1789 - Nikolai Michailowitsch Karamsin, russischer Bildungsreisender
Der Buchhandel in Leipzig
Fast auf jeder Straße findet man mehrere Buchläden, und doch werden die Leipziger Buchhändler reich, worüber ich mich wundere. Zwar sind viele Gelehrte hier, die Bücher brauchen; aber dies sind größtenteils Schriftsteller oder Übersetzer, die den Buchhändler, wenn sie sich eine Bibliothek anschaffen, nicht mit Geld, sondern mit Manuskripten bezahlen. Überdies gibt es in jeder deutschen Stadt von einiger Bedeutung öffentliche Lesebibliotheken, aus welchen man für geringes Geld Bücher aller Arten zum Lesen erhalten kann.
Aus ganz Deutschland versammeln sich hier die Buchhändler auf den Messen, deren jährlich drei gehalten werden, nämlich zum Neujahr, zu Ostern und zu Michaelis, um ihre neuen Verlagsartikel gegeneinander zu vertauschen. Für ehrlos werden diejenigen unter ihnen gehalten, die in ihren Druckereien fremde Bücher nachdrucken und dadurch den rechtmäßigen Verlegern, die das Manuskript von den Verfasser kauften, Schaden verursachen. Deutschland, wo der Buchhandel so wichtig ist, bedarf über diesen Punkt besonderer und strenger Gesetze. Vielleicht wünscht Ihr zu wissen, wie die Schriftsteller von den Buchhändlern bezahlt werden? Dies kommt auf die Berühmtheit des Verfassers an. Ist er dem Publikum noch nicht von einer vorteilhaften Seite bekannt, so erhält er für den Bogen kaum mehr als zwei Taler; hat er aber schon einen gewissen Ruf, so wird ihm der Bogen wohl mit acht bis zehn Talern bezahlt.
Karamsin, Nikolai Michailowitsch
Briefe eines russischen Reisenden
Band 2, Leipzig 1802