1845 - Ida Pfeiffer
Eisenbergwerk Dannemora
Schweden
13. September. Um vier Uhr morgens verließ ich Uppsala, um nach dem weltberühmten Eisenbergwerk Dannemora zu fahren, welches 7 Meilen von hier entfernt ist. Ich fuhr so zeitlich aus, um ja gewiß vor 12 Uhr mittags einzutreffen, da um diese Stunde in den Gruben gesprengt wird, und selbe dann geschlossen werden. Man sagte mir schon, wie langsam das Reisen auch in diesem Land vonstatten gehe, wie lange man überall durch das Wechseln der Pferde aufgehalten werde, und so mußte ich viel Zeit vor mir haben, um zu rechter Zeit an Ort und Stelle gelangen zu können.
Ungefähr eine halbe Meile hinter Uppsala liegt Alt-Uppsala (Gamla-Uppsala). Ich sah nur im Vorüberfahren die alte Kirche und die Grabeshügel, von welchen drei ganz besonders groß, die anderen kleiner sind. Man vermutet, daß diese Hügel die Leichname schwedischer Könige bergen. - Ich sah ähnliche Hügel - Tumuli - auf meiner Reise in Griechenland, und zwar an der Stelle, wo Troja gestanden sein soll. - Die Kirche wird nicht als Ruine geehrt; sie muß noch immer Dienste leisten, und ich sah mit Wehmut an diesem altersgrauen Gebäude manche Stelle untermauert und mit frischem Kalk übertüncht.
Auf dem halben Wege zwischen Uppsala und Dannemora liegt ein großes Schloß, das sich aber weder durch eine besondere Bauart, noch durch eine reizende Lage oder sonst irgend etwas auszeichnet. - Endlich sieht man den Fluß Fyris und den bedeutend langen See Dannemora. Beide sind ganz mit Schilf und Gras überwachsen und haben flache, einförmige Ufer. Überhaupt bietet die ganze Reise sehr wenig Abwechslung; man bleibt fortwährend in einer Ebene und sieht nur Felder, Waldungen und Felsblöcke. Letztere sind noch das Interessanteste, weil man nicht begreifen kann, wie sie eigentlich hierher kamen. Berge und Hügel sind nämlich weit entfemt und die Ebene selbst hat durchaus keinen felsigen Boden.
Das Örtchen Dannemora liegt mitten im Wald und besteht nur aus einer kleinen Kirche und einigen größeren und kleineren, zerstreut liegenden Häusern. Bevor man das Örtchen erreicht, ahnt man schon die Nähe der Gruben. Große, mächtige Anschichtungen von Steinen, welche fortwährend aus den Gruben geschafft werden, decken bedeutende Räume. Pferde sind beschäftigt, große Räder zu treiben, und Maschinen, Schleifen, Seile und dergleichen mehr sieht man überall gezogen.
Ich war glücklich zu rechter Zeit gekommen und konnte den Sprengungen noch beiwohnen. - Am interessantesten sind sie in der großen Grube, deren obere Öffnung so außerordentlich groß ist, daß man, um die Menschen in der Tiefe arbeiten und schaffen zu sehen, gar nicht nötig hat hinabzusteigen; - man sieht alles von oben. Es ist dies ein unbeschreiblich schöner, einziger Anblick. Wie ein Bild der Unterwelt erscheint der 480 Fuß tiefe Schlund. Man sieht kolossale Tore und Eingänge, die in die Stollen führen, sowie Felsbrücken, Vorsprünge, Bögen und Höhlen, die sich an den Wänden bilden und bis an die Oberwelt reichen. - Die Menschen erscheinen da unten gleich beweglichen Püppchen; - man ist kaum imstande, ihren Bewegungen zu folgen, und muß erst das Auge an die Tiefe und an die unten herrschende Dämmerung gewöhnen. Letztere ist jedoch nicht sehr bedeutend, ich konnte sogar mehrere Leitern unterscheiden, die mir wie Kinderspielzeug vorkamen.
Es war schon nahe 12 Uhr und die Arbeitsleute verließen die Gruben, nur jene blieben zurück, die mit den Minen zu tun hatten. - Das Heraufziehen geschieht hier mittels kleiner Tonnen, die an Stricken hängen und durch eine Winde gehoben werden. Es sieht wirklich schauerlich aus, die Menschen auf einem so kleinen Fahrzeug heraufschweben zu sehen, besonders da oft zwei bis drei Arbeiter in einer Tonne beisammen sind, von welchen der eine in der Mitte steht, während die beiden andern auf den Rändern reitend sitzen.
Ich hätte mich gerne in die große Grube hinabgelassen, allein für heute war es schon zu spät und bis an den andern Tag wollte ich nicht warten. Das Hinablassen hätte ich nicht gefürchtet, indem ich mit derlei Fahrten schon von früheren Zeiten her vertraut war. Ich hatte nämlich vor mehreren Jahren die berühmten Salzbergwerke von Wieliczka und Bochnia in Galizien besucht und mich in beide an einfachen Selen, also auf eine gefährlichere Art, als solches hier mit der Tonne geschieht, hinabgelassen.
Mit Schlag 12 Uhr wurden an vier Minen in der großen Grube Lunten gelegt. Der Mann, der dies tat, lief hierauf mit größter Eile davon und verbarg sich hinter einer Steinwand. - Nach einigen Minuten sah man das Pulver aufblitzen und einige Steine in die Höhe fliegen, dann hörte man von allen Seiten ein fürchterliches Gekrache und zum Schluß das Rollen und Fallen der gesprengten Massen. Mehrfache, kräftige Wiederholungen des Echos verkündeten die schreckliche Explosion im Innern des Bergwerkes. Der Eindruck, den dies alles hervorbrachte, war ein wahrhaft schauerlicher. - Kaum daß noch die erste Mine ausgetobt hatte, fing schon die zweite, dritte usw. an. - Dergleichen Minen werden täglich in verschiedenen Gruben gelegt.
Die anderen Gruben sind noch tiefer, die tiefste hat 600 Fuß; aber ihre Öffnungen sind kleiner und gehen auch nicht immer senkrecht hinab, wodurch sich der Blick dann in der Finsternis verliert, was einen gar unheimlichen Eindruck macht. Mit beklommener Brust starrt man in diese dunklen Räume und sucht vergebens, etwas unterscheiden zu können. - Ich möchte um keinen Preis Bergmann sein; abgeschieden von dem Tag, von der Sonne, könnte ich das Leben kaum ertragen. - Ich wandte meinen Blick ab von den finsteren Gruben und warf ihn freudig auf die liebliche Landschaft, die im hellen Sonnenlichte erglänzte.
Noch denselben Tag kehrte ich nach Uppsala zurück.
Pfeiffer, Ida
Nordlandfahrt - Eine Reise nach Skandinavien und Island im Jahre 1845
Hrg. von Gabriele Habinger
Wien (Promedia) 1991
Originalausgabe: Reise nach dem skandinavischen Norden und Island im Jahre 1845
Pest 1846, 2 Bände