Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1821 - Jeremias Gotthelf, Student aus der Schweiz
Hamburg

 

Am folgenden Morgen zogen wir zusammen aus, die Stadt in Augenschein zu nehmen und die berühmten Gebäude zu besehen, vor allem die Börse, die nicht weit von unserm Gasthof liegen sollte. Nachdem wir eine gute Stunde lang von einem Gäßchen ins andere gewiesen, danach herumgelaufen waren, glaubten wir in einem großen Gebäude sie gefunden zu haben, irrten uns aber sehr, wie wir nachher sahen. Wer Hamburg eine schöne Stadt nennt, dem kann ich keineswegs beistimmen, sie besteht aus hohen, aber nicht schönen Häusern, die außerordentlich enge ineinander gebaut sind, daß man nicht begreift, wie in solchem Umfange der Stadt eine solche Menschenmenge wohnen kann. Die Straßen sind meist eng und schmutzig (freilich regnete es beständig), mehr Gäßlein als Straßen, so daß man oft nicht weiß, wie Wagen ausbeugen. Auch die Kanäle, wodurch die Alster in die Elbe abfließt, haben etwas Trauriges und Ekelerregendes. Nach langem Wandern kamen wir auf den bekannten Jungfernstieg, der an dem Becken der Alster liegt, das dieser aus dem Holstein kommende Fluß auf der Nordseite der Stadt bildet. Hier sind die schönsten Gebäude, am lieblichsten schien mir hier zu wohnen. Aber nicht, daß dieser Spaziergang so schön wäre, als er berühmt ist; die Bäume scheinen kaum zehn Jahr alt, bilden, glaub ich, drei Reihen und bilden zwei kaum dreihundert Schritt lange Alleen. Das Angenehmste hier sind zwei Pavillons, unter denen eins das Schweizerhäuschen heißt, in dem man nicht rauchen darf, weil auch Damen hingehen.

 

Gotthelf, Jeremias
Reisebericht 1821
Erlenbach-Zürich 1953

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