1774 - Georg Forster
Mit James Cook auf der Osterinsel
Unerachtet wir der Stelle gegenüber, von wo das Canot abgegangen war, so liefen wir doch, in Hoffnung, noch bessern Ankergrund zu finden, noch weiter längs der Küste und bis an die nördliche Spitze derselben hin, die wir gestern, wiewohl von der andern Seite, gesehen hatten. Die Hoffnung aber, hier eine bequemere zu finden, schlug uns fehl, und also kehrten wir nach dem vorgedachten Platze wieder zurück. An dem Ufer sah man eine Menge schwarzer Säulen oder Pfeiler, die zum Theil auf Plattformen errichtet waren, welche aus verschiedenen Lagen von Steinen bestanden. Wir konnten nun an diesen Säulen nachgerade so viel unterscheiden, daß sie am obern Ende eine Ähnlichkeit mit dem Kopfe und den Schultern eines Menschen hatten; der untere Theil aber schien blos ein roher unbearbeiteter Steinblock zu sein. Von angebauten Ländereien bemerkten wir hier am nördlichen Ende der Insel nur wenig, denn das Land war in dieser Gegend steiler als nach der Mitte der Insel hin. Auch sahen wir nunmehr ganz deutlich, daß auf der ganzen Insel kein einziger Baum über 10 Fuß hoch war.
Nachmittags setzten wir ein Boot aus, in welchem der Lootse ans Land gehen sollte, um die Rhede zu sondiren, von wo das Canot zu uns gekommen war. Sobald die Einwohner unser Boot vom Schiff abrudern sahen, versammelten sie sich am Ufer, in der Gegend, nach welcher unsre Leute zu steuern schienen. Der größte Theil der Indianer war nackt, nur einige wenige hatten sich in Zeug von schöner hellgelber oder vielmehr Orangefarbe gekleidet, und diese mußten unserm Bedünken nach die Vornehmen der Nation sein. Nunmehr konnten wir auch ihre Häuser bereits unterscheiden. Sie waren dem Anschein nach ungemein niedrig, aber lang; in der Mitte hoch und gegen beide Seiten schräg ablaufend, so daß sie der Form nach einem umgekehrten Canot nicht unähnlich sahen. In der Mitte schienen sie eine kleine Öffnung oder Thür zu haben, die aber so niedrig war, daß ein Mann von gewöhnlicher Größe sich bücken mußte, um hinein zu kommen. Gegen Abend gingen wir an der südwestlichen Seite der Insel vor Anker, woselbst wir vierzig Faden Tiefe und einen guten Kiesgrund hatten. Bald nachher kam der Lootse von seiner Expedition zurück und brachte einen der Eingeborenen mit an Bord. Dieser Kerl war ohne Ceremonie oder Einladung dreist ins Boot gesprungen, als es dicht am Ufer lag, und hatte sogleich Verlangen geäußert, ans Schiff gebracht zu werden. Es war von kastanienbrauner Farbe und mittler Statur, ungefähr fünf Fuß acht Zoll groß und auf der Brust und über den ganzen Leib merklich haarig. Der Bart und das Haupthaar waren in gleichem Verhältnis stark, beides von schwarzer Farbe und ersterer gestutzt. Er hatte so lange Ohrlappen, daß sie ihm fast bis auf die Schultern herabhingen, und seine Schenkel waren felderweise oder nach würfelförmigen Figuren und in einem Geschmack punktirt, dergleichen wir sonst noch nirgends bemerkt hatten. Statt aller übrigen Bekleidung trug er blos einen Gürtel um den Leib, woran vorn ein Netzwerk herabhing, das aber nichts bedeckte. Um den Hals hatte er eine breite Schnur, an welcher vorn auf der Brust ein breiter und ungefähr fünf Zoll langer Knochen befestigt war, der die Figur einer Zunge darstellen sollte. Er erzählte uns, dieser Knoche sei von einem Meerschwein, Ivi toharra, welcher Name in der tahitischen Sprache gerade eben so lautet. Um sich noch deutlicher zu erklären, nannte er diesen Brustzierrath auch Ivi-ika, welches, wie wir wohl verstanden, einen Fischknochen bedeutet. Sobald er sich im Boote niedergesetzt, gab er durch sehr vernehmliche Zeichen zu verstehen, daß ihn friere. Herr Gilbert, der Lootse, gab ihm also eine Jacke und setzte ihm einen Hut auf; in diesem Staate erschien er bei uns auf den Schiffe. Der Capitain und die Passagiere schenkten ihm Nägel, Medaillen und Korallenschnüre: Letztere verlangte er um den Kopf gewunden zu haben: Anfänglich war er etwas furchtsam und mißtrauisch, denn er fragte, ob wir ihn als Feind umbringen würden (Mattetoa?). Da wir ihm aber gute Begegnung versprachen, so schien er völlig beruhigt und sicher zu sein und redete von nichts als Tanzen (Hiva). Anfänglich kostete es uns einige Mühe, seine Sprache zu verstehen; als wir ihn aber fragte, wie er die Hauptglieder des Leibes nannte, fand sich bald, daß es eben die Mundart sei, welche auf den Societäts-Inseln geredet wird, denn die Namen der Gliedmaßen lauteten hier eben so als dort. Wenn wir ein Wort sagten, das er nicht verstand, so wiederholte ers oft, und mit einem Blick, der sehr lebhaft ausdrückte, daß er nicht wisse, was wir damit meinten.
Bei herannahender Nacht gab er uns zu verstehen, daß er schlafen wolle und daß ihn friere. Mein Vater gab ihm also ein großes Stück von dem gröbsten tahitischen Zeuge. Darin wickelte er sich ein und sagt, daß er nun völlig warm sei. Man brachte ihn in des Lootsen Cajüte, wo er sich auf einen Tisch niederlegte und die ganze Nacht sehr ruhig schlief. Maheine [von der polynesischen Insel Raiatea], der schon ungeduldig darüber war, daß er noch nicht an Land hatte gehen können, freute sich ungemein, daß die Leute eine Sprache redeten, die der seinigen ähnlich war. Er hatte schon verschiedene Male versucht, sich mit unserm Gast in Unterredung einzulassen, er war aber noch immer durch so viel andere Fragen daran gehindert worden.
In der Nacht riß der Anker aus und das Schiff trieb fort, daher wir die Segel wieder aufsetzen mußten, um unseren vorherigen Ankerplatz wieder zu erreichen. Gleich nach dem Frühstück ging der Capitain mit dem Wilden, der Maruwahai hieß, ingleichen mit Maheinen, meinem Vater, Dr Sparrmann und mir ans Land. Mir waren Beine und Schenkel so dick geschwollen, daß ich fast gar nicht gehen konnte. Wir fanden hier eine gute Bucht, die für Boote tief genug und am Landungsplatz durch Klippen gegen die berghohen Wellen gedeckt war, welche an den übrigen Stellen der Küste gewaltig gegen das Ufer anschlugen. Ungefähr hundert bis hundertfünfzig Einwohner hatten sich in dieser Gegend versammelt. Sie waren fast alle nackend, doch trugen einige einen Gürtel um den Leib, von welchem ein Stückchen Zeug, sechs bis acht Zoll lang, oder auch ein kleines Netz herabhing. Etliche wenige hatten Mäntel, welche bis auf die Knie reichten. Das Zeug dazu war von derselben Art als das tahitische, aber, um solches dauerhafter zu machen, mit Zwirn gesteppt oder durchnäht und mehrentheils mit Curkumawurzel gelb gefärbt.
Die Leute ließen uns ruhig ans Land steigen und machten überhaupt nicht die mindeste unfreundliche Bewegung; sondern fürchteten sich vielmehr vor unserm Feuergewehr, dessen tödtliche Wirkung ihnen bekannt zu sein schien. Sie waren größtentheils unbewaffnet; doch führten einige unter ihnen Lanzen oder Speere, von unförmlich und höckerig gewachsenem Holz gemacht und mit einem scharfen, dreieckigen Stück schwarzer Glaslava (pumex vitreus Linnaei) zu gespitzt. Einer hatte eine Streitkolbe, die aus einem Stück Holz verfertigt, drei Fuß lang und an einem Ende mit Schnitzwerk verziert war, und ein paar andre hielten kurze, hölzerne Keulen in der Hand, die den Neu-Seeländischen Pattu-Pattus [Streitäxten] von Fischknochen völlig ähnlich sahen. Mitunter hatte einer einen europäischen Hut, ein anderer eine dergleichen Mütze, dieser ein gestreiftes baumwollnes Schnupftuch, jener eine alte, zerrissne Jacke von blauen, wollnen Zeuge an; alles unstreitige Denkmäler oder Überbleibsel von der letzten Anwesenheit der Spanier, die im Jahre 1770 hier gewesen waren. Übrigens konnte man es den Eingeborenen in aller Hinsicht ansehen, daß ihr Land armselig sein müsse. Sie waren von Gestalt kleiner als die Neu-Seeländer und als die Einwohner der Societäts- und freundschaftlichen Inseln, ja wir fanden nicht einen einzigen unter ihnen, den man hätte groß nennen können. Dabei waren sie mager und schmaler von Gesicht als die übrigen Bewohner der Südsee zu sein pflegen. Ihr Mangel an Kleidung und die Begierde nach unseren Waaren, ohne daß sie uns dafür wieder etwas angeboten hätten, waren zusammengenommen hinreichende Merkmale ihrer Armseligkeit. Sie waren durchgehends über den ganzen Leib sehr stark punktiert, vornehmlich aber im Gesicht. Ihre Frauenspersonen, die sehr klein und zart gebauet waren, hatten auch Punkturen im Gesicht, die an Gestalt den Schönpflästerchen unserer Damen glichen. Doch befanden sich unter dem ganzen hier versammelten Haufen nicht über zehn bis zwölf Frauensleute. Sie waren gemeiniglich mit ihrer natürlichen, hellbraunen Farbe nicht zufrieden, sondern hatten sich noch das ganze Gesicht mit rothbraunem Röthel überschmiert, über dem dann das schöne Orangeroth der Curkumawurzel gesetzt war; zum Theil hatten sie sie sich auch das Gesicht mit zierlichen Streifen von weißem Muschelkalk verschönert. Die Kunst, sich anzumahlen, ist also nicht blos auf die Damen eingeschränkt, welche das Glück haben, die französischen Moden nachzuahmen. Die Weiber waren alle in Zeug gekleidet, aber so sparsam, daß es in Vergleichung mit den vollständigen und verschwenderischen Trachten, die in Tahiti Mode waren, hier ungleich seltner zu sein schien.
Männer und Weiber hatten hagere Gesichtsbildungen, doch war nichts wildes in ihren Zügen; dagegen hatte die brennende Sonnenhitze, für welche man in diesem kahlen Lande fast nirgends Schatten findet, bei verschiedenen eine wiedernatürliche Verzerrung des Gesichts zuwege gebracht, indem die Augenbrauen zusammen und die Muskeln vom Untertheil des Gesichts gegen die Augen heraufgezogen waren. Die Nasen sind nicht breit, zwischen den Augen aber ziemlich flach. Die Lippen stark, aber nicht so dick als bei den Negern. Das Haar ist schwarz und kräuselt sich, aber durchgehends verschnitten und nie über drei Zoll lang. Ihre Augen sind schwarzbraun und klein und das Weiße in denselben ist nicht so hell als bei den andern Völkern der Südsee. Daß sie lange Ohren und in den Ohrläppchen ungewöhnlich große Löcher haben, ist bereits erwähnt. Um letztere so groß zu machen, bedienten sie sich eines Blattes von Zuckerrohr, das aufgerollt hindurchgesteckt war und vermöge seiner eigenthümlichen Elasticität den Einschnitt im Ohre beständig aufgespannt hielt.
Die unerträgliche Sonnenhitze hat sie genöthigt, auf allerhand Mittel zu denken, um den Kopf dagegen zu schützen. In dieser Absicht trugen die Männer zum Theil einen zwei Zoll dicken Ring von stark und künstlich geflochtnem Grase um den Kopf, der rund umher mit einer Menge langer, schwarzer Federn vom Halse des Fregattenvogels besteckt war. Andere hatten große, buschige Mützen von braunen Mewenfedern, die fast eben so dick waren als die großen Doctorperrücken des vorigen Jahrhunderts. Noch andere hatten einen bloßen hölzernen Reif um den Kopf, in welchem eine große Anzahl langer, weißer Federn von der Solandgans befestigt waren, die bei dem geringsten Lüftchen hin und her schwankten und auf diese Art den Kopf nicht nur vor der Sonne schützten, sondern zugleich kühl erhielten. Die Frauenspersonen trugen einen weiten Hut von artigem Mattenwerk. Vorn war er spitz; die Vertiefung für den Kopf aber war nicht wie bei unserem Hute rund und oben platt, sondern länglich und von beiden Seiten nach oben hin schräg zusammenlaufend und hinten fielen zwei einzelne Krempen herab, welche vermuthlich die Schultern schützen sollten. Diese Hüte fanden wir ungemein kühlend. Herr Hodges zeichnete eine Frauensperson mit einem solchen Hute und eine Mannsperson mit einer von den vorbeschriebenen Kopftrachten. Sie sind beide ungemein charakteristisch ausgefallen und sehr gut in Kupfer gestochen worden. Die einzigen Zierrathen, die wir bei diesen Leuten antrafen, bestanden in dem zungenförmigen Stück Kochen, welches Männer und Weiber auf der Brust trugen und nächst diesem in Halbändern und Ohrringen von Muschelschaalen.
Nachdem wir eine Weile am Strande bei den Eingebornen geblieben waren, so gingen wir tiefer ins Land hinauf. Der ganze Boden war mit Felsen und Steinen von verschiedener Größe bedeckt, die alle ein schwarzes, verbranntes, schwammiges Ansehen hatten und folglich einem heftigen Feuer ausgesetzt gewesen sein mußten. Zwei bis drei Grasarten wuchsen zwischen diesen Steinen kümmerlich auf und milderten einigermaßen, ob sie gleich schon halb vertrocknet waren, das verwüstete, öde Ansehn des Landes: Ungefähr fünfzehn Schritte vom Landungsplatz sahen wir eine Mauer von viereckigen, gehauenen Steinen, davon jeder anderthalb bis zwei Fuß lang und einen Fuß breit war. In der Mitte betrug die Höhe ungefähr sieben bis acht Fuß, an beiden Enden aber war sie niedriger und überhaupt ungefähr zwanzig Schritte lang. Das Sonderbarste war die Verbindung dieser Steine, die so künstlich gelegt und so genau ineinander gepaßt waren, daß sie ein ungemein dauerhaftes Stück von Architektur ausmachten. Der Stein, woraus sie gehauen, ist nicht sonderlich hart, sondern nur eine schwarzbraune, schwammige, spröde Steinlava. Der Boden lief von der Küste immer bergauf, dergestalt, daß eine zweite Mauer, welche parallel mit dieser und zwölf Schritte weiter hinauf lag, nur zwei bis drei Fuß hoch sein durfte, um in dem Zwischenraum eine Art von Terrasse zu formiren, auf welcher das Erdreich eine ebene Fläche ausmachte, die mit Gras bewachsen war.
Fünfzig Schritt weiter gegen Süden fanden wir einen andern erhabnen Platz, dessen Oberfläche mit eben solch viereckigen Steinen gepflastert war, als man zum Mauerwerk gebraucht hatte. In der Mitte dieses Platzes stand eine steinerne Säule, aus einem Stück, die eine Menschenfigur, bis auf die Hüften abgebildet, vorstellen sollte und zwanzig Fuß hoch und fünf Fuß dick war. Diese Figur war schlecht gearbeitet und bewies, daß die Bildhauerkunst hier noch in der ersten Kindheit sei. Augen, Nase und Mund waren an dem plumpen, ungestalten Kopfe kaum angedeutet. Die Ohren waren nach Landessitte ungeheuer lang und besser als das übrige gearbeitet, ob sich gleich ein europäischer Künstler derselben geschämt haben würde. Den Hals fanden wir unförmig und kurz, Schultern und Arme aber nur wenig angedeutet. Auf dem Kopfe war ein hoher, runder cylindrischer Stein aufgerichtet, der über fünf Fuß im Durchschnitt und in der Höhe hatte. Dieser Aufsatz, der dem Kopfputz einiger egyptischen Gottheiten gleich sah, bestand aus einer anderen Steinart, denn er war von röthlicher Farbe; auch war an dessen beiden Seiten ein Loch zu sehen, als hätte man ihm seine runde Form durch ein Dreh- oder Schleifwerk gegeben. Der Kopf nebst dem Aufsatz machte die Hälfte der ganzen Säule aus, so weit sie über der Erde sichtbar war. Wir merkten übrigens nicht, daß die Insulaner diesen Pfeilern, Säulen oder Statuen einige Verehrung erwiesen hätten; doch mußten sie wenigstens Achtung dafür haben, denn es schien ihnen manchmal ganz unangenehm zu sein, wenn wie über den gepflasterten Fußboden oder das Fußgestell gingen und die Steinart untersuchten, wovon sie gemacht waren.
Einige von den Insulanern begleiteten uns weiter ins Land nach einem kleinen Gebüsche hin, woselbst wir im Pflanzenreich etwas neues anzutreffen hofften. Der Weg war ungemein rauh, er ging über lauter vulcanische Steine, die unter den Füßen wegrollten und an die wir uns bei jedem Schritte stießen. Die Eingebornem hingegen, die daran gewöhnt waren, hüpften ohne einige Schwierigkeit von Stein zu Stein. Unterwegens erblickten wir etliche schwarze Ratten, die auf allen Inseln der Südsee anzutreffen sind. Das Gebüsch, um dessentwillen wir diese Wanderung unternommen, bestand aus einer kleinen Pflanzung von Papier-Maulbeerbäumen, aus deren Rinde hier, sowie auf Tahiti, das Zeug zur Kleidung gemacht wird. Die Stämme waren zwei bis vier Fuß hoch und zwischen großen Felsen, woselbst der Regen, ein wenig Erde angeschlemmt hatte, ordentlich in Reihen angepflanzt. Nicht weit von hier standen auch einige Büsche vom Hibiscus populneus Linnaei, der in allen Südseeinseln angetroffen und von den Einwohnern zum Gelbfärben gebraucht wird. Endlich gab es an diesem Fleck noch eine Mimosa, welches das einzige Gewächs ist, das den Einwohnern Holz zu ihren Keulen, Pattu-Pattus, und kümmerlich zusammengeflickten Canots liefert.
Je weiter wir ins Land kamen, desto kahler und unfruchtbarer fanden wir den Boden. Das kleine Häufchen von Einwohnern, die uns am Landungsplatze entgegen gekommen, schien der Hauptstamm des ganzen Volkes gewesen zu sein, denn unterwegens hatten wir nicht einen einzigen Menschen zu Gesicht bekommen; auch waren in der ganzen großen Gegend, die wir überschauen konnten, nicht mehr als zehn bis zwölf Hütten zu sehen. Eine der stattlichsten war auf einem kleinen Hügel erbauet, der ungefähr eine halbe Meile weit von der See lag. Die Neugier trieb uns danach hin, allein es war eine elende Wohnung, die von der Armuth ihrer Eigenthümer zeugte. Das Fundament bestand aus Steinen, die in einer Länge von zwölf Fuß und in zwei gegeneinander laufenden, krummen Linien, flach auf den Boden gelegt waren. In der Mitte, wo sich die größte Krümmung befand, lagen die beiden Reihen Grundsteine, ungefähr sechs Fuß, an den äußersten Enden hingegen kaum einen einzigen Fuß breit eine von der andern. In jedem dieser Steine bemerkten wir ein bis zwei Löcher, worin Stangen gesteckt waren. Die mittelsten Stangen waren sechs Fuß hoch, die andern aber wurden nach beiden Seiten hin immer kürzer, so daß die letzten nur zwei Fuß Höhe hatten. Oben neigten sich alle diese Stangen zusammen und waren an Querstangen gebunden, wodurch sie zusammengehalten wurden. Das Dach war aus dünnen Ruthen gitterförmig geflochten und außerhalb mit einer tüchtigen Matte von Zuckerrohrblättern belegt. Es ruhte auf den vorgedachten Stangen, die das Gerüst der Hütte ausmachten, reichte unterhalb bis ganz auf den Boden herab und lief oberwärts von beiden Seiten schräg in einem scharfen Winkel zusammen: Auf der einen Seite war eine Öffnung, die ungefähr 18 Zoll bis zwei Fuß hoch und durch ein vorspringendes Wetterdach gegen die Nässe geschützt war. Dies stellte die Thüre vor: Wer hinein oder heraus wollte, mußte auf allen Vieren kriechen. Auch dies ließen wir nicht unversucht, allein es war der Mühe nicht werth, denn das Innere der Hütte war platterdings leer und kahl. Man fand nicht einmal ein Bund Stroh darin, worauf man sich hätte legen können. Blos in der Mitte konnten wir aufrecht stehen, und außer dieser Unbequemlichkeit war es auch ganz und gar finster darin: Unsere indianischen Begleiter erzählten uns, daß sie die Nacht in diesen Hütten zubrächten; allein das muß ein elender Aufenthalt sein, zumal sie wegen der geringen Anzahl derselben gleichsam einer über dem andern liegen müssen, es sei denn, daß der gemeine Mann unter freiem Himmel schläft und diese erbärmlichen Wohnungen den Vornehmen überläßt, oder nur bei schlimmem Wetter dahin seine Zuflucht nimmt.
Außer diesen Hütten sahen wir auch etliche Steinhaufen, die an einer Seite ganz steil waren und daselbst eine Öffnung hatten, welche unter die Erde ging. Allem Anschein nach konnte der innere Raum nur sehr klein sein und dennoch ists zu vermuthen, daß auch diese Löcher des Nachts zum Obdach dienten. Vielleicht hängen sie aber mit natürlichen, unterirdischen Höhlen zusammen, deren es in vulcanischen Ländern, wo alte Lavaströme vorhanden sind, so viele gibt. Dergleichen Höhlen findet man in Island sehr häufig und noch bis jetzt sind sie dafür bekannt und berühmt, daß die ehemaligen Bewohner des Landes sich darin aufgehalten haben. Herr Ferber, der erste mineralogische Geschichtschreiber des Vesuvs, meldet unter andern, daß er eine solche Höhle unter den neuesten Laven angetroffen habe. Gern hätten wir dies genauer untersucht; die Einwohner wollten uns aber nie hineinlassen.
Eine Zuckerrohr- und Pisangpflanzung, die neben diesem Hause angelegt waren, standen dagegen in desto schönerer Ordnung, wo weit es der steinige Boden gestatten wollte. Um jede Pisangpflanze her war eine Vertiefung von zwölf Zolle gemacht, vermuthlich in der Absicht, daß der Regen da zusammenlaufen und die Pflanze desto feuchter stehen möchte. Das Zuckerrohr wuchs, so dürre auch das Land ist, neun bis zehn Fuß hoch und enthielt einen ungemein süßen Saft, den die Eingebornen uns sehr oft anboten, besonders wenn wir zu trinken verlangten. Der letztere Umstand brachte uns auf den Gedanken, daß es gar kein frisches Wasser auf der Insel geben müsse; als wir aber wieder nach dem Landungskatze zurückkamen, trafen wir den Capitain Cook bei einem Brunnen an, den ihm die Einwohner nachgewiesen hatten. Er lag nicht weit von der See und war tief in den Felsen gehauen, aber voll Unreinigkeiten. Als ihn unsere Leue gereinigt hatten, fanden sie das Wasser brackisch, gleichwohl tranken es die Einwohner mit großem Wohlgefallen.
Der Capitain war im Handel mit den Leuten nicht glücklich gewesen. Sie schienen keine Lebensmittel übrig zu haben. Ein paar Mattenkörbe mit süßen Kartoffeln, etwas Zuckerrohr, einige Klumpen Pisangs und zwei oder drei kleine, schon gar gemachte Hühner; das war alles, was er für etwas Eisengeräthschaften und tahitisches Zeug einzuhandeln im Stande gewesen war. Er hatte den Leuten Korallen geschenkt, welche sie aber immer mit Verachtung weit von sich geworfen, was sie hingegen von andern Sachen an und um uns sahen, verlangten sie zu haben, ob sie schon nichts wieder zu geben hatten. Während unserer Abwesenheit hatten sie sich im Landungsplatze ziemlich verlaufen und schienen nach ihren Wohnungen zum Mittagessen gegangen zu sein. Die Zahl der Weiber war im Verhältniß zu den Männern immer sehr gering. Bei unserer Landung sahen wir ihrer nicht über zwölf oder fünfzehn und jetzt waren nur noch sechs oder sieben zugegen. Sie waren weder zurückhaltend noch keusch, für ein Stückchen tahitisches Zeug hatten unsere Matrosen von ihnen was sie wollten. Ihre Gesichtszüge dünkten uns sanft genug, und der große, gespitzte Hut gab ihnen ein leichtfertiges, buhlerischen Ansehn.
Noch ehe es Mittag war, kehrten wir an Bord zurück und theilten die eingekauften Bäume, Früchte und Wurzeln, so weit sie reichen wollten, unter die Mannschaft aus, zur großen Stärkung unserer Kranken, die nach einer Erfrischung schmachteten. Wir kosteten auch von den Hühnern, die in grüne Blätter gewickelt, mit heißen Steinen, unter der Erde gar gemacht zu sein schienen, welche Art der Zurichtung in allen Inseln der Südsee, so viel wir deren bisher gefunden hatten, üblich ist. Die Kartoffeln waren goldgelb und so süß als gelbe Rüben, daher schmeckten sie auch nicht einem Jeden; doch waren sie nahrhaft und sehr antiscorbutisch. Der Saft aller hiesigen Gewächse schien durch die Hitze und die Trockenheit des Bodens ungemein concentrirt zu sein. Die Pisangs wurden in ihrer Art sehr vortrefflich gehalten und das Zuckerrohr war süßer als wirs in Tahiti gefunden hatten.
Nachmittags gingen wir wieder ans Land und in einem andern Boote ward ein Officier mit der nöthigen Mannschaft ans Land geschickt, um beim Brunnen die Wasserfässer füllen zu lassen. Wir trafen nur wenig Leute am Landungsplatze an, unter selbigen aber bemerkten wir einen, der ein gewisses Ansehn zu haben schien und sehr geschäftig war, den Capitain überall, wo er nur Lust bezeigte, hinzuführen. Er that nicht so scheu als seine Landsleute, sondern ging immer dreist neben uns, dahingegen die andern bei der geringsten ungewöhnlichen Bewegung stutzten und in Schrecken geriethen. Aber bei aller ihrer Furchtsamkeit leerten sie uns die Taschen aus und entwendeten, was ihnen sonst anstand. Wir waren noch keine halbe Stunde am Lande, als einer leise hinter den Maheine herschlich, ihm die schwarze Mütze, die er trug, schnell vom Kopfe riß und damit über den holprigen Boden voller Stein davonrannte, wohin keiner von uns nachzulaufen im Stande war. Maheine gerieht darüber in solches Schrecken, daß er erst eine ganze Weile nachher Worte finden konnte, es dem Capitain zu klagen; da war aber der Dieb schon über alle Berge. Um eben die Zeit saß Herr Hodges auf einer kleinen Anhöhe, um einen Prospect zu zeichnen und verlor auf gleiche Weise seinen Hut. Herr Wales stand mit einer Flinte neben ihm, war aber, wie billig, der Meinung, daß ein so geringes Verbrechen keine Kugel verdiene.
Indem wir an der Seeküste hinspazierten, fanden wir ein paar Stauden solches Sellerys, dergleichen auf dem Strande von Neu-Seeland so häufig wächst. Auch bemerkten wir ein paar andre kleine Pflanzen, die wir dort ebenfalls wahrgenommen hatten. Ob diese Kräuter hier einheimisch oder von Saamen aufgeschossen sein mögen, den die See hergeschwemmt oder die Vögel hergebracht, kann ich nicht entscheiden. Wir fanden auch ein Stück Land mit Yams bepflanzt (iscorae alata Linnaei) welches der armseligen Oster-Eiländischen Flora in unsern Augen einen großen Zuwachs gab.
Die Übereinstimmung, welche sich in den Gesichtszügen, den Gebräuchen und der Sprache dieses Volks mit den Einwohnern der andern Südseeinseln findet, machte uns Hoffnung, daß wir auch die Hausthiere hier finden würden, welche wir auf Tahiti und Neu-Seeland angetroffen. Allein des sorgfältigsten Nachsuchens unerachtet, fanden wir nichts als das gemeine Huhn, welches hier von sehr kleiner Art und von unansehnlichem Gefieder war. Zwar bemerkten wir auch zwei oder drei schwarze Meerschwalben (sterna stolida), die so zahm waren, daß sie den Einwohnern auf der Schulter saßen; es ließ sich aber daraus nicht schließen, daß sie eine ordentliche Zucht davon hätten.
Bei Untergang der Sonne verließen wir den Wasserplatz und gingen nach der Bucht, wo unser Boot vor Anker lag. Unterwegens kamen wir auf einen ebnen Platz, auf welchem die vorgeschriebne Säule aufgerichtet ist. Einige Einwohner, die uns noch begleiteten, winkten uns, daß wir auf dem Grase am Fuße und nicht über das Mauerwerk gehen sollten; da wir uns aber nicht dran kehrten, so hatten sie auch nichts dawider. Wir erkundigten uns bei einigen, die am verständigsten zu sein schienen, was diese Steine zu bedeuten hätten, und so viel wir aus ihrer Antwort schließen und errathen konnten, müssen es Denkmäler ihrer Eriki’s der Könige sein. Also ist das gemauerte Piedestal vermuthlich als der Begräbnisplatz anzusehn, und bei genauer Untersuchung fanden wir wirklich nicht weit davon eine Menge Menschengebeine, welches dann unsere Vermuthung bestätigte. Die Länge der Knochen paßte zu Körpern mittlerer Länge, und ein Schenkelbein, das wir maßen, kam genau mit dem Maß desselbigen Knochens an einer Person überein, die ungefähr 5 Fuß neun Zoll lang war. An der Westseite der Bucht standen drei Säulen auf einem sehr breiten und erhöhten Postament in einer Reihe aufgerichtet. Diese Reihe nannten die Einwohner Hanga-roa. Die vorerwähnte einzelne Säule aber hießen Sie Obina. Nahe bei diesen Pfeilern saßen zehn oder zwölf von den Einwohnern um ein kleines Feuer, an welchem sie ein paar Kartoffeln brateten. Dies war ihr Abendessen, und sie boten uns, als wir vorbei gingen, etwas davon an. In einem so armseligen Lande war uns diese Gastfreiheit unerwartet. Man vergleiche sie einmal mit den Gebräuchen der civilisirten Völker, die sich fast aller Empfindungen gegen ihren Nebenmenschen zu entledigen gewußt haben! Übrigens war es uns sehr angenehm, bei dieser Gelegenheit augenscheinlich überzeugt zu werden, daß die Vermuthung der Holländer, wegen solcher Feuer, ungegründet gewesen, denn wir fanden nicht den geringsten Grund, diese Feuer für eine religiöse Ceremonie anzusehn. Mit einem kleinen Vorrath von Kartoffeln, den wir eingekauft und ungefähr sechs oder sieben bekannten Pflanzen, die wir gesammelt, kehrten wir nun an Bord zurück. Den scorbutischen Patienten bekam unser Spaziergang ungemein wohl und besser denn jedem andern. Ich für meine Person, der ich am Morgen noch geschwollne Beine hatte und kaum darauf stehen konnte, befand mich heute Abend schon weit besser. Die Geschwulst hatte sich etwas gelegt und die Schmerzen waren gänzlich verschwunden. Diese schleunige Besserung mußte ich einzig und allein der Bewegung zuschreiben, vielleicht hatten auch die antiscorbutischen Ausdünstungen des Landes mitgewirkt, denn wie man sagt, sollen die schon allein hinreichend sein, diejenigen wieder gesund zu machen, die sich durch langen Aufenthalt auf der See den Scorbut zugezogen haben.
Früh am folgenden Morgen beorderte Capitain Cook die Lieutenants Pickergill und Edgecumbe mit einer Partei Seesoldaten und Matrosen, das Innere des Landes zu untersuchen, um wo möglich zu erfahren, ob es in irgend einer andern Gegend besser angebauet und stärker bewohnt wäre. Herr Wales und Hodges, Dr. Sparrmann und mein Vater machten sich mit auf den Weg, so daß das ganze Detaschement aus siebenundzwanzig Mann bestand.
Ich hingegen ging nach dem Frühstück mit Capitain Cook und einigen Officieren ans Ufer, wo wir ungefähr zweihundert Einwohner und unter diesen vierzehn oder fünfzehn Weiber, nebst ein paar Kindern, versammelt fanden. Es war uns unmöglich, die Ursache dieser Ungleichheit in der Zahl der beiden Geschlechter zu errathen; da aber alle Weibsleute, die wir bisher gesehen, ungemein freigebig in ihren Gunstbezeugungen waren, so vermuthete ich damals, daß die Verheiratheten und Eingezognern, welche vielleicht die größte Anzahl ausmachten, keinen Gefallen finden möchten, mit uns bekannt zu werden, oder vielleicht durch die Eifersucht der Männer gezwungen würden, in den entfernteren Theilen der Insel zurück zu blieben. Die wenigen, welche wir hier und da ansichtig wurden, waren die ausschweifendsten Creaturen, die wir je gesehen. Sie schienen über alle Schaam und Schande völlig weg zu sein, und unsere Matrosen thaten auch, als wenn sie nie von so etwas gehört hätten; denn der Schatten der colossalischen Monumente war ihnen in Hinsicht auf ihre Ausschweifungen schon Obdachs genug.
Herr Patton, Lieutenant Clerke und ich machten uns von der Küste, wo der Zusammenlauf am größten war, hinweg und gingen tiefer ins Land. Die Sonne stach unbeschreiblich, denn ihre Strahlen wurden aller Orten von dem kahlen, steinigen Boden zurückgeworfen, und es war auch kein Baum, der uns einigen Schatten hätte geben können, in der ganzen Gegend zu sehn. Meine Herren Begleiter hatten ihre Vogelflinten mitgenommen, weil sie einiges Geflügel unterwegens anzutreffen glaubten, aber ihre Hoffnung war vergebens und dem Anschein nach gibts auf der ganzen Insel kein anderes Landgeflügel als die gemeinen Hühner, die zahm und noch dazu sehr selten sind. Wir gingen einem Fußsteig nach, den die Einwohner gemacht hatten, bis wir an ein bebautes Feld kamen, das mit Kartoffeln, Yams, Arumwurzel und einer Art von Nachtschatten besetzt war. Letzteres wird zu Tahiti und auf den benachbarten Inseln als ein Wundmittel (solanum nigrum) gebraucht und könnte vielleicht auch bei uns in gleicher Absicht gebauet werden. Das Gras, das sonst überall in einem angebauten Boden hervor wächst, war hier sorgfältigst ausgejätet und statt des Düngers über das ganze Feld gestreut, oder auch vielleicht um die Wurzeln und Pflanzen gegen die brennenden Strahlen der Sonne dadurch zu schützen. Aus allem diesem ergibt sich, daß die Eingebornen nicht ganz unwissend im Ackerbau sind, sondern vielmehr den Boden mit vieler Mühe und Arbeit bebauen. Nicht weit von diesen Feldern trafen wir zwei kleine Hütten an, aber noch kleiner als die oben beschriebne. Der Eingang war mit einer großen Menge Strauchwerk verstopft, und beim ersten Annähern kam es uns vor als wenn wir Weiberstimmen darin hörten; da wir aber schärfer zuhorchten, vernahmen wir weiter nichts, das uns in unserer Meinung bestärkt hätte. Wir gingen von da zu einem Hügel, der mit Buschwerk bewachsen war. Es bestand aus einer Mimosa, die aber kaum acht Fuß hoch wächst und uns also wenig Schatten gegen die Sonne gab. Wir ruhten uns hier eine Weile aus und nahmen dann unseren Weg zu andern Feldern, die eben so als die vorigen bestellt waren. Sie hatten aber keine Verzäunungen, wie Roggeweins Reisebeschreiber in ihrer Erzählung mit anführen. Vermuthlich haben sie dies aus eigener Fantasie hinzugesetzt.
Die immer zunehmende Tageshitze hatte uns ganz erschöpft und doch hatten wir noch einen langen Weg nach der See zurück zu machen. Glücklicherweise kamen wir vor einem Manne vorbei, der eben beschäftigt war, Kartoffel aus einem Stück Ackers aufzunehmen. Dem klagten wir unsere Durst, sogleich lief der gute Alte zu einer großen Zuckerrohrpflanzung und brachte uns eine Menge von den besten und saftigsten dieser labenden Pflanzen, um uns damit zu erquicken. Wir machten ihm dafür ein kleines Geschenk zur Vergeltung, nahmen unser Rohr und schnitten es zu Spazierstöcken, schälten es unterwegens und sogen es aus. Der Saft desselben war ungemein erfrischend.
Bei unserer Zurückkunft am Landungsplatze fanden wir den Capitain Cook noch im Handel mit den Eingeborenen beschäftigt. Sie brachten ihm Hühner, die schon zubereitet waren, und einige Mattenkörbe mit süßen Kartoffeln; zuweilen aber betrogen sie ihn, indem sie Körbe unten mit Steinen gefüllt und obenher nur mit einigen Kartoffeln bedeckt hatten. Die schätzbarsten Artikel unter unseren Waaren, wogegen sie uns die ihrigen vertauschten, waren ledige Cocosnußschalen, die wir auf den Societäts- und freundschaftlichen Inseln bekommen hatten. Indessen fanden diese nur dann einen gewissen Werth bei ihnen, wenn sie nur eine kleine Öffnung oder einen Deckel hatten. Nächst diesen wurde das tahitische und europäische Zeug zum Eintausch gebraucht und bei der Schätzung kam es hauptsächlich auf die Größe an. Eisenwaare hatte hier den geringsten Preis. Der größte Theil der Leute, die mit uns handelten, liefen gemeiniglich sogleich, als der Kauf geschlossen war, mit dem eingehandelten Zeuge, Nußschaalen oder Nägeln davon, Sie besorgten vielleicht, daß uns der Handel gereuen möchte, wenn sie auch für ihr Theil ganz ehrlich dabei zu Werke gegangen waren. Einige hatten indessen Kühnheit genug, vor Ablieferung ihrer Güter mit den bedungenen und erhaltenen Preisen davon zu laufen; ein Umstand, der den erbärmlichen Zustand dieser elenden Menschen sehr deutlich an den Tag legt. Der Mangel an Kleidungszeuge war unter ihnen sehr groß. Aus Noth gingen sie mehrentheils nackend und dennoch verkauften sie ihr bischen eignes Zeug gegen andres von Tahiti. Die Begierde, etwas von diesem zu besitzen, machte, daß sie manches von ihren eigenen Habseligkeiten verkauften, was sie sonst wohl nicht weggegeben haben würden. Dahin gehörten ihre verschiedenen Hüte und Kopfdecken, die sie sonst wohl nicht weggegeben haben würden. Ihre Halsbänder, Ohrzierrathen und verschiedne kleine Menschenfiguren, die aus schmalen, achtzölligen oder zweifüßigen Stücken Holz, aber feiner und proporitionirter geschnitzt waren als wir, nach der plumpen Arbeit ihrer großen steinernen Statuen zu urtheilen, erwartet hätten. Sie stellten Personen beiderlei Geschlechts vor. Die Gesichtszüge derselben waren freilich nicht angenehm und die ganze Figur war gemeiniglich zu lang; aber etwas Charakteristisches, aus dem sich ein gewisser Geschmack für die Künste abnehmen ließ, war bei allen darin anzutreffen. Das Holz, woraus sie bestanden, war schön polirt, dabei dicht und von dunkelbrauner Farbe, wie das Holz von der Casuarine. Da wir aber diesen Baum hier noch nicht gefunden hatten, so erwarteten wir die Rückkunft unserer Parteigänger mit desto größerer Begierde, in Hoffnung, daß sie auch in Absicht dieses Umstandes einige nähere Entdeckungen gemacht haben würden. Maheine fand an diesen geschnitzten menschlichen Figuren ein großes Wohlgefallen; denn sie waren weit besser gearbeitet als die E-Tis, die man bei ihm zu Lande verfertigt. Er kaufte auch verschiedne davon, mit der Versicherung, daß sie zu Tahiti ungemein hoch geschätzt werden würden. Da er sich viel Mühe gab, diese Seltenheiten aufzusuchen, so fand er eines Tages eine geschnitzte Frauenhand von gelbem Holze, ungefähr in der natürlichen Größe. Die Finger derselben waren aufwärts gebogen, wie sie die Tänzer auf Tahiti zu halten pflegen, und die Nägel daran waren sehr lang; denn sie standen mehr als drei Viertel Zoll über die Spitzen der Finger hervor. Sie war von dem seltnen, wohlriechenden, tahitischen Holze gemacht, womit man allhier dem Öl einen guten Geruch zu geben pflegt. Auch dieses Holz hatten wir auf Oster-Eiland nicht gefunden, eben so wenig, als wir bemerkt hatten, daß man hier lange Nägel zu tragen gewohnt sei: wir konnten also nicht begreifen, wie dies hübsch gearbeitete Stück hierher gekommen: Maheine schenkte es hernachmals meinem Vater, der es im brittischen Museum niedergelegt hat. Eben so ließ sich Maheine auch sehr angelegen sein, so viel Federhüte als möglich zusammen zu bringen; besonders waren ihm die von Fregattenfedern angenehm, weil dieser Vogel zu Tahiti selten ist und wegen seiner schwarzen Federn sehr hoch geschätzt wird.
Indessen, daß Capitain Cook in der Bucht war, ward auch am Wasserplatze um Kartoffeln gehandelt. Aus Begierde nach unsern Gütern ließen sich hier die Einwohner verleiten, eine Untreue an ihren eignen Landsleuten zu begehen. Dicht neben dem Brunnen lag ein Feld mit süßen Kartoffeln und eine Menge Leute, alt und jung durcheinander, waren emsig darüber her, sie auszugraben und zu verkaufen. Dieser Handel dauerte schon einige Stunden, als ein anderer Indianer dazu kam, sie mit vielem Unwillen davon trieb und darauf allein Kartoffeln auszugraben fortfuhr. Er war der rechte Eigenthümer des Feldes und die andern hatten ihn bestohlen, weil sie eine so gute Gelegenheit fanden, ihre gestohlnen Güter an den Mann zu bringen. Außer Zweifel gehen auf den Societäts-Inseln zuweilen eben solche Diebereien vor; denn die Einwohner erzählten uns oft, daß sie mit dem Tode bestraft würden, wiewohl wir niemals ein Beispiel solcher Strafe gesehen haben. Auf Oster-Eiland aber sahen wir das Verbrechen ganz ungestraft hingehen. Der Grund davon liegt wahrscheinlich in dem verschiednen Grade der Cultur, den man unter diesen beiden Völkerschaften, so nahe sie auch sonst miteinander verwandt sind, antrifft.
Zu Mittag gingen wir an Bord und speisten ein paar Hühner mit Kartoffeln, die wir nach unserem mühsamen Spaziergange überaus vortrefflich fanden. Wir trafen einige Insulaner auf dem Schiffe, die es gewagt hatten, vom Lande herzuschwimmen, ob es gleich noch drei Viertelmeilen davon entfernt war. Sie schienen über alles, was sie sahen erstaunt und jeder von ihnen maß die Länge des Schiffs von einem Ende bis zum andern mit ausgebreiteten Armen aus. Einem Volke, dessen Canots aus lauter kleinen Stückchen zusammengeflickt sind, mußte natürlicherweise eine solche Menge von Zimmerholz und noch dazu von solcher Größe, etwas sehr unbegreifliches sein. Die Begierde, zu gewinnen, hatte auch eine Weibsperson so beherzt gemacht, sich durch Schwimmen an unser Schiff zu begeben. Sie besuchte erst einige Unterofficiere und wandte sich darauf an die Matrosen. Ihre Begierden waren unersättlicher als die einer Meßalina. Ein paar englische Lumpen und einige Stücke tahitisches Zeug war alles, was sie für ihre Dienste davon trug. Sie ward in dem zusammengeflickten Canot abgeholt, welches das einzige auf der Insel zu sein schien. Den Tag vorher hatte eine andere Weibsperson auch durch Hülfe des Schwimmens das Schiff besucht und war eben so ausschweifend als jene gewesen. Wir wußten wahrlich nicht, worüber wir uns mehr wundern sollten; über ihr Glück bei unsern kränklichen, ausgezehrten Seeleuten, oder über ihre unbegrenzte Liederlichkeit?
Nachmittags gingen wir wieder ans Land und ich besuchte die Berge gegen Süden; die sehr leicht zu ersteigen waren, weil sie außerordentlich sanft in die Höhe gingen. Ich fand eine große Pisangpflanzung darauf und weiter hinauf einige Ruinen von einer verfallenen Mauer, auf welcher vielleicht vor alten Zeiten eine Bildsäule gestanden hatte. Von da lief ich über einige Felder, auf denen ich eine Familie beim Ausgraben ihrer Kartoffeln antraf. Ich ging auf die Hütte zu, die so klein war, als ich je eine gesehen. Als ich mich etwas mehr genährt hatte, versammelten sich die Leute um mich her und ich setzte mich mitten unter sie nieder. Es waren ungefähr sechs oder sieben Personen, worunter sich ein Weib und zwei kleine Jungens befanden. Sie überreichten mir etwas von ihrem Zuckerrohr, wofür ich ihnen ein kleines Stück tahitisches Zeug, das sie sogleich um den Kopf wickelten, zum Gegengeschenk machte. Sie waren bei weitem nicht so neugierig als die Leute auf den Societäts-Inseln, sondern gingen bald wieder an ihre Arbeit, mit der ich sie beschäftigt gefunden hatte. Einige hatten Federhüte auf, die sie mir zum Tausch gegen ein Stück Zeug von der Größe eines Schnupftuches anboten. Neben der Hütte sah ich einige Hühner, welches die einzigen waren, die ich bis jetzt lebendig auf der Insel angetroffen hatte. Ihr Betragen gegen mich, war dem allgemeinen Charakter der Südessvölker gemäß ganz friedlich. Nach den Ausdrücken der Roggeweinschen Reisebeschreiber scheint es fast als wenn die Holländer nur zum Zeitvertreib auf diese armen Leute, die ihnen doch nichts zu leide thaten, gefeuert und eine große Menge von ihren, blos um den übrigen einen Schrecken einzujagen, niedergeschossen hätten. Es ist leicht möglich, daß die Furcht, vor dem mörderischen europäischen Gewehr, worin der spanische Besuch sie vielleicht bestärkt haben mochte, wieder in ihnen bei unserer Ankunft erwachte und sie so furchtsam und scheu in ihrem Betragen gegen uns machte; doch ist auch nicht zu läugnen, daß sie überall in ihrem Charakter etwas sanftes mitleidiges und gutherziges haben, welches sie gegen die Fremden so willfährig und, so weit es ihnen das elende Land zu sein erlaubt, so gastfrei macht.
Ich ging hierauf meinen vorigen Weg zurück und kehrte mit Capitän Cook wieder an Bord. Um 9 Uhr hörten wir am Ufer einen Schuß fallen, und da dies das Signal war, daß man ein Boot verlangte, so schickten wir sogleich unsere Pinasse und so kam unser Detaschement wieder an Bord. Mein Vater war wegen seiner langerlittenen, rheumatischen Schmerzen mehr als die übrigen abgemattet und mußte sogleich zu Bette gehen; die andern Herren aber speisten mit uns das Abendbrot, wozu wir ein paar Hühner, die schon zubereitet waren, am Lande gekauft hatten. Sie erzählten uns von ihren Verrichtungen, und da man es vielleicht lieber sehen wird, etwas Zusammenhängendes darüber zu hören; so will ich hier einen Auszug aus meines Vaters Tagebuch einrücken: .
„Sobald wir gelandet, gingen wir sogleich ins Land hinein, nahmen unsern Weg längs dem Fuße des höchsten Berges, der gegen Süden liegt, bis wir eine andre Seite der Insel erreichten. Ungefähr einhundert von den Eingebornen, darunter vier bis fünf Frauenspersonen waren, begleiteten uns auf dieser Wallfahrt und verkauften uns eine Menge Kartoffeln und etliche Hühner, die unsern Vorrath an Lebensmitteln etwas ansehnlicher machten. Ein Mann von mittlerem Alter, der über den ganzen Leib punktirt war und sich das Gesicht mit weißer Farbe angestrichen hatte, ging voran und hielt ein weißes Tuch auf einem kleinen Stecken empor, wobei er seine Landsleute aus dem Wege gehen hieß. Der Boden war überall mit Steinen von verschiedner Größe bedeckt, die löcherig, schwammig und von schwarzer, brauner oder röthlicher Farbe waren und unläugbare Spuren vulcanischen Feuers an sich hatten. Die Fußsteige waren einigermaßen von den Steinen gereinigt, aber so eng, daß wir mit den Füßen ganz einwärts gehen mußten, ein Umstand, der den Einwohnern nicht eben schwer fiel, indem sie im Gehen beständig einen Fuß vor den andern zu setzen pflegten, Uns war diese Art zu gehen etwas ungewohnt und daher sehr ermüdend. Wir stießen oft an und verloren darüber nicht selten das Gleichgewicht.
Zu beiden Seiten des Fußsteiges war der Boden mit dünnem, perennirenden Grase (paspalum) besetzt, Es wuchs hier in kleinen Büschen und war so schlüpfrig, daß man nicht darauf gehen konnte. Auf der Ostseite der Insel kamen wir zu einer Reihe Bildsäulen, sieben an der Zahl, wovon noch vier aufrecht standen; eine unter diesen aber hatte auch schon die Mütze verloren. Sie standen alle auf einem Piedestal, wie die, so auf der andern Seite der Insel waren, und die Steine im Gestell waren an beiden auf gleiche Art behauen und paßten sich wohl aneinander. Obgleich der Stein, woraus diese Bildsäulen verfertigt waren, ziemlich weit zu sein scheint, indem er aus dem rothen Tufo besteht, der die ganze Insel bedeckt, so ist doch schwer zu begreifen, wie ein Volk, das kein Handwerkszeug und andere mechanische Hilfsmittel hat, so große Massen habe bearbeiten und aufrichten können. Die allgemeine Benennung dieser östlichen Reihe war Hang-Tebau; das Wort Hanga wird dem Namen aller dieser Bildsäulenreihe vorgesetzt. – Die einzelnen Bildsäulen hießen: Ko (der gewöhnliche Artikel in der Sprache von Neu-Seeland und der freundschaftlichen Inseln) –Tomo-iri, Ko-Hu-hu, Morahina, Umariwa, Winabu, Winape.
Wir gingen von da nördlich an der See heraus und kamen Hand bei einem tiefen Abgrund vorbei. Der Boden bestand eine weite Strecke lang aus demselben eisenschüssigen Tufo, woraus jene Bildsäulen gemacht sind, und war mit kleinen Bruchsteinen angefüllt. Kurz drauf geriethen wir an einen Platz, der aus einem einzigen, festen, zusammenhängenden Felsen, oder schwarzer, geschmolzener Lava, die etwas Eisen in sich zu halten schien, bestand. Erde, Gras, oder Pflanzen, wie sie auch Namen haben mögen, waren gar nicht darauf anzutreffen. Weiter hin kamen wir auch durch verschiedne Felder von Pisang, Kartoffeln, Yams und Arumwurzeln. Das Gras, so sich hier und da zwischen den Steinen findet, war ausgejätet und übers Land gestreuet, um es entweder gegen die Sonne zudecken und dadurch feucht zu erhalten, oder es damit zu düngen.
Wo wir hin kamen, wurden uns gar gemachte Kartoffeln zum Kauf angeboten, und bei einer Hütte, wo wir Halt machten, verkaufte man uns einige Fische. Etliche der Eingebornen waren bewaffnet. Die Waffen aber bestanden aus nichts anderem als den schon oben angeführten Stöcken, die mit einem Stück schwarzer, glasartiger Lava versehen und solrgfältig in kleine Stückchen Zeug eingewickelt waren. Nur einer hatte eine Streitaxt, die kürzer als die Neu-Seeländischen, übrigens aber diesen völlig ähnlich war. Auf jeder Seite war ein Kopf geschnitzt, in welchem statt der Augen ein paar Stückchen von eben gedachtem schwarzen Glase eingesetzt waren. Sie hatten auch einige ungestaltete Menschenfiguren von Holz, deren Gebrauch oder Bedeutung wir aber nicht erfahren konnten; doch glaubten wir nicht, daß unsere Unwissenheit uns berechtigte, sie für Götzenbilder zu halten, wie man in der That allzu oft das Bildwerk unbekannter Nationen dafür ausgegeben hat.
Wir verließen diese Hütte und gingen noch etwas weiter gegen Norden, ohne jedoch was neues anzutreffen. Aus ein paar nahe gelegenen Häusern kamen uns ein Mann und eine Frau entgegen, jeder mit einem großen Beutel, der aus zierlich gearbeiteten Matten verfertigt war, worin sie warme Kartoffeln hatten. Sie stellen sich damit an der Seite des Fußsteigs, den wir gehen mußten. Als wir näher kamen, gab der Mann einem jeden von uns einige von seinen Kartoffeln, und nachdem er dem ganzen Haufen schon viele davon ausgetheilt, lief er mit der größten Geschwindigkeit zu den vordersten in unserem Zuge, um auch die übrigen bis auf die allerletzte auszutheilen. Ich gab ihm für mein erhaltenes Theil ein großes Stück Zeug zur Vergeltung, und das war das einzige Gegengeschenk, so er für seine Freigebigkeit, wovon ich nicht einmal zu Tahiti ein ähnliches Beispiel gesehen habe, einerntete.
Bald darauf sagten uns die Leute: ihr Eri, oder Hariki, oder König, käme uns entgegen. Es gingen etliche Personen vor ihm her und gaben jedem unter uns zum Freundschaftszeichen einiges Zuckerrohr, wobei sie das Wort Hio aussprachen, das nach ihrer Mundart so viel als Freund bedeutet. (Hoa auf den Societäts-Inseln, Woa auf den freundschaftlichen Inseln). Gleich darauf sahen wir den König auf einer Anhöhe stehen und begaben uns zu ihm hinauf. Herr Pickersgill und ich machten ihm einige Geschenke. Wir frugen nach seinem Namen, er sagte uns, er heiße Ko-Tahitai, setze aber auch sogleich hinzu, daß er Eri sei. Wir erkundigten uns weiter, ob er nur Befehlshaber eines gewissen Distrikts, oder Oberherr der ganzen Insel wäre: Auf diese Frage streckte er beide Arme aus, als wolle er die ganze Inseln umfassen, und sagte dabei: Waihu. Um ihm zu zeigen, daß wir ihn verstünden, legten wir unsere Hände auf seine Brust, nannten ihn sei seinem Namen und setzten den Titel: König von Waihu hinzu. Darüber war er, dem Anschein nach, sehr zufrieden und unterredete sich darauf eine lange Weile mit seinen Unterthanen. Er war von mittlerm Alter und ziemlich groß. Gesicht und Körper waren punktirt. Sein Anzug bestand aus einem Stück Zeug von Maulbeerrinde, das mit Gras durchnähet und mit Kurkuma gelb gefärbt war. Auf dem Kopfe hatte er einen Aufsatz von langen, glänzenden, schwarzen Federn, den man allenfalls ein Diadem hätte nennen können. Wir bemerken aber nicht, daß ihm das Volk einige vorzügliche Ehrerbietung erwiesen hätte, und wahrlich, in einem so armseligen Lande konnte er sich auch eben keine großen Vorrechte anmaßen, ohne offenbar den natürlichen Rechten der Menschen zu nahe zu treten, welches gefährliche Folgen hätte hervorbringen können. Als wir weiter vorwärts gehen wollten, schien er darüber etwas unzufrieden, denn er bat uns umzukehren und erbot sich uns zu begleiten; da aber unser Officier entschlossen war weiter zu gehen, so ließ er sichs auch gefallen und ging mit uns.
Wir gingen auf eine Anhöhe zu, wo wir, als wir oben waren, Halt machten, um einige Erfrischungen zu uns zu nehmen, hiernächst auch, Herrn Hodges Zeit zu lassen, einige Monumente zu kopieren. Bei einem derselben fanden wir ein vollständiges Menschenskelet. Von etlichen dieser Monumente ist in Capitain Cooks Nachricht von dieser Reise eine nähere Vorstellung beigefügt. Unsre Leute setzten sich auf die Erde nieder und legten ihren Vorrath von eingehandelten Lebensmitteln vor sich hin, indessen daß die Officiere und andre von unserer Begleitung sich mit den Insulanern in allerlei Unterredungen einließen. Einer von den Matrosen, der meinen Pflanzensack nebst einigen Nägeln, die darin befindlich waren, tragen mußte, gab nicht genug darauf acht. Dieser Gelegenheit bediente sich einer von den Wilden, nahm ihn und lief damit fort, Es wurde es Niemand gewahr als Lieutenant Edgecumbe; dieser schoß sogleich sein Gewehr, mit Hagel geladen, hinter dem Diebe her und setzte uns alle dadurch gewissermaßen in Unruhe. Der Wilde, welche fühlte, daß er verwundet war, warf eilend den Beutel hin und unsre Leute holten ihn wieder zu uns. Der arme Schelm fiel bald nachher selbst zu Boden. Seine Landsleute nahmen ihn auf und entfernten sich eine Weile, bis wir ihnen zurückzukommen winkten, welches sie auch fast alle thaten. Ob dies gleich nur der einzige Fall war, in welchem auf die Einwohner dieser Insel während unsers Hierseins gefeuert wurde, so ist es darum doch nicht weniger zu bedauern, daß Europäer sich so oft ein Strafrecht über Leute anmaßen, die mit ihren Gesetzen so ganz ungekannt sind.
Von hier gingen wir noch weiter ins Land hinein und kamen an einen tiefen Brunnen, der durch die Kunst gehauen zu sein schien und gutes, süßes Wasser hatte, das aber etwas trübe war. Wir tranken alle davon, weil wir herzlich durstig waren, und gingen weiter neben einigen großen Statuen vorbei, die umgeworfen waren. Von hier aus sahen wir die beiden Hügel, bei welchen wir am 12. dieses vom Schiffe her die mehrersten Bildsäulen bemerkt hatten. In der Nähe war eine Anhöhe, von der wir die See auf beiden Seiten der Insel weit über die Ebne hinaus, die uns auch vom Schiffe zu Gesicht gekommen war, sehen konnten. Wir übersahen zugleich die ganze östliche Küste und die daselbst befindlichen zahlreichen Bildsäulen, und wurden überzeugt, daß auf der dortigen Seite der Insel weder Bai noch Hafen anzutreffen sei. Mit dieser Entdeckung begaben wir uns von da zurück und kamen zu einer großen Statue, die von den Einwohnern Mantototo genannt wird. Im Schatten derselben hielten wir unser Mittagsmahl. Nahe dabei zeigt sich uns eine andre noch größere Statue, aber umgeworfen. Sie hatte 27 Fuß Länge und 9 Fuß im Durchschnitt und übertraf an Größe alle übrigen, die wir bis dahin gesehen hatten.
Auf dem Rückwege hielten wir zum andern Male bei dem Brunnen an, um unsern Durst zu löschen, welchen die gewaltige Sonnenhitze, deren Strahlen unaufhörlich von den kahlen Felsen zurückprallten, sehr häufig erregt hatte. Von da gingen wir auf die Berge zu, welche quer über die Insel laufen; fanden aber den Fußsteig, der dahin führte, rauher und beschwerlicher als jemals; denn der Boden war überall mit vulcanischen Schlacken bedeckt und weit und breit öde, ob sich gleich hier und da Spuren fanden, daß er vor Zeiten angebaut gewesen. Hier fühlte ich, wie sehr ich durch den lang anhaltenden Rheumatismus geschwächt worden war. Alle meine Glieder waren so zu sagen verkrüppelt. Ich konnte den Übrigen kaum nachkommen, ob ich gleich bei andern Gelegenheiten und sonst überhaupt so leicht nicht zu ermüden war. Die Leute von der Insel waren zurück geblieben, weil sie gesehen hatten, daß wir einen so mühseligen Weg nahmen; bloß ein Mann und ein kleiner Junge blieben bei uns. Da unsere Officiere und ihre Partei den nächsten Weg nach dem Schiffe verfehlt hatten, so trennte ich mich von ihnen und nahm mit Dr. Sparrmann, einem Matrosen und den beiden Indianern, den nächsten Weg, den uns die letzern gezeigt hatten. Der alte Mann sah, aß ich sehr schwach war. Er bot mir also die Hand und ging neben mir auf den losten Steinen an der Außenseite des Fußsteiges, und so brachte er mich mit großer Geschicklichkeit eine lange Strecke weit gemächlicher fort. Der kleine Junge lief voraus, um die Steine aus dem Weg zu räumen, die im Fußsteig lagen. Nach vielem wiederholten Ausruhen erreichten wir endlich den Höhe eines Berges, von dem wir die Westsee und auf derselben unser Schiff vor Anker liegen sahen.
Der Berg war mit Mimosa überwachsen, die hier 9 bis 10 Fuß hoch wuchs. Einige Stämme waren dicht über der Wurzel so dick als ein Mannschenkel. Unterweges stießen wir noch auf eine Quelle. Das Wasser aber hatte einen faulen Geschmack und roch wie Schwefelleber. Indessen tranken wir doch davon. Die Sonne war nun schon im Untergehen, so daß wir fast zwei Stunden lang im Dunkeln den Berg hinunter gingen, wobei mir der Beistand meines Indianers doppelt zu statten kam. Ich wartete auf Herrn Pickersgill und dessen Commando, denn ich war ihnen fest drei Meilen zuvor gekommen.
Wenigstens 25 Meilen hatten wir auf den beschwerlichsten Wegen gemacht, ohne ein Bäumchen anzutreffen, das uns gegen die brennende Sonne hätte schützen können. Meinem freundschaftlichen Führer gab ich zur Vergeltung alles tahitische Zeug und allen Vorrath an Nägeln, so ich bei mir hatte, und kam endlich mit dem ganzen Commando glücklich wieder an Bord.“
Man sieht aus dieser Nachricht, daß selbst die sorgfältigsten Nachforschungen noch nicht hinreichend gewesen sind, ein gewisses Licht über die bewunderungswürdigen Gegenstände zu verbreiten, die wir auf dieser Insel antrafen. Was besonders die riesenmäßigen Monumente anlangt, die hier überall so häufig sind und doch die Kräfte der gegenwärtigen Einwohner gar weit zu übertreffen seinen, so muß man wohl billig annehmen, daß sie Überbleibsel vormaliger besserer Zeiten sind. Denn die Zahl der Einwohner haben wir nach unsern genauesten Berechnungen niemals höher als 700 für die ganze Insel ansetzen können, und diese haben alle haben fast keinen Augenblick ihres Lebens zu etwas anderem übrig, als sich die nothdürftigsten Erfordernisse zum Fortkommen in ihrem jämmerlichen Zustande anzuschaffen. (Die Spanier im S. Lorenzo und der Fregatte Rosalia geben die Einwohner auf Oster-Eiland mit 2.000 bis 3.000 an. Sie scheinen aber das Innere des Landes nicht so genau als wir untersucht zu haben. (S. Dalrymple’s Letter to Dr. Hawkesworth.) Es fehlt ihnen an Handwerkszeug, sie haben nicht einmal ihr nöthiges Obdach und die unentbehrliche Kleidung. Hunger und Mangel verfolgen sie zu sehr, als daß sie auf Verfertigung solcher Bildsäulen denken können, zu deren Vollendung ihr ganzes Leben und zu deren Aufrichtung die vereinten Kräfte des ganzen Volkes erforderlich sein würden. Wir sahen auch überall auf unserer Wallfahrt kein einziges Instrument, das zur Bildhauerei oder Baukunst im mindesten hätte dienlich sein können, eben so wenig, als wir etwa neue Steinbrüche oder unvollendete Statuen antrafen, die man als Arbeiten der jetzigen Bewohner der Insel hätte brachten dürfen. Das wahrscheinlichste ist also, daß die Einwohner ehemals weit zahlreicher, wohlhabender und glücklicher gewesen sein müssen als sie es heutigen Tages sind, und wenigstens Zeit genug übrig gehabt haben, der Eitelkeit ihrer Prinzen durch Errichtung verewigender Denkmäler schmeicheln zu können. Die Spuren alter Pflanzungen, so man noch hier und da auf den Spitzen der Berge antrifft, bestätigen einigermaßen diese Vermuthung. Übrigens läßts sich schwer bestimmen, durch was für Zufälle dies Volk, sowohl in Absicht der Zahl als des Wohlstandes, so weit herunter gekommen sei. Allerdings können mancherlei Ursachen, die diesen Umsturz veranlaßt haben, angeführt werden. Nur eine Ursache zu nennen, so war Verwüstung, welche durch einen Vulkan angerichtete werden kann, völlig hinreichend, hundertfaches Elend über ein Volk zu bringen, das in einem so kleinen Erdraum eingeschlossen war. Wer weiß, ob diese Insel nicht ehemals grade durch einen Vulkan hervorgebracht worden, denn alle hiesigen Steinarten sind vulkanisch. Und eben so konnte sie auch durch neuere vulkanische Ausbrüche wieder zu Grunde gerichtet werden. Alle Bäume und Pflanzen, alle zahmen Thiere, ja ein großer Theil ihrer Bewohner, können in dieser fürchterlichen Revolution vernichtet worden sein, und auf diese Art mußten Hunger und Elend leider nur allzu mächtige Verfolger derer werden, welche dem Erdbrande entgingen. Die kleinen, geschnitzten Menschenfiguren, deren wir oben erwähnt haben, und die Hand einer Tänzerin, welche Maheine fand, können wir bis jetzt noch eben so wenig erklären, denn sie sind aus einer Art Holz gemacht, welches heutigen Tages nicht mehr auf der Insel anzutreffen ist. Alles, was uns auch hierbei einfallen konnte, war dies: daß sie in weit frühern Zeiten verfertigt worden, und bei der allgemeinen Katastrophe, die mit diesem Lande vorgegangen zu sein scheint, entweder durch einen bloßen Zufall, oder durch einen bloßen Zufall, oder durch eine besondere Sorgfalt so lange seien erhalten worden. Alle Weibsleute, welche wir in den verschiedenen Theilen der Insel gesehen haben, machten zusammen nicht dreißig aus, und doch hatten unsre Leute die ganze Insel fast von einem Ende bis zum andern durchstreift und nicht die geringste Wahrscheinlichkeit gefunden, daß sich die übrigen etwa in einem oder dem andern entlegenen Distrikt der Insel versteckt hätten. Waren ihrer wirklich nicht mehr als dreißig oder vierzig, gegen sechs- oder siebenhundert Männer, so muß die ganze Nation bald aussterben, oder alles, was man bisher über die Mehrheit der Männer (Polyandrie) angenommen hat, muß unrichtig sein. Die mehrsten Frauenspersonen, welche uns zu Gesicht kamen, gaben uns freilich nicht Anlaß, zu vermuthen, daß sie an einen einzigen Mann gewöhnt wären; sondern sie schienen vielmehr ganz des Geistes der Messalina oder der Kleopatra zu sein. Bei dem allen ist doch dies ungleiche Verhältnis zwischen den beiden Geschlechtern ein so sonderbares Phänomen, daß wir es noch nicht für so ganz ausgemacht und richtig halten können, und daß wir lieber jedes Argument, so man uns dagegen beibringen möchte, annehmen wollen, wenn es auch mit noch so großen Schwierigkeiten verknüpft wäre. Zwar hat keine einzige unserer Parteien irgendwo ein entferntes oder abgesondertes Tal gefunden, in welches sich vielleicht die übrigen Weiber während unsers Hierseins verborgen haben konnten; allein wir müssen den Leser an die Höhlen erinnern, deren wir oben erwähnt haben, und wozu uns die Einwohner niemals den Eingang gestatten wollten. Die isländischen Höhlen sind so geräumig, daß einige Tausend Menschen darin Platz haben, und es ist sehr wahrscheinlich, daß ähnliche Höhlen in einem eben so vulkanischen Lande geräumig genug sein können, um einige Hundert Menschen zu fassen. Wir sahen nicht ein, warum die Oster-Eiländer auf ihre Weiber eifersüchtiger sein sollten als die Tahitier; wir wissen aber, wie ausschweifend und zügellos das Seevolk ist, besonders wenn es über Indianer eine solche Überlegenheit hat, als die Holländer und Spanier über die Leute auf Oster-Eiland gehabt haben müssen. Der stärkste Einwurf, den man noch gegen diese Hypothese machen kann, liegt darin, daß die Anzahl von Kindern, die uns hier zu Gesicht kam, und die man doch eben nicht zu verbergen nöthig hatte, wenigstens nicht aus dem Grunde, aus dem man etwa die Weiber versteckt haben mochte, eben so gering und unbeträchtlich war. Wir müssen die Sache unentschieden lassen. Sollte indessen die Anzahl der Weiber wirklich so gering sein, als wir sie angegeben haben, so muß sie durch einen ganz außerordentlichen Zufall vermindert worden sein, und davon wären die Einwohner allein im Stande gewesen, uns einige Nachricht mitzutheilen; aber bei allen unseren Versuchen und Nachfrage konnten wir wegen Mangel an Bekanntschaft nichts entscheidendes herausbringen.
Am folgenden Morgen ward ein Boot ans Land geschickt, um Wasser einzunehmen; und da es gerade windstille war, ging ein zweites ab, um unseren Vorrath von Kartoffeln durch Handel mit den Handel mit den Einwohnern zu vermehren. Auch einer von den Eingebornen ging in dem geflickten Canot vom Lande ab und zu, um Kartoffeln und Pisangs ans Schiff zu bringen.
Ein starker Regenguß gab unsern Leuten die Gelegenheit, einen guten Vorrath frisches Wasser mit Hülfe der Segel und Decken aufzufangen. Nachmittags ging noch ein Boot ans Land; da sich aber gegen Abend ein Wind erhob, so wurde eine Kanone abgefeuert, worauf es sogleich an Bord zurück kam, und hierauf segelten wir von Nord-West nach Westen ab.
Wir hatten geglaubt, daß wir hier einen guten Erfrischungs- und Handlungsplatz finden würden, aber unsre Hoffnung war fehl geschlagen. Den einzigen Artikel, der noch von einigem Belang war, machten die süßen Kartoffeln, aber nach gleicher und richtiger Verteilung des ganzen Vorrathes, welchen wir eingekauft, konnte der gemeine Mann nur ein paar kleine Mahlzeiten davon machen. Pisangs, Yams und Zuckerrohr gab es so wenig, daß es kaum des Handels wert war. Die Zahl der Hühner, welche wir erhielten, und die noch dazu von sehr kleiner Art waren, belief sich nicht auf fünfzig Stück; selbst des hier gefüllten Wassers war wenig und hatte überdem einen schlechten Geschmack. Indessen so unbeträchtlich auch diese Erfrischungen waren, so bekamen wir sie doch zur rechten Zeit, und sie halfen uns wenigstens so viel, daß wir von den stärkeren Scorbutangriffen und Gallenkrankheiten so lange verschont blieben, bis wir einen bessern Erfrischungsplatz erreichen konnten. Bei dem erbärmlichen Zustande der Einwohner ist es noch zu verwundern, daß sie uns so viel von ihren Lebensmittel, deren Anbau ihnen so sauer und mühsam geworden sein muß, zukommen ließen. Der unfruchtbare harte Boden, die Seltenheit und Abnahme des zahmen Viehes, der Mangel an Reusen und andern Fischergeräthen müssen ihren Lebensunterhalt sehr eingeschränkt, mühsam und ungewiß machen. Gleichwohl ließen sie sich von der Begierde nach unbekannten Kleinigkeiten und Merkwürdigkeiten hinreißen, uns einen Theil davon abzulassen, ohne zu bedenken, wie groß und dringend ihr eigenes Bedürfniß sei. Sowohl hierin, als in unzähligen andern Umständen kommen sie mit den Einwohnern von Neu-Seeland, Tahiti und den freundschaftlichen Inseln, die gleichen Ursprungs mit ihnen zu sein scheinen, sehr nahe überein. Ihre Gesichtszüge sind der Bildung jener Völker so ähnlich, daß man den gemeinschaftlichen Charakter der Nation sogleich daran erkennen kann. Ihre gelbbraune Farbe ist wie die Haut der Neu-Seeländer, ihr Punktiren der Haut, ihre Kleidung von Maulbeerrinde, ihre besondere Neigung zur rothen Farbe und Kleidung, die Form und Arbeit ihrer Keulen, die Art, wie sie ihre Speisen zu bereiten, alles das gibt ihnen mit obbenannten Völkern eine große Ähnlichkeit. Hierher ist noch die Übereinstimmung ihrer Sprachen zu rechnen. Der Dialekt auf Oster-Eiland kommt in vielen Stücken mit dem Neu-Seeländischen vornehmlich in der harten Aussprache und dem Gebrauch der Gutturalbuchstaben, überein. In andrer Hinsicht hat er auch viel ähnliches mit dem tahitischen Dialekt. Auch die monarchische Regierungsform macht einen Zug der Ähnlichkeit zwischen den Oster-Eiländern und den Einwohnern der Südseeinseln, die zwischen den Wendezirkeln liegen, aus. Der ganze Unterschied, der sich zwischen ihnen bemerken läßt, liegt lediglich in der mehrern oder mindern Fruchtbarkeit der Inseln und dem größern oder geringern Maß des Reichthums und der Wollustliebe der Einwohner. Oster-Eiland, oder Waihu, wie es in der Landessprache genannt wird, ist so außerordentlich unfruchtbar, daß nicht über zwanzig verschiedene Gattungen darauf wachsen, und diese müssen noch dazu größtentheils auf bearbeiteten Feldern, welche bei weitem den geringsten Theil des sonst wüstliegenden Landes ausmachen, ordentlich gebaut werden. Der Boden ist durchgehens steinig und von der Sonne verbrannt. Wasser ist so selten, daß sich die Einwohner mit Brunnenwasser, das noch dazu etwas faul ist, behelfen müssen; je einige unsrer Leute haben sogar gesehen, daß sie, um den Durst zu löschen, auch wohl zuweilen Seewasser getrunken. Alle diese Umstände zusammengenommen müssen natürlicherweise auf die Beschaffenheit ihres Körpers einen besondern Einfluß haben.
Sie sind mager und ihre Muskeln hart und steif. Sie leben sehr schlecht und armselig, gehen fast alle nackend und haben keine Bedeckung als für den Kopf, weil derselbe von der Hitze am meisten leidet; doch besteht die ganze Bedeckung nur in einer Federmütze. Der übrige unbedeckte Theil des Gesichts ist punktirt oder mit Farben beschmiert. Ihre Begriffe von Anständigkeit müssen natürlicherweise sehr verschieden von den Begriffen gekleideter Völker sein. Der Reinlichkeit wegen stutzen sie Bart und Haare, so wie solches auch zu Tonga-Tabu geschieht, doch schienen sie dem Aussatz weniger als jene unterworfen zu sein. Man kann sich vorstellen, daß der König eines solches Volks eben keine sonderlichen und merklichen Vorzüge vor dem Unterthan genießt. Wenigstens bemerken wir nichts, das etwa dafür hätte angesehen werden können. Die Religion der Einwohner ist uns ganz unbekannt geblieben, weil dergleichen abstrakte Ideen während eines so kurzen Aufenthaltes, als der unsrige war, nicht leicht ausgeforscht werden konnten. Die Statuen, welche zum Andenken ihrer Könige errichtet sind, haben einen große Ähnlichkeit mit den hölzernen Figuren, Ti’s genannt, die man auf den Marais oder Begräbnissen der Vornehmern zu Tahiti aufgestellt findet. Wir konnten sie aber nicht für Götzenbilder halten, wie Roggeweins Leute sie dafür ausgegeben haben. Die Feuer, welche sie als Opferfeuer ansahen, dienten den Einwohnern hur Bereitung ihres Essens; und obgleich die Spanier vermutheten, daß etwas abergläubische damit verbunden sein könnte, so irrten sie doch vielleicht eben so sehr. Denn der Mangel des Brennholzes setzt die Einwohner in die Nothwendigkeit, sehr sparsam damit umzugehen, und sich in acht zu nehmen, daß die Speisen, wenn sie einmal mit geheitzten Steinen in die Erde vergraben sind, nicht zur Unzeit wieder herausgeholt werden.
Vom Zeitvertreib der Oster-Eiländer wissen wir nichts zu sagen, weil wir sie niemals bei so etwas angetroffen, auch nie ein musikalisches Instrument bei ihnen gesehen haben. Doch scheint es ihnen nicht ganz dran zu fehlen, weil Mau-wahau, der bei uns an Bord schlief, so viel vom Tanzen sprach, sobald wir nur erst seine Besorgniß, wegen Sicherheit seiner Person, gehoben hatten. Kriegerisch sind sie im mindesten nicht gesinnt; denn ihre Zahl ist zu unbeträchtlich und ihre Armuth zu allgemein, als daß etwas innerliche Unruhen unter ihnen entstehen könnten. Eben so unwahrscheinlich ist es, daß sie in ausländische Kriege verwickelt werden könnten, weil man bis jetzt noch von keiner Insel weiß, die ihnen dazu nahe genug wäre, oder mit der sie sonst eingen Verkehr haben könnten. Wenigstens konnten wir hierüber von den Einwohnern keine belehrende Nachricht einziehen. Etwas sonderbares ist es indessen, daß sie dem ungeachtet mit verschiedenen Arten von Gewehr, das dem Neu-Seeländischen gleicht, versehen sind. Wir wissen aber hierüber eben so wenig, als über manches andre, Aufklärung zu geben.
Wenn wir, wie wir uns schon oben darüber geäußert haben, voraussetzen, daß Oster-Eiland etwa ehemals das Unglück gehabt, durch vulkanisches Feuer zerstört zu werden, so sind die Einwohner weit mehr zu bedauern, als jedes weniger civilisirte Volk. Denn in diesem Falle müssen sie von vielen Vortheilen und Annehmlichkeiten des Lebens, die sie vor Zeiten gehabt haben, wissen, und das Andenken davon und ihr jetziger Mangel, müssen ihnen dann sehr bitter sein. Maheine bejammerte ihre Armseligkeit sehr oft, und er schien mit ihnen mehr Mitleid zu haben als mit den Neu-Seeländern, weil sie auch wirklich armseliger sind und in manchen Stücken weit größern Mangel leiden als jene. Er that deshalb zu dem Bündel seines ein zweites Stöckchen und erinnerte sich Oster-Eilands immer mit der Bemerkung: Tàta maitai whennua ino, d. i.: das Volk sei gut aber die Insel sehr elend. Zu Neu-Seeland standen ihm die Einwohner weniger an als das Land selbst. Sein Gefühl blieb immer das Gefühl eines warmen Herzens, das durch Erziehung mit aufrichtiger Menschenliebe erfüllt war; auch wars gemeiniglich richtig, weil es unverdorben und scharfsinnig und sein Verstand zwar ungebaut, aber doch von vielen Vorutheilen frei war.
Forster, Georg
Johann Reinhold Forster’s und Georg Forster’s Reise um die Welt in den Jahren 1772 bis 1775
In: Sämmtliche Schriften
Band 1, Leipzig 1843