1856 - Alfred Brehm
Stierhatz und Stierkampf
Játiva de San Felipe und Murcia; Spanien
In den meisten Ländern Europas ist das Rind ein trauriger Sklave des Menschen. In Spanien dagegen kommt zwar nicht das Rind, wohl aber der Stier zur Geltung. Er genießt dort eine Achtung, wie sie einem indischen Zebu zuteil werden mag. Er kann zum Helden des Tages werden und unter Umständen mehr Teilnahme als alles übrige erregen, das den Spanier angeht. Dieser hat für die Schönheiten des Stieres ein besonderes Auge. Er prüft und schätzt ihn wie bei uns der Kundige ein edles Pferd oder einen guten Hund. Nicht einmal an einem gutmütigen Zugstier geht er gleichgültig vorüber, und gegen ein vielversprechendes Kalb zeigt er sich sogar zärtlich. Dies hat seinen Grund darin, daß die Spanier leidenschaftliche Freunde von Stierhatzen und Stiergefechten sind. Die Stierhatzen sind Vergnügungen, die einen Sonntagnachmittag angenehm ausfüllen und es der Menge erlauben, tätig einzugreifen. Bei den Stiergefechten kämpfen geübte Leute, die Toreros, falls nicht junge, vornehme Nichtstuer ein solches Schauspiel veranstalten und das Amt der Stierkämpfer übernehmen.
Die Stierhatzen werden auf den Märkten der Städte abgehalten. Alle nach dem Platz fahrenden Straßen sind durch Holzplanken abgesperrt. Einer dieser Abschlüsse dient als Eingang. Ein Kaufmann in Játiva de San Felipe hatte uns gelegentlich einer solchen Stierhatz eingeladen, weil wir von seinem Hause aus den ganzen Marktplatz übersehen konnten, und so genossen wir ein eigentümliches Schauspiel.
In der Mitte des Marktes erhob sich ein Gerüst für die Musik, die um so lauter spielte, je toller der Lärm wurde. Der ganze Markt war voll von Menschen. Ich konnte mir gar nicht erklären, wo sie hergekommen waren und wohin sie sich zurückziehen wollten, wenn der Held des Tages auf dem Platze erscheinen würde. Man sah wohl einige Gerüste, doch diese konnten unmöglich die Menschenmenge fassen, die auf dem Markt hin und her wogte.
Einige Schläge an die Tür des Gehöftes, in dem sich die Tiere befanden, benachrichtigten uns von dem baldigen Erscheinen des vierfüßigen Schauspielers. Augenblicklich stob die Masse auseinander. Alle Gerüste waren im Nu von Menschen besetzt. Wie Affen hockten die Leute übereinander, und unter den Gerüsten lag die Jugend auf dem Bauche. An manchen Häusern waren Vorkehrungen getroffen, um geschätzte Plätze zu gewinnen. Andere Zuschauer hatten auf den Bänken Platz genommen, die man hier und da in den Haustüren sah. Wieder andere standen in den Türen, bereit, sie augenblicklich zu schließen. An dem Gerüst, auf dem die Musikbande thronte, hingen außerdem über hundert Menschen. Es brach denn auch später völlig zusammen.
Jetzt öffneten sich die Flügeltüren des Gehöfts, und ein zünftiger Stier stürzte heraus. Die achtbare Versammlung begrüßte ihn mit endlosem Gebrüll. Das Tier schaute verwundert um sich. Die bunte Menschenmenge und der ungewohnte Lärm machten es stutzig. Es stampfte mit dem Fuße und schüttelte das Haupt, bewegte sieh aber nicht von der Stelle. Das verdroß die Leute natürlich. Die Frauen schimpften, schwenkten Tücher und nannten den Stier entrostet ein erbärmliches Weib, eine elende Kuh. Die Männer gebrauchten noch andere Kraftworte und beschlossen endlich, den faulen Gesellen in Trab zu bringen. Man war sehr erfindungsreich im Hervorbringen eines entsetzlichen Lärmes, pfiff, schrie, kreischte, klatschte in die Hände, schlug mit Stöcken auf den Boden, an die Wände und Türen und zischte, als ob Schwärmer in Brand gesetzt worden wären. Der Stier war viel zu verwundert und stand unbeweglich. Ich fand das begreiflich. Sein Fassungsvermögen war eben zu schwach, und wenn auch derartige Geister sonst gewöhnlich sehr bald begreifen, daß man selbst als Ochse der Held des Tages sein kann, so schien sich doch unser Stier nicht in die ihm zugedachten Ehren hineinfinden zu können. Zudem war die Lage des guten Tieres wirklich ungemütlich. Überall waren Menschen, von denen man nicht wissen konnte, ob sie verrückt oder bei klarem Verstand waren, und aus diesem allgemeinen Irrenhaus gab es keinen Ausweg. Das mußte selbst ein Rindvieh zum Nachdenken bringen.
Aber das Nachdenken sollte gestört werden. Spaniens edles Volk wollte sich mit dem Stier unterhalten, verbrüdern. Man griff deshalb zu anderen Mitteln. Langsam öffnete sich eine Tür, und ein langes, am vorderen Ende mit Stacheln besetztes Rohr wurde sichtbar. Weit schob es sich heraus, und endlich erschien auch der Mann, der es am anderen Ende hielt. Ein furchtbarer Stoß wurde nach dem Hinterteil des Tieres geführt, doch ohne die erhoffte Wirkung. Der »Toro« hatte den Stoß für einen Mückenstich gehalten. Er schlug zwar wütend nach hinten aus, blieb aber stehen.
Jetzt aber brachten Stachelbolzen, die man aus Blasrohren nach ihm schoß, ihm zugeworfene Hüte, vorgehaltene Tücher und das bis zum äußersten gesteigerte Brüllen die gewünschte Wirkung hervor. Zitternd vor Wut stürmte das Tier die eine Seite des Marktplatzes hinauf und fegte sie rein, aber nur für einen Augenblick. Kaum war der Stier vorüber, da war auch die Menge wieder von ihren schwebenden Sitzen heruntergeklettert und rannte ihrem Liebling nach. Man benahm sich nicht nur dreist, sondern wirklich frech. Wenn der Stier längs der Häuser dahintobte, faßten ihn einige der Verwegensten auf Augenblicke an den Hörnern. Andere traten ihn von oben herab mit den Füßen. Abermals andere stellten sich auf kaum mehr als zehn Schritte vor ihn hin und reizten ihn auf jede denkbare Weise. Sie waren aber immer geschwind genug, eines der Gerüste zu erklettern.
Sechs Stiere wurden an diesem Tage durch Menschen und Hunde so lange herumgehetzt, bis sie wütend und später müde wurden. Dann war es für sie stets eine Erlösung, wenn der zahme Leitochse sie in ihre Ställe zurückbrachte. Solche Hatzen sind einfache Sonntagsvergnügungen der Spanier. Die Stiergefechte dagegen sind außerordentliche Feste, man darf wohl sagen: die größten des Jahres. In Madrid und Sevilla werden in den Sommermonaten bei gutem Wetter alle Sonntage Stiergefechte veranstaltet, in den übrigen Städten des Landes nur einmal im Jahr, dann aber drei Tage lang.
Ich beschreibe ein Stiergefecht, dem ich in Murcia beiwohnte. Schon in den ersten Nachmittagsstunden drängten sich die Menschen in den Straßen. Fünf Stunden lang mußten die Zuerstgekommenen in der furchtbaren Sonnenglut aushalten, um dann während der Vorstellung Schatten zu haben. Sie ertrugen jedoch alles gern, nur um das Schauspiel genießen zu können. Der Anblick des Amphitheaters war überraschend. Die Menschenmenge verschmolz zu einem bunten Ganzen, aus dem nur die roten Binden der Männer und die lebhaft gefärbten Halstücher der Frauen hervorstachen. Einige junge Leute schwenkten rote Fahnen mit daraufgestickten Ochsenköpfen und anderen sich auf Stiere beziehenden Sinnbildern. Viele waren mit Sprachrohren versehen, um das Gekreisch und Gebrüll vervollständigen zu können.
Der von den Schausitzen durch eine Planke getrennte Kampfplatz mochte sechzig bis achtzig Schritte Durchmesser haben. Die anderthalb Meter hohe Planke hatte an der inneren Seite breite Leisten, dazu bestimmt, den vor dem Stier fliehenden Kämpfern das Überspringen zu erleichtern. Zwischen dieser Umhegung und den Schauplätzen war ein schmaler Gang für die Toreros leer gelassen. Dann folgten in weiten, stets geschweiften Bogen die für die Menge bestimmten Bänke. Beim Anblick der Zuschauermenge wurde es glaubhaft, daß eine Arena bis zu 20 000 Menschen fassen kann.
Pünktlich erschien der Alkalde in seiner reichverzierten Loge. Die großen Tore öffneten sich, und die Toreros traten herein. Vor ihnen her ritt ein Alguacil in seiner uralten Amtstracht. Ihm folgten die Espadas, Banderilleros und Cacheteros, hierauf die Pikadores und zuletzt ein Gespann mit drei geschmückten Maultieren. Die Fechter trugen knappe, reich gestickte Kleider und darüber rote, mit Goldschmuck überladene Samtmäntel. Auch die kurze Jacke war mit Gold und Silber verziert. Die Banderilleros trugen statt der Mäntel buntfarbige Tücher über dem Arm. Ganz abweichend davon waren die Pikadores gekleidet. Nur die Jacken waren kostbar bestickt wie bei den übrigen, die Beinkleider aber bestanden aus dickem Leder. Auf dem Kopf trugen sie breitkrempige Filzhüte. Diese Leute ritten erbärmliche Klepper, die sie mit einem furchtbaren Sporn am linken Fuß antrieben, und saßen in Sätteln mit hohen Rückenlehnen und schweren, wie grobe Holzschuhe gestalteten Steigbügeln.
Der Zug bewegte sich zur Loge des Alkalden hin, verbeugte sich vor ihm und grüßte dann die Zuschauermenge. Der Alkalde erhob sich und warf dem Alguacil den Schlüssel zum Stierzwinger zu. Die Espadas warfen ihre Mäntel ab, hängten sie an der Umplankung auf, ordneten ihre Degen und nahmen wie die Banderilleros bunte Tücher zur Hand. Die Pikadores ritten zu einem besonderen Beamten, der die Quäl- und Schlachtwerkzeuge bewahrte, und erbaten sich von ihm drei bis vier Meter lange Lanzen mit dreischneidigen, sehr scharfen Spitzen, die aber nur so weit hervortraten, wie sie ins Fleisch des Stieres eindringen sollten. Es ließ sich nicht verkennen, daß das Schauspiel bis dahin etwas Großartiges und sogar Anziehendes hatte. Jetzt aber sollte es anders kommen.
Man öffnete die Stalltür, um dem Stier, der vorher regelrecht in Wut versetzt worden war, einen Ausweg zu verschaffen. Sofort erschien der erste der Verdammten: »Ein Sohn der Hölle, schwarz und wild ... «. Um ihn noch mehr in Wut zu versetzen, hatte man ihm eine Minute vorher die »Devise«, eine große, buntfarbige Bandrose, mit einer Eisennadel mit Widerhaken durch Haut und Fleisch gestochen. Beim Heraustreten stutzte er einen Augenblick, nahm dann sofort einen der Banderilleros an und stürzte mit gesenktem Haupt auf diesen los. Der Fechter empfing ihn mit der größten Ruhe, hielt ihm das bunte Tuch vor und zog sich dann gewandt zurück, um ihn einem der Pikadores zuzuführen.
Diese saßen mit vorgehaltenen Lanzen auf ihren Pferden, denen sie, weil sie die wütenden Stiere immer von der rechten Seite auflaufen lassen, das rechte Auge verbunden hatten, oder sie ritten den Stieren einige Schritte entgegen, um sie zum Angriff zu reizen. Ihre Aufgabe war es, den Stier von den Pferden abzuhalten. Allein die armen, altersschwachen, dem Tod geweihten Mähren besaßen nur selten genug Widerstandsfähigkeit, um dem Stoß des Pikadors den erforderlichen Nachdruck zu verleihen, und wurden deshalb regelmäßig ein Opfer des Feindes. Wenn der Stier vor einem Reiter angekommen war, blieb er eine Zeitlang unbeweglich stehen, stampfte den Boden, schlug mit dem Schweif, rollte die Augen, senkte plötzlich den Kopf und rannte auf das Pferd los, dabei aber mit seiner vollen Kraft in die vorgehaltene Lanze, die der Pikador nach seinem Nacken richtete. Pferd und Reiter wurden durch den Stoß zurückgeschleudert, blieben aber diesmal unversehrt. Brüllend vor Schmerz und Wut zog sich der Angreifer zurück und schüttelte den blutigen, von der Pike weit aufgerissenen Nacken. Dann stürzte er sich von neuem auf die vor ihm hergaukelnden Fußfechter, deren Mäntel ihn in immer größere Wut versetzten, oder auf einen anderen Pikador. Beim zweiten Anlauf gelang es ihm fast immer, bis zum Pferde vorzudringen, und dann bohrte er diesem seine spitzigen Hörner tief in den Leib. Glücklich für das gefolterte Tier, wenn der erste Stoß tödlich war; wehe ihm, wenn es nur eine klaffende Wunde bekam. Wenn auch ein Stier dem Pferde den Unterleib aufgeschlitzt hatte und die Gedärme herausquellen, ja, selbst auf der Erde nachschleppten, seine Marter war damit noch nicht beendet. Die Pikadores trieben es weiter dem Stier entgegen. Am ganzen Leibe zitternd, erwarteten die Pferde einen zweiten Angriff des wütenden Stieres, bis der Tod ihrer Qual ein Ende machte. Hingemartert brachen sie zusammen. Die Pikadores erschienen nach einiger Zeit auf einem neuen Pferde wieder auf dem Kampfplatz. Die verwundet zusammengebrochenen Pferde wurden nach der gemeinsamen Totenstätte gebracht. Dort wurden ihnen, während die Banderilleros den Stier auf einer andern Seite beschäftigten, die Sättel abgerissen. Wenn es anging, schlug, stieß, schob und zog man sie von neuem, um sie vom Platze zu bringen. Nur ein tot zusammengestürztes oder mehr als halbtotes Pferd ließ man ruhig auf der Walstatt liegen.
Bei jedem gut abgewiesenen Anlauf des Stieres spendeten die Zuschauer dem Pikador, bei jeder Verwundung eines Pferdes dem Stiere Beifall. Stimmen von empörender Gefühllosigkeit wurden laut: »Geh zum Krankenhaus, Pferd, und laß dich dort heilen! Sieh, Pferdchen, was für einen Stier du vor dir hast! Weißt du, mit wem du es zu tun hattest?« Rohes Gelächter begleitete solche Ausrufe. Je tiefer die Verwundung eines Pferdes war, desto stürmischer brauste der Beifall des Volkes. Mit wahrer Begeisterung aber begrüßte man die Niederlage eines Pikadors. Mehrmals wurde einer von diesen samt seinem Pferde vom Stier zu Boden geworfen. Einer stürzte mit dem Hinterkopf gegen die Holzwand, so daß er wie tot vom Platz getragen wurde, kam aber mit einer Ohnmacht und einer leichten Schramme davon. Ein zweiter erlitt eine Armverrenkung und wurde dadurch kampfunfähig. Den ersten Pikador würde der Stier ebenso wie sein Pferd getötet haben, wenn die Fußfechter nicht die Aufmerksamkeit des gereizten Tieres durch ihre Tücher auf sich gelenkt und es dadurch von ihm abgezogen hätten.
So dauerte der erste Gang des Gefechtes fünfzehn Minuten oder mehr, je nach der Wut des Stieres. Je mehr Pferde er tötete oder verwundete, desto mehr achtete man ihn. Die Pikadores kamen oft in Gefahr, wurden aber immer durch die Fußfechter befreit. Diese selbst retteten sich im Notfall durch ein rasches Überspringen der Umplankung. Ihre Gewandtheit, ihre Tollkühnheit waren bewunderungswürdig. Der eine Fechter faßte den Stier beim Schwanz und drehte sich mit ihm mehrere Male herum, ohne daß ihm das dadurch in Raserei versetzte Tier etwas anhaben konnte. Andere warfen dem Stier, wenn er sie fast mit den Hörnern erreicht hatte, geschwind das Tuch über die Augen und gewannen so Zeit zur Flucht.
Nachdem der Stier genug Pikenstiche empfangen hatte, gab ein Trompetenstoß das Zeichen zum Beginn des zweiten Ganges. Jetzt nahmen einige Fußfechter die Banderillas zur Hand, starke, fünfundsiebzig Zentimeter lange Holzstöcke, die vorn eine eiserne Spitze mit Widerhaken haben. Jeder Banderillero ergreift zwei dieser Quälwerkzeuge, reizt den Stier und stößt ihm, sobald er auf ihn zustürzt, beide Banderillas gekreuzt in den Nacken.
Vergeblich versuchte der Stier sie abzuschütteln, und immer höher steigerte sich seine Wut. Im grimmigsten Zorn nahm er den zweiten und dritten Banderillero an. Jedesmal erhielt er neue Banderillas, ohne jemals den Mann erreichen zu können. Innerhalb von fünf Minuten war sein Nacken mit mehr als einem halben Dutzend Banderillas gespickt. Beim Schütteln schlugen sie klappernd aneinander und senkten sich langsam zu beiden Seiten herab, blieben aber stecken.
Ein neuer Trompetenstoß eröffnete den dritten Gang. Der erste Espada schritt auf den Alkalden zu, verneigte sich und brachte ein Hoch auf ihn und die Stadt aus. Dann nahm er ein rotes Tuch in die linke, die Espada in die rechte Hand, ordnete Tuch und Waffe und trat dem Stier entgegen. Er faßte den langen, spitzigen, zweischneidigen Degen so, daß die drei hinteren Finger im Bügel steckten, der Zeigefinger auf der Breitseite des Degens und der Daumen auf dem Handgriff lag. Das Tuch breitete er über einen Holzstock aus, an dessen Ende es durch eine Stahlspitze festgehalten wurde. Mit dem Tuch reizte er den Stier, bis dieser auf ihn losstürzte. Doch nur, wenn das Tier günstig anlief, versuchte er, ihm einen Stoß in den Nacken zu geben. Gewöhnlich ließ er den Stier mehrmals anlaufen, ehe er zustieß. Nach jedem Fehlstoß ließ der Mann die Espada stecken und bewaffnete sich mit einer anderen, während der Stier die erste durch ein Schütteln abwarf. Wenn der Stoß gut gezielt war, senkte sich der Degen bis zum Heft in die Brusthöhle und kam gewöhnlich unten wieder zum Vorschein.
Sofort nach dem tödlichen Stoß blieb der Stier regungslos stehen. Ein Blutstrom quoll ihm aus Maul und Nase. Er ging einige Schritte vorwärts und brach zusammen. Nunmehr näherte sich der Matador, stieß dem Sterbenden einen breiten Abfänger ins Genick und zog die Bandrose aus dem Nacken.
Beifallsgebrüll der Zuschauer vermischte sich mit rauschender Musik. Die breite Pforte öffnete sich, um das Gespann der Maultiere einzulassen, die den Stier an einem um die Hörner gewundenen Strick hinausschleiften. Dann wurden ebenso die gefallenen Pferde fortgeschafft und die Blutlachen mit Sand bestreut.
Ein zweiter, dritter, sechster Stier erschien auf dem Kampfplatz. Der Gang des Gefechtes war immer derselbe, nur daß der eine Stier mehr, der andere weniger Pferde tötete, daß dieser erst beim zehnten, jener schon beim ersten Degenstoß zu Boden fiel. Bei einem solchen Heldenstück wollte das Brüllen der Zuschauer kein Ende finden. Der Espada selbst schnitt sich stolz ein Stück von der Haut des Tieres ab und warf es jubelnd in die Luft. In den Zwischenpausen spielte die Musik oder brüllten die Zuschauer.
Nach sechs Uhr war das Schauspiel beendet. Auf blutgetränktem Bett lagen zwanzig getötete Pferde und der letzte der Stiere. Die übrigen hatte man fortgeschafft. Zehn oder zwölf mit Ochsen bespannte Karren hielten auf dem Platz, um die Mähren wegzuschaffen. Einzelne Pferde lebten noch, ohne daß sich eine mitleidige Hand gefunden hätte, ihrem Dasein ein Ende zu machen. Man schnitt ihnen unbekümmert um ihre Zuckungen Mähnen und Schwänze ab, lud die Tiere auf und überließ es ihnen zu sterben, wo und wann sie wollten.
Die Leidenschaft, mit der die Spanier den Stiergefechten beiwohnten, war unglaublich groß.
Brehms Weltreisen zwischen Nordkap und Äquator
Von ihm selbst erzählt
Hrg. H. Bode
Bibliographisches Institut Mannheim 1956