häuschen besteht aus 4-6 Zimmern im Erdgeschosse und einigen Kämmerchen unter dem Dache.
Die Einrichtung ist ganz europäisch, Möbel - häufig sogar von Mahagoniholz -, Spiegel, gußeiserne Öfen, - alles kommt von Kopenhagen. Schöne Teppiche liegen vor den Kanapees ausgebreitet, niedliche Gardinen beschatten die Fenster, englische Kupferstiche zieren die weiß übertünchten Wände, Porzellan, Silberzeug, geschliffene Gläser usw. stehen auf Kasten oder Ecktischen zur Schau ausgebreitet, Blumentöpfe mit Rosen, Reseden, Nelken etc. verbreiten einen herrlichen Duft, - ja ich fand sogar ein Quer-Fortepiano hier. - Könnte man jemand plötzlich, ohne daß er die Reise gemacht hätte, in solch ein Häuschen versetzen, er würde gewiß glauben, in einer Stadt des Kontinents zu sein und nicht in Island, dieser weit entfernten, nackten und armen Insel. - Und so wie hier in Havenfjord fand ich die Häuser der wohlhabenderen Klasse auch in Reykjavik und allen anderen Orten, die ich besuchte.
Von diesen schmucken Häusern begab ich mich in jene der Bauern, die waren eigentümlicher, schon mehr isländisch. - Klein und nieder, von Lavasteinen zusammengefügt, die Zwischenräume mit Erde fest ausgefüllt und das Ganze mit großen Grasplatten überlegt, würde man sie eher für natürliche Erderhöhungen halten, wenn nicht die hervorragenden hölzernen Kamine, die niedrigen Türen und die kaum merkbaren Fensterchen auf ihre Bewohnbarkeit schließen ließen. Ein ungefähr vier Fuß hoher, schmaler, finsterer Gang führt einerseits in die Wohnstube, andererseits in einige Behältnisse, die teils zur Aufbewahrung der Lebensvorräte, teils den Kühen und Schafen im Winter als Ställe dienen. - Am Ende dieses Ganges, der so nieder gebaut ist, um die Kälte mehr abzuhalten, befindet sich gewöhnlich die Feuerstelle. Die Wohnstuben der ärmeren Klasse haben weder getäfelte Wände noch Fußböden und sind gerade groß genug, um darin schlafen und allenfalls noch sich umdrehen zu können. Die ganze Einrichtung besteht in Bettstellen mit sehr wenig Bettgewand, in einem Tischchen und einigen Truhen. Betten und Truhen vertreten die Stelle der Bänke und Stühle. Oberhalb der Betten sind Stangen gezogen, auf welchen die Kleider, Schuhe, Strümpfe und dergleichen hängen. Gewöhnlich sieht man da auch noch ein Brettchen aufgemacht, worauf einige Bücher liegen. - Öfen benötigen sie keine. Ihre eigene Ausdünstung ist ergiebig, der Raum klein, und der Bewohner sind genug.
Um die Feuerstellen sind ebenfalls Stangen gezogen, um die nassen Kleidungsstücke zum Trocknen und die Fische zum Räuchern aufzuhängen. Der Rauch verbreitet sich bis beinahe in die Stube und zieht nur langsam durch einige Luftlöcher ins Freie hinaus.
Brennholz hat man auf der ganzen Insel keines. - Die Reichen lassen es von Norwegen oder Dänemark kommen, die Armen brennen Torf, zu dem sie oft noch Fischgräten oder sonstige Fette, stinkende Abfälle von Fischen mengen, die dann natürlich den übelriechendsten Rauch erzeugen.
Tritt man in eine solche Kote, so weiß man wirklich nicht, was schrecklicher ist, im Vorraume der erstickende Rauch oder in der Wohnstube die durch die Ausdünstung und Unreinlichkeit so vieler Menschen verpestete Luft. Ich möchte auch beinahe behaupten, daß der in Island herrschende schreckliche Ausschlag, Lepra genannt, mehr eine Folge der beispiellosen Unreinlichkeit, als des Klimas und der Nahrung ist.
Auf meinen ferneren Reisen im Lande fand ich die Koten der Bauern überall gleich ärmlich und besonders unrein. Natürlich spreche ich von der Mehrzahl und nicht von den Ausnahmen, denn auch hier gibt es einzelne reiche Bauern, bei denen es, nach dem Stande ihrer Wohlhabenheit oder ihres Ordnungssinnes, besser und wohnlicher aussieht. Man muß aber, nach meiner Ansicht, als Basis die Lebensweise der großen Zahl und nicht, wie viele Reisende pflegen, die der einzelnen aufstellen. - Und ach! wie selten traf ich solche einzelne.
Die Umgebung Havenfjords bildet eines der schönsten, pittoreskesten Lavafelder, das sich anfänglich hügelförmig erhebt, dann wieder in Niederungen verläuft und endlich in einer großen Ebene bis zu den nächsten Bergen fortläuft. Da sieht man Massen, oft schwarz und nackt, in den verschiedenartigsten Formen sich 10 bis 15 Fuß hoch auftürmen. Sie bilden Wände, Säulentrümmer und kleine Grotten und Vertiefungen, über welche letztere oft wieder große Platten wie natürliche Brücken liegen. Alles, alles besteht aus plötzlich erstarrten, angehäuften Lavamassen, die auch stellenweise mit Gras und Moos bis hoch an die Spitzen bedeckt sind und so von ferne gesehen, jenen bereits beschriebenen Gruppen verzwergter Bäume glichen. - Pferde, Schafe und Kühe kletterten da herum und suchten emsig nach jedem grünen Plätzchen. - Auch ich ward des KIetterns nicht müde; ich konnte diese fürchterlich schöne Verwüstung nicht genug anstaunen und bewundern.
Schon nach einigen Stunden hatte ich die auf der See erlittenen Beschwerden so ganz vergessen und fühlte mich so gestärkt, daß ich noch denselben Tag, gegen 5 Uhr abends, meine Weiterreise nach Reykjavik antrat. - Herr K. schien sehr für mich zu fürchten; er warnte mich vor den schlechten Wegen und besonders vor gefährlichen Abgründen, an denen ich vorüber müsse, doch beruhigte ich ihn mit der Versicherung, daß ich des Reitens kundig sei und wohl schwerlich schlechtere Wege finden könnte, als ich bereits in Syrien die Ehre gehabt hatte kennenzulernen. Ich nahm also Abschied von diesem guten Herrn, der noch 8-14 Tage in Havenfjord zu bleiben gedachte, bestieg ein kleines Pferdchen und setzte mich, in Begleitung meiner Führerin, in Bewegung.
In dieser lernte ich eine merkwürdige Antiquität Islands kennen, die wohl wert ist, ihrer mit einigen Worten zu erwähnen. Sie zählt über 70 Jahre, sieht aber aus, als hätte sie deren kaum 50, auch umgibt dunkelblondes, reiches, halbgelocktes Haar ihren Kopf. Sie ist als Mann gekleidet, verrichtet die größten und beschwerlichsten Botengänge, rudert ein Boot so kräftig und sicher wie der gewandteste Fischer und besorgt alles schneller und genauer wie ein Mann, weil sie sich auf ihren Wanderungen in nicht so häufige Vertraulichkeit mit der Branntweinflasche setzt. Sie schritt mir so wacker voran, daß ich mein Pferdchen mit manchem Peitschenhiebe zur größeren Eile stacheln mußte.
Der Weg führte anfänglich zwischen Lavamassen, wo es allerdings etwas schlecht zu reiten war, dann über Flächen und kleine Anhöhen, von welchen letzteren man das ungeheure Tal übersah, in welchem Havenfjord, Bessestadt , Reykjavik und noch andere Orte zerstreut lagen. - In Bessestadt, das auf einer Spitze liegt, die sich in das Meer hinaus erstreckt und stets sichtbar ist, befindet sich eine Hauptschule, eine gemauerte Kirche und einige Koten. - Das Städtchen Reykjavik sieht man nicht, da es hinter einem Hügel verborgen liegt. Auch die anderen Orte, die meist nur aus 2-3 Koten bestehen, sieht man erst, wenn man ihnen schon ganz nahe ist. - Mehrere Gebirgsketten, eine die andere überragend, einige Jokuln (Gletscher), die jetzt noch bis tief herab im winterlichen Kleide schimmerten, umgeben dies unübersehbare Tal, das nur auf einer Seite, gegen das Meer, offen war. Manche der Ebenen und Hügeln erglänzten im saftigen Grün, so, daß ich dachte, schöne Wiesen zu erblicken. Doch bei näherer Besichtigung fand ich nur sumpfige Stellen und Anhäufungen von hundert und hundert kleinen Erhöhungen, die teils Maulwurfshaufen, teils kleinen Grabeshügeln glichen, und mit Gras und Moos überwachsen waren.
Ich übersah einen Umkreis von gewiß mehr als 8-10 Meilen und erblickte keinen Baum, keinen Strauch, kein Stückchen Feld und kein freundliches Dörfchen.- Es war überall tot. -Hie und da lagen einige Koten; selten schwirrte ein Vögelchen in der Luft, und noch seltener ward mir der trauliche Gruß eines Menschen zuteil. - Lavagerölle, Sumpf- und Torfstellen umgaben mich von allen Seiten; nirgends in dem weiten Raume war auch nur ein Fleckchen zu sehen, das von einem Pflug hätte können durchfurcht werden.
Nachdem ich eine starke Meile zurückgelegt hatte, gelangte ich auf einen Hügel, von welchem aus ich nun auch Reykjavik, das einzige Städtchen und den Haupthafen der Insel, erblickte. Meine Erwartungen wurden aber sehr getäuscht, ich sah nur ein kleines Dörfchen.
Die Entfernung von Havenfjord bis Reykjavik beträgt kaum zwei Meilen; da ich aber meine gute alte Wegweiserin nicht zu sehr ermüden wollte, ritt ich doch über drei Stunden daran. - Der Weg war größtenteils sehr gut, bis auf einige Stellen, wo es über Lavagerölle ging. Von den gefürchteten, schwindelerregenden Abgründen sah ich keine, es mußten nur jene Stellen darunter gemeint gewesen sein, wo man manchmal in der Nähe des Meeres auf ganz niederen Abhängen ritt, oder auf den Lavafeldern, wo sich manchmal eine kleine Vertiefung von höchstens 15-16 Fuß auftat.
Nach acht Uhr abends war ich so glücklich, Reykjavik wohl und gesund zu erreichen. Bereits war hier durch die gütige Fürsorge des Herrn K. in einem seiner Häuser, bei der biederen Bäckerfarnilie Bernhöft, ein recht artiges Zimmerchen für mich gerichtet, und wahrlich - bessere Aufnahme hätte ich nirgends finden können.
Die ganze Familie bewies mir während meines langen Aufenthaltes eine Herzlichkeit und Liebe, die man gewiß nur selten findet. - Gar manche Stunde entzog Herr Bernhöft seinem Geschäfte, opferte sie mir und begleitete mich auf kleinen Ausflügen. Emsig suchte er gleich mir nach Blumen, Käfern oder Muscheln und hatte die herzlichste Freude, wenn er etwas fand, das ich noch nicht hatte. Auch seine treffliche Frau und lieben Kinder standen ihm an Gefälligkeit nicht nach. - Ich kann nichts sagen, als: Gott lohne ihnen tausendfältig ihre Güte und Freundlichkeit!
Ich hatte hier sogar Gelegenheit, meine teure Muttersprache zu hören, und zwar von Herrn Bernhöft, einem Holsteiner von Geburt, der, obschon lange, lange Jahre teils in Dänemark, teils in Island ansässig, das liebe Deutsch doch noch nicht ganz vergessen.
Ich war also jetzt in Islands einziger Stadt, in dem Sitze der sogenannten gebildeten Klasse, deren Leben und Treiben ich nun auch meinen verehrten Lesern schildem will.
Nichts war mir befremdender als der gewisse edle Anstand, den sich die Damen hier zu geben versuchten und der, wenn er nicht angeboren ist oder durch sehr viel Übung natürlich wird, nur zu leicht in Steifheit übergeht. Wenn man mit ihnen zusammentrifft, neigen sie den Kopf gerade so vornehm und nachlässig, wie wir es kaum gegen den geringsten Fremdling tun würden. Am Ende eines Besuches geleitet die Hausfrau den Gast nur bis an die Türe des Empfangszimmers. - Ist der Gemahl gegenwärtig, so setzt er diese Begleitung etwas weiter fort; ist dies nicht der Fall, so gerät man oft in einige Verlegenheit, indem man nicht recht weiß, durch welche Türe man zum Ausgange gelangt. Einen Diener, der den ferneren Wegweiser machen könnte, findet man nirgends, als nur beim Stiftsamtmann (erster Beamter auf der Insel Island). Schon in Hamburg traf ich die erste Spur dieser Steifheit; je weiter ich aber gegen Norden kam, desto mehr nahm sie zu, bis sie in Island die höchste Stufe erreichte.
Selbst gute Empfehlungsbriefe vermögen oft nicht die nordischen Honorationen gegen Fremde geschmeidig zu machen. Als Beweis diene folgendes Beispiel.
Ich hatte unter mehreren recht herzlichen Empfehlungsbriefen auch einen an den hiesigen Stiftsamtmann Herrn von H... erhalten. - Als ich in Kopenhagen ankam, erfuhr ich, daß auch er sich da befände. Ich begab mich zu ihm, man wies mich in ein Zimmer, in welchem sich zwei junge Frauen und drei Kinder befanden. Ich gab meinen Brief ab und blieb eine Weile ruhig stehen. Da man mir keinen Platz antrug, setzte ich mich endlich ungeheißen auf den nächsten Stuhl, weit davon entfernt, mir zu denken, die Hausfrau selbst könne zugegen sein und nicht einmal die gewöhnlichsten, jedem Fremden gebührenden Artigkeitsformeln beobachten. - Nachdem ich schon ziemlich lange Zeit da gesessen und gewartet, erschien Herr von H. in höchst eigener Person, äußerte einiges Bedauern, daß er für mich nur äußerst wenig Zeit habe, indem er in Kürze samt seiner Familie sich nach Island einschiffen müsse und hier noch eine große Menge sehr wichtige Geschäfte zu besorgen habe. - Schließlich gab er mir noch den gut gemeinten Rat, meinen Plan, Island zu besuchen, aufzugeben, indem die Beschwerden des Reisens in diesem Lande doch gar zu groß seien; da ich aber fest darauf beharrte, versprach er, falls ich früher nach Reykjavik abginge als er, mir einen Empfehlungsbrief dahin mitzugeben. Alles dies ward in Eile, und zwar stehend, abgemacht. - Ich empfahl mich und wollte auch gar nicht mehr um den Brief kommen. Doch besann ich mich anders, schob die Unfreundlichkeit des Benehmens auf gedrängte und vielleicht unangenehme Geschäfte und ging nach zwei Tagen wieder hin. Da ließ man mir den Brief durch ein Dienstmädchen reichen; - den hohen Herrschaften, die ich im Nebenzimmer witterte, mochte die persönliche Übergabe wohl zu beschwerlich gewesen sein.
Als ich in Reykjavik dieser liebenswürdigen Familie meinen Besuch abstattete, war ich sehr erstaunt, in Frau von H. eine jener Damen zu erkennen, die in Kopenhagen nicht einmal so artig gewesen waren, mir einen Stuhl anzufragen. - Nach fünf, sechs Tagen erwiderte Herr von H. meinen Besuch und lud mich zugleich zu einem Spazierritte nach Vatne ein. Ich nahm diese Artigkeit mit viel Freude an und bat ihn im Stillen um Vergebung, mit meinem Urteile so rasch gewesen zu sein. - Seine gute Frau Gemahlin fand aber erst in der vierten Woche meines Aufenthaltes zu Reykjavik den Weg zu mir, obwohl sie mir gegenüber wohnte; auch lud sie mich gar nicht ein, sie wieder zu besuchen, was ich denn natürlich auch unterließ, und so war unsere Bekanntschaft ein für allemal beendet. - Und so wie sich das Haupt der Insel, benahmen sich pflichtschuldigst auch die übrigen Honoratioren dieses Städtchens. Kein Gegenbesuch, keine Einladungen wurden mir zuteil, obwohl ich gar oft von Lustpartien, Diners und Abendgesellschaften hörte. - Hätte ich mich glücklicher Weise nicht selbst zu beschäftigen gewußt so wäre es mir hier wohl sehr schlecht ergangen. - Keine der Frauen hatte so viel Gemüt oder Zartgefühl zu denken, daß ich hier ganz allein stehe und daß Umgang mit gebildeten Menschen mir Bedürfnis sein könnte. - Weniger wehe tat mir diese Unaufmerksamkeit von seiten der Herren. - Jung bin ich nicht mehr, und dies schließt alles in sich. - Fehlte schon den Frauen Zartgefühl, durfte ich es wohl bei den Herren um so weniger erwarten.
Ich suchte diesem Benehmen auf die Spur zu kommen und fand sie nur zu bald in einem Hauptcharakterzuge, in dem Eigennutze dieser Menschen.
Kaum war ich in Reykjavik angekommen, erkundigte man sich sehr angelegentlich von allen Seiten, ob ich reich sei, oft Gesellschaften bei mir sehen werde, oder ob sonst viel bei mir zu verdienen sein werde.
Um hier gut aufgenommen zu werden, muß man entweder reich sein, oder als Naturforscher reisen. Letztere werden meist von europäischen Höfen gesandt, um die Merkwürdigkeiten des Landes zu untersuchen. Sie machen große Sammlungen von Mineralien, Vögeln usw.; sie bringen viele und mitunter bedeutende Geschenke mit, die sie unter den Honoratioren verteilen, sie veranstalten manche Unterhaltung, ja sogar manch kleinen Ball usw. Sie kaufen alles, was sie von Sammlungen erlangen können, sie reisen immer in Gesellschaft, sie haben viel Gepäck bei sich, und benötigen viele Pferde. Letztere bekommt man in Island nicht zu borgen, man muß sie kaufen. Bei solchen Gelegenheiten ist hierzulande jedermann Makler. Von allen Seiten werden einem Pferde und Sammlungen aller Art angetragen.
Am allerwillkommensten ist da freilich die französische Fregatte, die alljährlich Island besucht und an deren Bord es bald Gabelfrühstücke und Mittagstafeln, bald kleine Abendgesellschaften und Bälle gibt. - Da hat man doch Ersatz und bekommt obendrein schöne Geschenke; der Stiftsamtmann erhält sogar von der französischen Regierung jährlich 600 fl. als Ersatz für einige Gegenunterhaltungen, die er den Marineoffizieren gibt.
Bei nur war dies nun nicht der Fall; ich gab keine Gesellschaften, ich brachte keine Geschenke, von nur hatten sie nichts zu hoffen und folglich zogen sie sich zurück.
Daher behaupte ich aber auch, daß nur derjenige den wahren Charakter der ihn umgebenden Menschen studieren kann, der anspruchslos in ihre Mitte tritt, von dem sie nichts zu erwarten haben. Nur gegen diesen zeigen sie sich in ihrer Natürlichkeit und finden es nicht der Mühe wert, die Larve der Verstellung vorzunehmen. Freilich macht man da oft schmerzliche Erfahrungen; trifft man aber auf gute Menschen, was denn doch häufig geschieht, so weiß man, daß sie wirklich so sind. - Und so werden es meine geneigten Leser und Leserinnen verzeihlich finden, wenn ich aller jener Menschen erwähne, die sich der anspruchslosen Fremden mit Herzlichkeit annehmen. Durch nichts anderes bin ich imstande, ihnen meine Dankbarkeit auszudrücken.
Ich hatte also nur mit wenigen Personen Umgang und daher Zeit genug zu einsamen Spaziergängen, auf welchen ich alles um mich her genau besehen und beobachten konnte.
Das Städtchen Reykjavik besteht nur aus einer einzigen breiten Gasse, um welche herum noch einzelne Häuser und Koten liegen. - Die Zahl der Einwohner beträgt nicht ganz 500.
Die Häuser der Wohlhabenden sind aus Holz gebaut, haben aber alle nur Erdgeschoß, bis auf eines, in welches kommendes Jahr die Hochschule, die bis jetzt in Bessestadt ihren Sitz hat, hierher versetzt wird; - dies hat ein Stockwerk. Das Haus des Stiftsamtmanns ist von Stein gebaut. Es war ursprünglich zum Gefängnis bestimmt, allein da es in Island so selten Verbrechen gibt, so ist es nun seit vielen Jahren zur Wohnung dieses königlichen Beamten umgestaltet.
Ein zweites Steinhaus, das man von Reykjavik aus sieht, liegt zu Laugarnes - eine halbe Meile von dem Städtchen entfernt - nahe am Meer, ist von Wiesen umgeben und der Sitz des Bischofs.
Die Kirche kann höchstens 100 bis 150 Personen fassen; sie ist von Stein gebaut und mit einem hölzernen Dache versehen, unter welchem die Bibliothek aufbewahrt wird, die aus mehreren tausend Bänden besteht. - Diese Kirche besitzt einen Schatz, um den sie gewiß viele andere, größere und reichere beneiden werden: einen Taufstein, - eine Arbeit Thorwaldsens, dessen Eltern aus Island stammten. - Er selbst war in Dänemark geboren und schien durch dieses Geschenk das Land seiner Voreltern ehren zu wollen.
An manche Häuser Reykjaviks schließt sich ein Stückchen Garten. Darunter versteht man ein durch unendliche Mühe und mit großen Kosten geschaffenes Plätzchen, worauf Salat, Spinat, Petersilie, Kartoffeln und einige Rübengattungen fortkommen. Die Beetchen sind durch fußbreite Graswege geschieden, auf welchen höchstens einige Wiesenblumen wachsen.
Was die Bewohner Islands betrifft, so sind sie von ziemlich kräftigem, mittelgroßem Schlage. Sie haben blondes, oft ins Rötliche spielendes Haar und blaue Augen. Die Männer sind meist häßlich, die Weiber weniger, ja, unter den Mädchen findet man manchmal sogar recht liebliche Gesichtchen. Ein Alter von siebzig bis achtzig Jahren soll zu den Seltenheiten gehören.
Die Bauern haben viele Kinder und dennoch wenige; - es werden viele geboren, aber die wenigsten erreichen das erste Lebensjahr. Die Mütter säugen sie nicht und ziehen sie bei äußerst schlechter Nahrung auf. Die, welche das erste Jahr überleben, sehen dann kräftig aus; nur haben sie gar sonderbar rotgefärbte Backen, als bekämen sie einen Ausschlag. Ob dies von der scharfen Luft, an die die zarten Gesichter noch nicht gewöhnt sind, oder von der Nahrung herrührt, weiß ich nicht.
An manchen Küstenorten, wenn die armen Fischer im Winter, der fürchterlichen Stürme wegen, wochenlang die See nicht befahren können, leben sie beinahe ausschließlich von getrockneten Fischköpfen; die Fische selbst haben sie eingesalzen und verkauft und mit dem gelösten Gelde teils ihre Steuern und Abgaben berichtigen, teils ihre Schulden bezahlt für bereits erhaltene Bedürfnisse, unter denen leider Branntwein und Schnupftabak nur zu bedeutende Rollen spielen.
Eine zweite Ursache der sich nicht vermehrenden Volkszahl sollen die vielen Unglücksfälle sein, welche sich in den stürmischen Jahreszeiten beim Fischfange ereignen. - Mit Gesang und Freude ziehen sie hinaus, - ein schöner Himmel, ein ruhiges Wetter verkünden ihnen Glück! - Doch wehe! - Sturm und Schneegestöber überfällt die Armen, die ruhige See wird aufgewühlt, - mächtige Wogen steigen empor und reißen Fischer und Kahn mit sich in die unergründliche Tiefe. Spurlos gehen sie verloren. - Selten bemannt ein Vater mit seinen Söhnen ein und dasselbe Boot. Sie verteilen sich auf mehrere, damit wenn eines versinkt, nicht die ganze Familie damit zugrunde geht.
Die Bauernwohnungen um Reykjavik fand ich zum Teil noch kleiner und schlechter als jene zu Havenfjord. Dies mag aber wohl nur Folge ihrer Trägheit sein; denn an Steinen fehlt es nirgends, und Baumeister ist jeder selbst. Die Kühe und Schafe überwintern in einem elenden Loche, das in der Kote selbst oder nahe daran gebaut ist. - Die Pferde sind das ganze Jahr unter Gottes freien Himmel gewiesen und müssen sich ihre Nahrung selbst suchen. Nur selten schaufelt der Bauer von einem kleinen Plätzchen den Schnee weg, um so die armen Tiere leichter auf die Spur des darunter verborgenen Grases oder Mooses zu leiten. Ihren Füßen bleibt es dann überlassen, den Schnee immer weiter wegzuscharren. - Daß sie durch diese Lebensweise ungemein abgehärtet sind, versteht sich wohl von selbst; zu wundern aber ist es, daß sie bei dieser kärglichen Nahrung den Winter überleben und im späten Frühjahr und Sommer auch kräftig und ausdauernd sind. - Hafer ist ihnen so fremd, daß sie, wenn man ihnen einen vorsetzt, solchen gar nicht berühren; auch das Heu fressen sie nicht gerne.
Da ich zeitlich im Frühjahr nach Island kam, so sah ich die Pferde und Schafe noch in ihrer Winterkleidung. Erstere scheinen gar nicht mit Haaren bewachsen zu sein, sondern haben eine dicke, wollige Decke, während Schweif und Mähne sehr lang und von unbeschreiblicher Fülle sind. Ende Mai oder Anfang Juni werden Schweif und Mähne gestutzt und ausgeschnitten; die Winterwolle verlieren sie von selbst und sehen dann so ziemlich glatt aus. - Auch die Schafe haben im Winter einen sehr reichlichen Pelz. Sie werden nicht geschoren, sondern man zieht ihnen anfangs Juni die Wolle stückweise mit den Händen vom Körper. Dies gibt oft einen komischen Anblick, wenn nämlich das Schaf auf einer Seite schon ganz nackt ist, während es auf der andern noch die Wolle trägt.
Pferde und Kühe sind bedeutend kleiner als die unsrigen. Man brauchte jedoch nicht so weit zu reisen, um solch verzwergtes Vieh zu sehen. Schon in unsrem Galizien sind die Pferde und die Kühe der Bauern um kein Haar größer und stärker, wie jene der Isländer. Die Kühe der letzteren zeichnen sich höchstens noch durch ihre ganz kleinen Hörner aus. - Die Schafe sind auch etwas kleiner als die unsrigen.
Jeder Bauer hält sich Pferde. Der Unterhalt ist höchst einfach, die Entfernungen sind groß, die Wege schlecht, und sehr oft bedeutende Flüsse, Moore oder Sümpfe zu passieren; da reitet denn auch alles, Männer, Weiber und Kinder. Auf dieser Insel kennt man den Gebrauch eines Wagens ebensowenig als in Syrien.
Die allernächste Umgebung Reykjaviks sieht so ziemlich freundlich aus. Einige der Städter verwenden viele Mühe und Kosten darauf, die Steine in der Nähe ihrer Häuser teils zu sammeln, teils zu sprengen, und vermischen das bißchen Erdreich so lange mit Dünger, Torf und Asche, bis endlich doch etwas brauchbarer Grund daraus entsteht. Dies ist aber ein solch riesiges Unternehmen, daß man sich durchaus nicht wundern darf, an derlei, von der Natur gänzlich vernachlässigten Stellen, nur äußerst wenig Kultur zu finden. - Herr Bernhöft führte mich auf eine kleine Wiese, deren Grund er auf zwanzig Jahre um den jährlichen Pachtzins von 30 kr. gemietet. Um aber diesen Grund in die jetzige Wiese, die ihm nun das Winterfutter für eine Kuh gibt, umzuwandeln, mußte er mehr als 150 fl. und nebst dem noch eigene Müh' und Arbeit darauf verwenden. - Auch ist der Arbeitslohn für Bauersleute im Verhältnis zu ihren wenigen Bedürfnissen sehr hoch gestellt; er beträgt für den Tag 30 auch 40 kr., ja in der Zeit der Heuemte sogar 1 fl.
Der Boden, weit und breit um das Städtchen, besteht aus Stein, Torf und Sümpfen. - Die letzteren sind meist mit hundert und hundert kleineren und größeren festen Erhöhungen durchzogen, und man kann daher leicht, von einer auf die andere springend, den ganzen Sumpf überschreiten, ohne die geringste Gefahr zu laufen, ja ohne nur einen nassen Fuß zu bekommen.
Trotzdem hätte mich auf einer meiner einsamen Wanderungen eine solche Stelle bald in nicht geringe Verlegenheit gesetzt. - Ich spazierte nämlich ganz gemächlich umher, da flog plötzlich ein kleiner Schmetterling vor mir auf. Es war der erste, den ich in diesem Lande sah, und meine Begierde ihn zu fangen war daher sehr groß. Ich eilte ihm nach, dachte weder an Sumpf noch Gefahr und bemerkte in der Hitze des Verfolgens gar nicht, daß diese Erhöhungen immer seltener wurden und weiter auseinanderlagen. - Bald befand ich mich in der Mitte des Sumpfes und konnte weder vor noch rückwärts. - Weit und breit sah ich keinen Menschen, selbst die Tiere waren entfernt von mir, woraus ich auf die Gefahr des Sumpfes schließen konnte. Nun blieb mir nichts anderes übrig, als eine Gegend in das Auge zu fassen und tapfer darnach zu schreiten. Ich mußte oft zwei, drei Schritte im Sumpfe wagen, um wieder auf eine Erhöhung zu gelangen, auf der ich dann triumphierend stehenblieb und überlegte, wie die nächste zu erobern sei. - So lange ich noch Spuren eines Pferdehufes entdeckte, ward mir nicht bange; doch auch diese verloren sich, und ich stand nun da, verlassen - im Sumpf. Auf meiner eroberten Warte konnte ich nicht ewig verweilen und so blieb mir nichts übrig, als mich in den Sumpf zu wagen. Ich muß gestehen, daß ich mich anfangs, wenn der Fuß so schnell in die Tiefe sank, der Furcht nicht erwehren konnte. Bald aber, als ich merkte, daß es nicht tiefer als bis über die Knöchel ging, kehrte mein Mut wieder zurück; ich schritt tapfer fort und kam glücklich mit dem bloßen Schrecken und sehr durchnäßten Füßen durch.
Die beschwerlichsten Anstellungen in diesem Lande sind jene der Ärzte und der Geistlichen. Ihr Bezirk ist sehr ausgedehnt, besonders jener der Ärzte. Diese haben oft von einem Ende zum andere 20 bis 30 deutsche Meilen zu machen. Hiezu denke man sich die schreckliche Winterszeit, die bei 7 bis 8 Monate währt, und man wird kaum begreifen, daß es möglich ist, Leute zu diesem Amte zu finden.
Im Winter kommen die Bauern häufig mit Schaufeln, Hacken und einigen Pferden und holen den Arzt. Sie schreiten ihm dann voraus und bahnen die unwegsamen Stellen, während er abwechselnd bald das eine, bald das andere Pferd reiten muß, damit auch sie nicht der Last erliegen. Und so geht es fort viele, viele Meilen, bei Nacht und Nebel, bei Sturm und Schneegestöber, denn von seiner Eile hängt ja oft Leben und Tod ab. - Kehrt er dann, oft ganz erschöpft und erstarrt, in den Schoß der Seinigen zurück und gedenkt sich zu erholen und zu stärken und sich mit ihnen über die soeben überstandenen Gefahren und Beschwerden zu freuen, - ach da warten seiner schon wieder neue, wichtige Gänge und Fahrten, so daß er kaum Zeit findet, seine Lieben zu grüßen, er muß abermals fort.
Manchmal holt man ihn zur See, wo die Gefahr auf dem oft sturmbewegten Elemente noch größer ist.
Der Gehalt der Ärzte ist ihren Mühen durchaus nicht angemessen, aber doch noch bei weitem besser, als jener der Priester. Die ärmsten Pfründe betragen jährlich 6-8 fl., die reichsten 200 fl. Außerdem erhalten sie von der Regierung ein Häuschen, oft nicht viel besser als die Kote eines Bauern, einige Wiesengründe und etwas Vieh. - Auch ist der Bauer verpflichtet, ihnen kleine Gaben, als Heu, Schafwolle, Fische usw. zu liefern. Die meisten Priester sind so arm, daß sie samt ihrer Familie ebenso gekleidet gehen wie die Bauern, von denen man sie auch kaum auseinanderkennt. - Die Frau sieht dem Vieh nach und melkt Kühe und Schafe, trotz einer Magd, während der Priester auf die Wiese geht und mit seinem Knechte das Gras abmäht. - Sein ganzer Umgang ist natürlich auch nur auf den Bauern beschränkt, und darin besteht das patriarchalische Leben, das so mancher Reisende entzückend findet und schildert, - ich möchte wissen, ob er es zu führen wünschte?
Überdies hat so ein armer Priester oft noch zwei bis vier Distrikte zu versehen, die 1 bis 3 Meilen von seinem Wohnsitze entfernt sind. Er muß jeden Sonntag abwechselnd an dem einen oder dem anderen Ort den Gottesdienst verrichten, so zwar, daß der Gottesdienst nur alle 3-4 Wochen an ein und derselben Stelle abgehalten wird. Jedoch darf es der Priester mit seinen Reisen nicht so genau nehmen wie der Arzt, denn ist das Wetter an Sonntagen, besonders im Winter, gar zu schlecht, so unterläßt er es, die entlegenen Orte zu besuchen. Er würde ohnehin nur für einige Bauern predigen, da die entfernteren sich ebenfalls nicht dort einfänden.
Am besten steht der Sysselmann - bei uns so viel als Kreishauptmann. - Der hat einen guten Gehalt und nicht viel zu tun und an manchen Orten auch das Strandrecht, welches durch das angeschwemmte Holz, das von dem amerikanischen Festlande kommt, nicht unbedeutend wird.
Fischfang und Jagd sind frei, nur der Lachsfang in den Flüssen ist königlich und wird verpachtet. - Eidergänse dürfen nicht geschossen werden; es ist darauf eine Geldstrafe gesetzt. - Militärpflichtigkeit ist keine. Auf der ganzen Insel bedarf man keines Soldaten, selbst in Reykjavik sind nur zwei Polizeidiener vorhanden.
Der Handel ist ebenfalls frei; - doch besitzen die Isländer so wenig Spekulationsgeist, daß, wenn sie auch die Geldmittel dazu besäßen, sie sich doch nie in solche Spekulationen einlassen würden.
Der ganze Handel liegt also in den Händen dänischer Kaufleute, die alljährlich Schiffe nach Island schicken und in den verschiedenen Häfen Faktoreien errichtet haben, durch welche der Kleinabsatz geschieht.
Diese Schiffe bringen den Isländern alles: Getreide, Holz, Weine, Kolonial- und Manufakturwaren usw. Die Einfuhr ist frei. Es würde sich der Regierung nicht lohnen, für den kleinen Bedarf dieser Insel Zölle zu errichten und Beamte zu erhalten. Kolonialartikel, Weine usw. sind daher auch bedeutend wohlfeiler als in anderen Ländern.
Die Gegenfracht besteht in Fischen - besonders Stockfischen - in Fischrogen, Talg, Tran, Eiderdaunen oder anderen Vogelfedern, die den Eiderdaunen an Güte sehr nahe kommen, in Schafwolle und eingesalzenem oder geräuchertem Lammfleisch. Sonst haben sie aber auch durchaus nichts; denn als Herr Knudson vor dreizehn Jahren ein Backhaus errichtete, mußte er nicht nur den Baumeister, sondern sogar alle Baumaterialien, als Steine, Kalk usw. von Kopenhagen bringen lassen, denn obwohl die ganze Insel mit Steinmassen und Geröll überdeckt ist, finden sich doch darunter weder solche Steine, aus denen man einen Backofen erbauen könnte, noch solche, aus denen sich Kalk brennen ließe. - Alles ist Lava.
Wenn zwei bis drei Koten beisammen stehen, so nennt man das schon einen Ort. Diese Orte, sowie auch einzelne Koten, liegen meist auf kleinen Anhöhen, welche von Wiesen umgeben sind. Die Wiesen werden häufig von einer zwei bis drei Fuß hohen Stein- oder Erdwand umschlossen, um sie gegen das Weiden der Kühe, Pferde und Schafe zu schützen. Das Gras von diesen Wiesen wird zu Heu gemacht und für die Kühe auf den Winter gespart.
Über die Kälte im Winter klagen die Leute nicht sehr; sie soll selten 20 Grade erreichen, und die See soll oft kaum einige Fuß breit an der Küste gefroren sein. Dagegen sollen aber die Stürme und Schneegestöber oft so heftig und furchtbar sein, daß man kaum vor die Türe des Hauses treten kann. - Die Tageshelle währt kaum 5 bis 6 Stunden, und die armen Isländer werden nur mit dem Nordlichte entschädigt, das sich hier aber auch ungemein ausbreiten und die Nächte wunderbar erleuchten soll.
Der diesjährige Sommer war einer der schönsten, den man seit Jahren erlebt hatte. Der Thermometer wies im Monat Juni um die Mittagsstunde mehrmals auf 20 Grad Hitze. Die Einwohner fanden diese Hitze so unerträglich, daß sie behaupteten, während des Tages weder arbeiten, noch größere Botengänge verrichten zu können. Das Heumachen fingen sie an solchen Tagen erst des Abends an, wo sie dann die halbe Nacht hindurch arbeiteten.
Sehr bedeutend ist der Wechsel der Witterung. So hatten wir den einen Tag 20 Grad Wärme, den folgenden fiel Regen ein, und der Thermometer sank auf 5 Grade. Am 5. Juni hatten wir noch des Morgens um 8 Uhr sogar einen Grad Kälte. - Merkwürdig ist es, daß die Donnerwetter in Island im Winter erscheinen; - im Sommer soll es keine geben.
Vom 16. oder 18. bis Ende Juni ist es fortwährend Tag. Da scheint die Sonne gerade nur auf kurze Zeit hinter einen Berg zu treten und bildet zu gleicher Zeit Abend- und Morgenröte. Auf einer Seite erbleicht der letzte Strahl, um auf der andere Seite mit frischem Feuer wieder hervorzubrechen.
Ich war vom 15. Mai bis 29. Juli in Island, ging nie vor elf Uhr zu Bette und hatte nie ein Kerzenlicht nötig. - Im Mai, ebenso auch wieder in der letzten Hälfte des Monats Juli dämmerte es ungefähr 1 bis 2 Stunden, - finster aber wurde es nie. Ja selbst in den letzten Tagen meines hiesigen Aufenthaltes konnte ich bis halb elf Uhr lesen. Anfangs kam es mir ganz sonderbar vor, bei hellem Tage zu Bette zu gehen. Ich gewöhnte mich jedoch recht gut daran, und bald war, wenn es gegen elf Uhr ging, kein Sonnenlicht kräftig genug, mich um den Schlaf zu betrügen. - Am meisten ergötzte es mich, abends, so nach zehn Uhr, nicht bei schwachem Mondesschimmer, nein - bei vollem Sonnenschein spazierenzugehen.
Viel schwerer als an die Sonne, war es mir, mich an die Kost zu gewöhnen. - Die Frau des Bäckers verstand zwar die Küche, nach isländisch und dänischer Art, sehr gut zu führen; aber leider ist eben diese ganz anders, als die unsrige. Nur eines war gut, der Morgen-Kaffee mit Rahm (Schmetten); an dem hätte selbst der feinste Gutschmecker nichts auszusetzen gefunden; ich habe aber auch seit meiner Abreise von Island keinen solchen Kaffee mehr getrunken. - Da hätte ich meine lieben Wienerinnen herbeigewünscht. - Der Rahm war so dick, daß ich das erste Mal meinte, man habe mich falsch verstanden und mir sauren gebracht. Die Butter, welche aus der isländischen Kuh- oder Schafmilch erzeugt wird, sieht eben nicht sehr einladend aus, sie ist weiß wie Schweineschmalz, - der Geschmack ist jedoch gut und süß. Die gemeinen Isländer finden ihn aber zu wenig pikant und vermengen daher die Butter gewöhnlich mit Tran. Überhaupt spielt der Tran in der isländischen Küche eine große Rolle; der isländische Bauer hält ihn für den kostbarsten Artikel und ist imstande, ganze Stücke davon ohne Brot oder sonstigen Imbiß zu verzehren.
Die Mittagstafel mundete mir durchaus nicht; sie bot zwei Gerichte, das erste bestand aus abgekochtem Klippfisch, Dorsch oder Flachfisch, - dazu kam Essig und statt des Öles zerlassene Butter, - das zweite aus abgekochten Kartoffeln. Leider bin ich keine Freundin von Fischen, und nun waren diese meine tägliche Kost. Ach! Wie seufzte ich nach einer Rindsuppe, nach einem Stückchen Fleisch, nach Gemüse; - vergebens! So lange ich in Island war, mußte ich meiner vaterländischen Kost ganz und gar entsagen.
Und mit den abgekochten Fischen und Kartoffeln ging es mit der Zeit doch noch so ziemlich gut, - wenn nur nicht die Leckergerichte gekommen wären! - Arme Frau Bernhöft, - sie meinte es stets so gut mit mir, - und es ist ja nicht ihre Schuld, daß in Island anders gekocht wird, als bei uns - aber den Leckergerichten konnte ich durchaus keinen Geschmack abgewinnen. - Sie waren verschieden. Die einen bestanden aus einem Gehacke von Fischen, harten Eiern und Kartoffeln, über welche eine braune, dicke Brühe gegossen wurde, die zu gleicher Zeit gepfeffert, gezuckert und gesäuert war, - oder aus Kartoffeln, in Butter und Zucker geröstet, - oder aus fein gehacktem Kohl, der durch Wasser sehr verdünnt und mit Zucker gewürzt wurde, dazu kam ein Stück geräuchertes Lammfleisch, das einen höchst unangenehmen böckeligen Geruch hatte.
An einem Sonntage bekamen wir manchmal rote Grütze, welches eigentlich ein skandinavisches Gericht ist und aus feinerem Sago besteht, der in rotem Wein oder saurem Johannisbeersaft zu einem Gelée (Gallert) gekocht wird. Dazu wird darum süßer Rahm und Zucker serviert. Auch eine Gattung Topfen (weicher Käs) wurde manchmal mit Rahm und Zucker gegeben.
In den Monaten Juni und Juli änderte sich das Ding ein wenig zu meinem Vorteile. Da bekamen wir häufig trefflichen Lachs, manchmal gebratenes Lammfleisch und mitunter auch Vögel, worunter die Moosschnepfen besonders gut waren. - Des Abends kam Butter, Käse, kalter Fisch, geräuchertes Lammfleisch oder Eier von den Eidergänsen, die etwas minder zart schmecken als die Hühnereier, - und an diese Kost ward ich mit der Zeit auch so gewöhnt, daß mir weder Suppe noch Rindfleisch abging und ich mich vollkommen wohl dabei befand.
Mein Getränk bestand aus gutem frischen Wasser; die Männer tranken am Eingange der Mahlzeit ein Gläschen Branntwein, alle aber während der Mahlzeit Bier, das Herr Bernhöft selbst braute und sehr gut schmeckte. - An Sonntagen verirrte sich sogar manchmal eine Flasche Bordeaux oder Portwein an unsere Tafel. - Und so, wie im Hause des Herrn Bernhöft gelebt wurde, lebt man auch in jenen der Kaufleute und Beamten.
Ich war in Reykjavik auch Zeuge einer großen Kirchenfeierlichkeit. Es wurden drei Kandidaten zur Priesterweihe erhoben. - Obwohl hier alles lutherisch ist, so glaube ich doch, daß der Ritus hin und wieder von jenem des europäischen Festlandes abweichen mag, und ich will daher die näheren Umstände erzählen. Die Feierlichkeit begann um zwölf Uhr mittags und endete erst um vier Uhr. Vor allem fiel mir auf, daß sich die Leute beim Eintritt in die Kirche, sowie auch beim Austritt aus derselben, auf einen Augenblick das Gesicht bedeckten, und zwar die Männer mit den Hüten, die Frauen mit den Taschentüchem. In der Kirche saßen die meisten mit dem Gesichte gegen den Altar gewendet, manche aber auch umgekehrt. Die Priester waren so gekleidet wie die unsrigen, und es schien eine Art Messe zu beginnen, die samt dem ersten Evangelium ziemlich mit der unsrigen verglichen werden konnte. - Nun aber ward alles anders. Da trat bald der Bischof mit den Geistlichen an den Altar und verrichtete daselbst Zeremonien, bald stieg der eine auf die Kanzel und las ein Stück Predigt oder sang einen Psalm, während die andern auf Stühle setzten und zuzuhören schienen, bald stieg wieder ein zweiter oder dritter auf die Kanzel, oder es wurden abermals am Altar Predigten gehalten und Psalmen gesungen, oder auch zu gleicher Zeit auf der Kanzel Predigten abgelesen und am Altar Zeremonien verrichtet. Die Meßkleider wurden bald umgenommen und bald abgelegt, und sehr oft hieß es Amen; doch begann die Geschichte immer wieder von neuem und währte, wie gesagt, bis vier Uhr. - Diese unendliche Abwechslung fiel mir um so mehr auf, da gewöhnlich bei den Lutheranern die Kirchenzeremonien höchst einfach und einförmig sind.
Ich fand bei dieser Feierlichkeit ziemlich viel Landvolk versammelt und hatte daher die beste Gelegenheit, ihre Landestracht zu studieren. - Die Weiber und Mädchen sind ganz in schwarzem grobem Wollzeuge gekleidet. Der Anzug selbst besteht aus einem langen Rocke, einem Spenzer und einer gefärbten Schürze. Der Kopf ist mit einer schwarzwollenen Männerschlafhaube bedeckt, die in einer umgestülpten Spitze endet, an welcher eine lange Quaste von Seide oder Wolle hängt, die bis an die Schulter hinabfällt. Dieser einfache Kopfputz steht recht gut, da alt und jung eine Fülle von Haaren hat, die malerisch um Kopf und Hals und Nacken fällt. Sie tragen das Haar ungebunden und nicht länger als bis an die Schulter, - bei manchen ist es auch ein wenig gelockt. - Unwillkürlich fielen mir die poetischen Schilderungen der Dichter ein, wenn sie begeistert von den goldgelockten Engelsköpfen ihrer Ideale schwärmten. - Ja, die Haare sieht man hier wohl auf solche Weise tragen, und von Skalden mögen auch unsere Dichter jene Schilderungen entlehnt haben. - Was aber die schönen Gesichtchen betrifft, die da heraus lächeln und schmachten, die blieben ein ungeschmälertes Verdienst ihrer Fantasie.
Putz sieht man sehr wenig. Unter der ganzen Versammlung bemerkte ich nur vier Weiber oder Mädchen, die etwas geschmückter waren als die anderen. - Bei diesen waren die Leisten des Spenzers und der Gürtel mit einer zwei Zoll breiten, in Silber gestickten Girlande geziert, der Rock war von feinem schwarzen Tuche und unten mit einer färbigen, handbreiten, seidenen Borte besetzt. Um den Hals hatten sie eine Art steifer, handbreiter Krägen von schwarzem Samt, mit einer Girlande in Silber gestickt, und auf dem Kopfe trugen sie, nebst einem umgebundenen schwarzseidenen Tüchelchen, noch einen ganz sonderbaren Aufsatz. Dieser Aufsatz bestand in einem Halbbogen, der am Hinterkopfe befestigt war und 5-6 Zoll hoch frei über der Stirne schwebte. Er war mit weißem Perkall in gelegten Falten überzogen. Seine Breite mag rückwärts 1 1/2 Zoll betragen, gegen vorne erweitert er sich aber auf 5-6 Zoll.
Die Männer fand ich beinah so gekleidet wie unsere Bauern. Sie trugen dunkle Tuchhosen, Spenzer und Westen, einen Filzhut oder eine Pelzkappe und nur statt der Stiefel ein Stück Schaf-, Kuh- oder Seehundsfell in Form von Schuhen, mittels eines Riemens um den Fuß befestigt. - Diese Art Fußbekleidung tragen auch die Weiber, ja sogar die Kinder der Kaufleute und Beamten.
Gar so ärmlich und abgerissen gekleidete Leute, wie man deren nur zu viele in großen Städten findet, sah ich hier nur höchst selten, - ohne Schuhe und gute warme Strümpfe gar niemanden.
Die besseren Stände - Kaufleute, Beamte u. dgl. - sind französisch, und zwar ziemlich einheitlich nach der Mode gekleidet. Es fehlt da weder an Seiden- noch an anderen Stoffen. Manches wird von England, das meiste von Dänemark herübergebracht.
Am Geburtstage des Königs, der alljährlich beim Stiftsamtmann gefeiert wird, soll es recht pomphaft zugehen; da erscheinen die Frauen in Seide, die Mädchen in weißen Linnen, - die Beleuchtung besteht aus Milli-Kerzen (Stearinkerzen, von Milly erfunden d.H.).
Ein spekulativer Kopf hat auch eine Art Club errichtet. Er hält nämlich ein oder zwei Zimmer, wo sich die Städter des Abends versammeln und Teewasser, Butterbrot, auch eine Flasche Wein oder eine Bowle Punsch erhalten können. Im Winter veranstaltet er in diesem Lokale sogar Bälle, die Eintrittskarte à 20 kr. Da versammeln sich die Honoratioren und Handwerksleute, kurz: Alles, was nur irgend Lust hat. Da soll es ganz republikanisch zugehen. Der Schuster führt die Gattin des Stiftsamtmannes zum Tanze und der Stiftsamtmann dagegen die Frau oder Tochter des Schusters oder des Bäckers usw. Die Kredenz besteht in Teewasser und Butterbrot und die Beleuchtung in Talglichtern. Das Gräßlichste soll aber die Musik sein, eine Art Violine mit drei Saiten und eine Pfeife.
Im Sommer machen die Honoratioren häufige Reitpartien, bei welchen es aber durchaus nicht an Lebensmitteln aller Art fehlen darf. Meistens steuern alle zusammen; die einen geben die Weine, die anderen Kuchen, die dritten Kaffee usw. Die Damen reiten auf schönen englischen Sätteln, sie tragen hübsche Reitkleider und recht nette Männerfilzhütchen mit grünen Schleiem. - Doch finden natürlich alle diese Unterhaltungen nur in Reykjavik statt, denn außer diesem Städtchen gibt es, wie schon gesagt, in ganz Island keinen einzigen Ort, der aus mehr als höchstens 2-3 Kaufläden und 5-6 Koten bestände.
In Reykjavik fand ich zu meinem größten Erstaunen in den verschiedenen Familien sechs Querfortepianos und hörte Walzer von unserem beliebtesten Komponisten, auch Variationen von Herz und einiges von Liszt, Wilmers und Thalberg, - aber wie gespielt?! Ich glaube kaum, daß diese Herren ihre Kompositionen erkannt haben würden.
Schließlich muß ich noch einiges über das Reisen in diesem Lande bemerken.
Die beste Zeit ist vom halben Juni bis höchstens Ende August. Früher sind die Ströme durch das viele Schneewasser zu sehr angeschwollen und reißend, und daher sehr gefährlich sie zu durchreiten. Auch manches Schneefeld, das die Sonne noch nicht ganz vertilgte und Schluchten und Lavamassen deckt, muß der Reisende überschreiten. Da ist nun die Gefahr nicht minder groß. Man sinkt beinahe bei jedem Tritte ein und muß noch Gott danken, wenn nicht die ganze, bereits mürbe Decke einbricht. - Im Monat September fangen oft schon die heftigen Stürme und Regen an, und auch Schneegestöber ist da täglich zu gewärtigen.
Ein Zelt, Lebensmittel, Kochgeschirr, Polster, Decken und warme Kleider sind höchst notwendig. - Mir würde dies zu viel Unkosten verursacht haben; ich hatte nichts dergleichen bei mir, - war daher auch den schrecklichsten Entbehrungen und Mühen ausgesetzt und mußte oft die anstrengendsten Ritte machen, um ein Kirchlein oder eine Kote zur Nachtherberge zu erreichen. Acht bis zehn Tage lebte ich oft nur von Käse und Brot und die Nächte brachte ich meist auf Kisten oder Bänken zu, wo ich oft vor Kälte kein Auge schließen konnte.
Gegen den Regen, der hier gar zu häufig fällt, ist es am besten, sich mit einem Regenmantel und einem glanzledemen Matrosenhute zu versehen. Ein Regenschirm ist ganz unnütz, denn gewöhnlich ist der Regen von Sturm, oder wenigstens von einem starken Winde begleitet; - dazu an manchen Stellen das schnelle Reiten, und man kann sich wohl vorstellen, daß da von einem Offenhalten des Schirmes gar nie die Rede sein kann.
Ich fand überhaupt das Reisen in diesem Lande viel beschwerlicher als im Orient. Mir wenigstens waren die schrecklichen Stürme und Winde, die scharfe Luft, der häufige Regen und die Kälte bei weitem unerträglicher als die orientalische Hitze. Von dieser bekam ich weder je aufgesprungene Lippen, noch Schuppen auf der Haut des Gesichtes. - Hier bluteten mir schon am fünften Tage die Lippen, und im Gesichte bekam ich später Schuppen, wie wenn ich den Rotlauf gehabt hätte. Eine sehr unangenehme Sache ist ferner das Reiten mit den langen Frauenkleidern, denn man muß stets warm angezogen sein, und da schlagen sich die schweren, oft noch vom Regen triefenden Kleider derart um die Füße, daß man beim Auf- und Absteigen vom Pferde im höchsten Grade unbeholfen ist. Das Schrecklichste aber ist, während der Regenzeit auf einer Wiese die Ruhestunde halten zu müssen. Die langen Kleider saugen da auch noch das Wasser vom nassen Grase auf, und man hat dann wirklich oft nicht einen einzigen trockenen Faden mehr an sich.
Kälte und Wärme scheinen in diesem Lande einen ganz besonderen Eindruck auf den Fremden zu machen. Die Kälte kam mir empfindlicher, die Hitze drückender vor, als ich beide bei demselben Stande des Thermometers in meinem Vaterlande fühle.
Die Wege sind im Sommer über alle Verwunderung gut; man kann größtenteils scharf reiten. Zu befahren sind sie jedoch nicht, teils sind sie zu schmal, teils trifft man auch auf einzelne sehr schlechte Stellen. Es gibt daher auf der ganzen Insel keinen Wagen.
Gefährlich ist der Weg nur, wenn er durch Sümpfe und Moor oder über Lavafelder führt. - Von letzteren hat man besonders jene zu fürchten, die mit weißem Moos überdeckt sind. Unter diesen gibt es oft recht abscheuliche Löcher, in welche das Pferd nur zu leicht mit dem Fuß geraten kann. - Auch an den Höhen hinauf und hinunter gibt es viele fürchterliche Stellen. In Sümpfen und Mooren verliert sich die Bahn des Weges oft so, daß auch nicht die geringste Spur davon zu entdecken ist, und es mir stets Wunderbar vorkam, wie mein Führer wieder richtig auf den sichtbaren Pfad gelangte. - Man möchte beinahe glauben, daß auf solch gefährlichen Bahnen Führer und Pferd durch den Instinkt geleitet werden.
Das Reisen in Island kommt teurer als irgendwo, besonders wenn man allein ist und die Kosten des Gepäckes, Führers, der Überfrachten usw. ungeteilt zahlen muß. - Pferde werden nicht ausgeliehen; man muß sie kaufen, bekommt sie jedoch sehr wohlfeil; ein Packpferd um 18 bis 24 fl., ein Reitpferd um 40 bis 50 fl. Will man aber einige Bequemlichkeiten haben, so benötigt man gleich mehrere Packpferde; denn man kann ihnen nicht viel aufbürden und braucht dazu auch wieder einen Knecht mehr, da der Führer nur die Reitpferde und höchstens 1 bis 2 Packpferde versorgt. - Kehrt man dann von der Reise zurück und sucht die Tiere wieder zu verkaufen, so wird einem ein so niederträchtiger Preis dafür geboten, daß es gleich so gut ist, sie zu verschenken. Dies beweist neuerdings, daß der Mensch überall seinen Vorteil zu benützen versteht. Die Leute wissen, daß man die Pferde auf jeden Fall zurücklassen muß, und daher bieten sie nichts. Ich muß gestehen, daß ich den Charakter des Isländers bei jeder Gelegenheit tief unter meiner Erwartung fand, und noch tiefer unter den Schilderungen, die ich in Büchern gelesen hatte.
Die isländischen Pferde halten trotz dem, daß sie auf die kärglichste Nahrung angewiesen sind, zum Verwundern viel aus. - Man kann mehrere Tage hindurch, jeden Tag acht bis zehn Meilen zurücklegen; nur kostet es stets Mühe, das Pferd im gehörigen Gange zu erhalten. Der Isländer stößt nämlich das arme Tier beständig mit den Füßen in die Seite, und daran ist es so gewöhnt, daß es beinahe nicht geht, wenn man dies unterläßt. - An schlechten Stellen muß man den Zügel stets scharf anhalten, um das häufige Stolpern zu vermeiden, - zwei Sachen, die sehr ermüden.
Viel gibt es wahrlich zu überlegen, wenn man eine Reise in den hohen Norden unternehmen will; - doch mich schreckte nichts -, und selbst unter den größten Gefahren und Leiden bereute ich mein Unternehmen nicht einen Augenblick und wäre um keinen Preis davon abgestanden.
Pfeiffer, Ida
Nordlandfahrt - Eine Reise nach Skandinavien und Island im Jahre 1845
Hrg. von Gabriele Habinger
Wien 1991
Originalausgabe: Reise nach dem skandinavischen Norden und Island im Jahre 1845; Pest 1846, 2 Bände