Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1786 - Jean-François de Lapérouse
Auf der Osterinsel

 

Am 8. April, um zwey Uhr nach Mittag, erkannte ich die Insel Paque, welche mir zwölf Meilen im Westen, 5 Grad Süd blieb; das Meer ging sehr stark, die Winde waren nördlich; sie waren seit vier Tagen nicht beständig gewesen, und hatten von Norden gegen Süden durch West gewechselt. Ich glaube, daß die Nähe einer kleinen Insel nicht die einzige Ursache dieser Abwechslung war; und es ist wahrscheinlich, daß die Zeitwinde in dieser Jahreszeit, beym 27sten Grad nicht beständig sind.
   Ich fuhr, während der Nachts vom 8ten zu 9ten April, längs der Küste der Insel Paque, in einer Entfernung von drey Meilen; die Witterung war hell, und die Winde hatten sich, in weniger als drey Stunden, von Nord nach Süd-Ost gewendet. Am Tage nahm ich meinen Lauf nach Cook's Bucht; es ist diejenige der Insel, welche am meisten gegen die Winde von Nord gegen Süd über Ost, im Schutz liegt, sie ist nur den Westwinden offen; die Witterung war so schön, daß ich Hoffnung hatte, sie würden nicht viele Tage wehen. Um elf Uhr des Morgens war ich nur eine Meile vom Ankerplatz; der Astrolab hatte schon seinen Anker fallen gelassen; ich ankerte sehr nahe bey dieser Fregatte; aber der Grund war so flüchtig, daß die Anker unserer beyden Fahrzeuge nicht faßten; wir waren genöthigt, sie zu lichten, und zwey Küsten vorbey zu fahren, um den Ankerplatz wieder zu erreichen.
   Diese Widerwärtigkeit erkaltete den Eifer der Indier nicht; sie folgten uns schwimmend bis auf eine Meile in die offene See; sie stiegen an Bord mit einer lachenden Miene, und mit einer Sorglosigkeit, welche mir den besten Begriff von ihrem Charakter machten. Argwöhnische Menschen würden, da wir wieder unter Segel gingen, gefürchtet haben, sie ihrem Mutterlande genommen und entrissen zu sehen; aber der Gedanke an eine Treuelosigkeit schien ihnen nicht einmal in den Sinn zu kommen; sie waren mitten unter uns; nackt und ohne einiges Gewehr, eine bloße Schnur um die Lenden diente zur Befestigung eines Bündels von Kräutern, welches ihre Schaamtheile deckte.
   Herr Hodges, der Mahler, welcher den Hauptmann Cook auf seiner zweyten Fahrt begleitet hatte, hat ihre Gesichtszüge sehr schlecht ausgedrückt; sie sind überhaupt angenehm, aber sehr mannigfaltig,und haben nicht, wie bey den Malaien, Chinesern, Chiliern, einen eigenthümlichen Charakter.
   Ich machte diesen Indiern verschiedene Geschenke; sie nahmen lieber Stücke von gemahlter Leinewand, von einer halben Elle, als Nägel, als Messer, und als Glaskorallen, aber ein größeres Verlangen hatten sie nach Hüten; wir hatten deren eine zu kleine Menge, als das wir an viele welche geben konnten. Abends um acht Uhr nahm ich Abschied von meinen neuen Gästen, indem ich ihnen durch Zeichen zu verstehen gab, daß ich mit Anbruch des Tages landen würde; sie schifften sich tanzend in das Boot ein, und warfen sich, in der Entfernung zweyer Flintenschüsse vom Ufer, in das Meer, welches heftige Wellen schlug; sie hatten die Vorsicht gebraucht, daß sie aus meinen Geschenken kleine Bündel gemacht hatten, und jeder hatte das seinige auf den Kopf gelegt, um es gegen das Wasser zu schützen.
   Mit Anbruch des Tags ließ ich alle Anstalten zu unserer Landung machen. Das Ausschiffen ist ziemlich leicht am Fuße einer jener Säulen, wovon ich bald reden werde. Ich durfte dort Freunde zu finden hoffen, weil ich mit Geschenken aller diejenigen überhäuft hatte, welche am vorigen Tag bey mir an Bord gewesen waren; aber ich hatte zu sehr die Erzählungen der verschiedenen Seefahrer überdacht, als daß ich nicht hätte wissen sollen, daß diese Indien große Kinder sind, bey welchen der Anblick unserer verschiedenen Geräthschaften so stark die Begierde weckt, daß sie alles anwenden, um sich derselben zu bemächtigen. Ich glaubete daher, man müßte sie durch die Furcht zurückhalten; und ich befahl, daß man bey dieser Landung ein kleines kriegerisches Gepränge veranstaltete; wir machten es in der That mit vier Kanonen, und zwölf bewaffneten Soldaten. Herr von Langle und ich, wir hatten in unserem Gefolg alle Reisende und Offiziere, mit Ausnahme derjenigen, welche am Bord der beyden Fregatten zum Dienst nöthig waren; wir machten, mit Inbegriff der Leute auf unseren Ruderkähnen ungefähr sechzig Personen.
   Vier bis fünfhundert Indier erwarteten uns am Ufer; sie waren ohne Waffen; einige waren mit Stücken von weissen oder gelben Stoffen bedeckt; aber die meisten waren nackt; verschiedene waren geritzt, und hatten das Gesicht mit einer roten Farbe bemahlt; ihr Geschrey und ihre Miene äußerte Freude; sie traten näher, um uns die Hand zu reichen, und unsere Landung zu erleichtern.
   Die Insel ist auf dieser Seite ungefähr zwanzig Fuß hoch; die Berge sind gegen sieben bis achthundert Klaftern im Inneren, und von dem Fuß dieser Berge senkt sich das Erdreich allmählig gegen das Meer. Dieser Raum ist mit einem Kraut bedeckt, welches ich zum Futter für das Vieh für dienlich halte; dies Kraut bedeckt wieder große Steine, welche über der Erde nur aufliegen; sie schienen mir durchaus die nämlichen zu seyn, wie auf Isle de France, welche in dem Lande Giraumons genannt werden, weil die meisten von der Größe dieser Frucht sind (einer Mandelart), und diese Steine, welche wir so unbequem beim Gehen fanden, sind eine Wohlthat der Natur; sie erhalten dem Boden seine Kühle und Feuchtigkeit, und ersetzen zum Theil den heilsamen Schatten der Bäume, welche diese Einwohner, ohne Zweifel in sehr entfernten Zeiten, zu beschneiden die Unvorsichtigkeit hatten, welches ihr Erdreich in Gefahr setzte, von der Sonnenhitze zu verkalchen, und sie so weit brachte, daß sie weder Grben noch Bäche, noch Quellen haben; sie wußten nicht, daß auf den kleinen Inseln, in der Mitte eines unermeßlichen Meers, die Kühle des  mit Bäumen bedeckten Bodens allein im Stand ist, die Wolken zu hemmen, zu verdichten, und so auf den Bergen einen fast beständigen Regen zu unterhalten, welcher sich in Quellen, oder in Bächen, über die verschiedenen Gegenden verbreitet. Die Inseln, welche dieses Vortheils beraubt sind, befinden sich in einer schrecklichen Dürre, welche allmälig ihre Pflanzen, ihre Gesträuche vernichtet, und sie fast unbewohnbar macht.
   Herr von Langle und ich, wir bezweifelten nicht, daß dieses Volk das Unglück seiner Lage der Unklugkeit seiner Vorfahren verdankte; und es ist wahrscheinlich, daß die andern Inseln des Südmeers nur deswegen gewässert werden, weil sich hier glücklicher Weise unzugängliche Berge befanden, wo Holz zu fällen unmöglich war. Die Natur war also gegen diese letzteren Inselbewohner nur freygebiger, indem sie ihnen karger erschien, weil sie sich Plätze vorbehielt, welche sie nicht erreichen konnten. Ein langer Aufenthalt auf Isle de France, welche der Insel Paque so sehr ähnelt, hat mich belehrt, daß die Bäume dort niemals wieder treiben, wenn sie nicht gegen die Seewinde durch andere Bäume, oder durch Einfassungen von Mauern, geschützt werden; und diese Kenntniß entdeckte mir die Ursache der Verödung der Insel Paque.
   Die Bewohner der Insel haben sich weit weniger über die Ausbrüche ihrer seit langer Zeit verlöschten Vulkane, als über ihre eigene Unvorsichtigkeit zu beklagen: Weil aber der Mensch unter allen Wesen sich am leichtesten an alle Lagen gewöhnt, so erschien mir dieses Volk minder unglücklich, als dem Hauptmann Cook und dem Herrn Forster. Diese kamen auf die Insel nach einer langen und mühsamen Reise, entblößt von allem, krank am Scharbock : sie fanden hier weder Wasser, noch Holz, noch Schweine; einige Hühner, Bananas, und Patates, sind sehr schwache Hilfe in diesen Umständen. Ihre Berichte tragen das Gepräge dieser Lage. Die unsrige war unendlich besser, das Schiffsvolk genoß die vollkommenste Gesundheit; wir hatten in Chili mitgenommen, was uns auf mehrere Monate nothwendig war; und wir verlangten von diesem Volke nichts, als das Vermögen, ihm wohl zu thun; wir brachten ihm Ziegen, Schaafe, Schweine; wir hatten Kerne von Orangen, von Citronen, von Baumwolle, von Mais, und überhaupt alle Arten, welche auf einer Insel gedeihen konnten.
   Unsere erste Sorge nach dem Ausschiffen war, daß wir eine Einfassung mit bewaffneten und im Kreis gestellten Soldaten schossen; wir errichteten hier ein Zelt ich ließ die Geschenke an das Land bringen, welche ich für sie bestimmte, wie auch das verschiedenste Vieh; weil ich aber ausdrücklich verboten hatte, zu schießen, weil meine Befehle zugleich enthielten, nicht einmal auf die Weite einer Flintenkolbe die Indier zu entfernen, wo waren die Soldaten selbst der Raubsucht dieser  Inder ausgesetzt, deren Anzahl zugenommen hatte; sie waren wenigstens auf achthundert, und unter dieser Anzahl waren ganz gewiß hundert fünfzig Weiber. Die Gesichtsbildung dieser Weiber war angenehm, sie boten ihre Gunst einem jeden, wer ihnen irgend ein Geschenk machen wollte. Die Indier nöthigten uns, sie anzunehmen; einige unter ihnen gaben das Beyspiel von den Vergnügungen, welche sie uns verschaffen konnten; sie waren von den Zuschauern nur durch eine einfache Bedeckung von einheimischem Stoff getrennt; und während der Zauberspiele dieser Weiber nahm man uns die Hüte vom Kopf, und die Tücher aus den Taschen. Alle schienen Mitschuldige des an uns begangenen Raubes zu seyn; denn kaum war es geschehen, so entflohen sie, wie ein Zug von Vögeln, in dem nämlichen Augenblick. Weil sie aber sahen, daß wir keinen Gebrauch von unseren Flinten machten, so kamen sie nach einigen Minuten wieder; sie fingen ihre Liebkosungen wieder an, und lauerten auf den Augenblick zu eine neuen Diebstahl; dieses Verfahren dauerte den ganzen Morgen. Weil wir in der Nacht abgehen mußten, so begnügten wir uns, an der List uns zu weiden, welche die Insel anwendeten, um uns zu berauben; und um allen Vorwand zu irgend einer Art von Thätlichkeit zu benehmen, welche traurige Folgen haben gekonnt hätte, so meldete ich, daß ich den Soldaten und den Matrosen die weggenommenen Hüte zurück geben lassen würde.
   Diese Indier waren ohne Waffen; drey bis vier, von einer so großen Menge, hatten eine Art von hölzerner Keule, welche eine wenig furchtbar war. Einige schienen eine geringe Gewalt über die andern zu haben; ich hielt sie für Oberhäupter, und vertheilte Münzen unter sie, welche ich mit einer Kette ihnen an dem Halse befestigte, aber ich bemerkte bald, daß gerade sie die ausgezeichnetesten Räuber waren; und wiewohl grade sie sich das Ansehn gaben, als ob sie diejenigen verfolgten, welche uns die Schnupftüchern ahmen, so war doch leicht zu sehen, daß sie den entschiedensten Vorsatz hatten, sie nicht zu erreichen.
   Wir hatten nur acht bis zehn Stunden auf dieser Insel zu bleiben, und wir wollten diese Zeit nicht verlieren; ich übertrug daher die Bewachung des Zeltes, und aller unserer Güter, dem Herrn von Secures, meinem ersten Leutnant; ausserdem übergab ich ihm die Befehlhaberschaft über alle Soldaten und Matrosen auf dem Lande. Wort hielten uns hernach in zwey Haufen; der erste, unter den Befehlen des Herr von Langle, sollte so weit wie möglich in des Innere der Insel dringen, Saamen an alle die Orte säen, welch zu ihrem Fortkommen empfänglich scheinen würden; untersuchen sollte der den Boden, die Pflanzen, den Feldbau, die Bevölkerung, die Denkmale, und überhaupt alles, bey diesem sehr ausserordentlichen Volk von Wichtigkeit seyn kann; diejenigen, welche sich bey Kräften fühlten, große Wege zu machen, ließen sich mit ihm aufschreiben; in seiner Begleitung hatte er die Herren Dagelet, Lamanon, Duché, Dufresne, Martinière, den Vater Receveur, den Abbé Mongés, und den Gärtner. Der zweyte Haufen, zu welchem ich gehörte, begnügte sich mit Besichtigung der Denkmale, der Altane, der Häuser, und der Pflanzungen im Umkreise von einer Meile um unseren Sitz herum. Die vom Herr Hodges gelieferte Zeichnung diese Denkmale schildert sehr unvollkommen, was wir gesehen haben.
   Herr Forster hält sie für die Arbeit eines viel beträchtlicheren Volkes, als das jezt vorhandene ist; aber sein Urtheil scheint mir nicht gegründet. Das größte der plumpen Bruststücke, welche auf diesen Altanen sind, und welche wir gemessen haben, beträgt nur 14 Fuß, sechs Zolle Höhe; sieben Fuß, sechs Zoll Breite an den Schultern; drey Fuß Dicke am Bauch; sechs Fuß Breite, und fünf Fuß Dicke am Gestell. Diese Bruststücke, sage ich, könnten das Werk der gegenwärtigen Geschlechtsfolge seyn, bey welcher sich, ohne einige Übertreibung, die Bevölkerung auf zwey tausend Personen annehmen zu können glaube. Die Anzahl der Weiber schien mir der Anzahl der Männer sehr nahe zu kommen; ich habe so viele Kinder gesehen, wie in keinem andern Lande; und wiewohl bey ungefähr zwölfhundert Einwohnern, welche unsere Ankunft in die Ggend der Bucht versammelt hatte, höchstens dreyhundert Weiber waren, so habe ich hieraus keinen andern Schluß gezogen als die Vermuthung, daß die Insulaner vom Ende der Insel unsere Schiffe zu sehen gekommen, und daß die Weiber entweder, weil sie behutsamer, oder mehr mit ihrer Haushaltung und mit ihren Kindern beschäftigt sind, in ihren Häusern geblieben wären; so daß wir nur diejenigen gesehen haben, welche in der Nachbarschaft der Bucht wohnen.
   Der Bericht des Herr von Langle bestätigt diese Vermuthung, er hat in dem Innern der Insel viele Weiber und Kinder angetroffen; und wir sind alle in die Höhlen getreten, in welchen Herr Forster, und einige Offiziere des Hauptmann Cook anfangs glaubten, daß die Weiber verbogen seyn könnten. Es sind unterirdische Häuser, von der nämlichen Gestalt, wie diejenigen, welche ich sogleich beschreiben werde, und in welchen wir kleine Bündel fanden, wovon das größte Stück noch nicht fünf Fuß lang, und nicht über sechs Zoll im Durchmesser war. Doch kann man nicht in Zweifel ziehen, daß die Einwohner ihre Weiber versteckt hatten, als der Hauptmann Cook sie im Jahr 1772 besuchte; aber es ist mir unmöglich, den Grund davon zu errathen, und wir verdanken vielleicht der edelmüthigen Art, wie er sich gegen dieses Volk benahm, das Zutrauen, welches dasselbe gegen uns bezeigte, und welches uns in den Stand setzte, die Menge desselben besser zu beurtheilen.
   Alle noch vorhandenen Denkmale, wovon Herr Duché eine sehr genaue Zeichnung geliefert hat, scheinen sehr alt zu seyn. Man kann nicht bezweifeln, daß die Form ihrer gegenwärtigen Regierung die Stände so gleich gemacht hat, daß sich kein so ansehnliches Oberhaupt mehr findet, daß eine große Anzahl von Menschen sich mit der Sorge beschäftigte, sein Andenken durch Errichtung einer Statue zu erhalten. Man vertauschte jene Kolossen mit kleinen spitzigen Haufen von Steinen; der auf der Spitze war mit einem Kalchwasser überweisset. Diese Arten von Grabmalen, welche das Werk von einer Stunde für einen einzigen Menschen sind, findet man haufenweise an dem Ufer des Meeres; und ein Indier bewieß, indem er sich auf die Erde legte, uns deutlich, daß diese Steine ein Grab deckten; dann hob er die Hände gen Himmel, und wollte dadurch sichtbar ausdrücken, daß sie an ein anders Leben glaubten.
   Ich war sehr mistrauisch gegen diese Meinung, und ich gestehe, daß ich sie für sehr entfernt von diesem Gedanken hielt; als ich aber dieses Zeichen von mehreren wiederholen gesehen, und Herr von Langle, welcher in das Innere der Insel gekommen war, mir den nämlichen Umstand erzählt hatte, so hatte ich hierüber weiter keinen Zweifel, und ich glaube, daß alle unsre Officiere und Reisende diese Meinung angenommen haben. Doch haben wir keine Spur von einer Gottesverehrung gesehen; denn ich glaube nicht, daß jemand die Statuen für Götzenbilder halten könnte, wiewohl diese Indier eine Art von Ehrfurcht für sie bezeigten.
   Jene Bruststücke von Riesengröße, wovon ich bereits die Abmessungen gegeben habe, und welche deutlich zeigen, wie geringe Fortschritte sie in der Bildhauerkunst gemacht haben, sind ein vulkanisches Erzeugniß, welches den Naturforschern unter dem Namen Lapillo bekannt ist; es ist ein so zarter und so leichter Stein, daß einige Officiere des Hauptmann Cook glaubten, er könne gemacht seyn, und aus einer Art von Mörtel bestehen, welcher sich an der Luft verhärtete habe. Es bleibt nur noch zu erklären übrig, wie man es möglich machte, ohne einen Unterstützungspunkt, ein so beträchtliches Gewicht zu erheben; aber wir sind gewiß, daß es ein vulkanischer sehr leichter Stein ist, und daß man mit Hebeln von fünf bis sechs Klaftern, und vermittelst untergeschobener Steine, im Stande ist, wie es der Hauptmann Cook sehr gut erklärt, ein noch beträchtlicheres Gewicht zu erhaben, und hundert Menschen sind zu dieser Arbeit hinlänglich; es wäre kein Raum zur Arbeit für eine größer Anzahl Menschen vorhanden.
   So verschwindet das Wunderbare; man giebt der Natur ihren Lapillostein wieder, welcher nicht erkünstelt ist; und man hat Grund zu glauben, daß, wenn sich keine neuen Denkmale auf der Insel mehr finden, die Ursache davon keine andere ist, als, weil alle Stände hier gleich sind, und niemand mehr eifersüchtig ist, König eines Volkes zu seyn, welches fast nackt ist, welche von Patates und Igmanes lebt; und da auf der anderen Seite diese Indier keinen Krieg führen können, weil sie keine Nachbarn haben, so bedürfen sie keines Oberhauptes, welches eine etwas ausgebreitete macht hätte.
   Blos wagen kann ich Muthmaßungen über die Sitten dieses Volkes, dessen Sprache ich nicht verstand, und welches ich nur einen einzigen Tag gesehen habe; aber ich hatte die Erfahrung der früheren Seefahrer; ich kannte vollkommen ihre Berichte, und ich konnte meine eigenen Bemerkungen damit verbinden.
   Der zehnte Theil des Landes ist hier kaum bebaut; und ich bin überzeugt, daß eine Arbeit von drey Tagen für jeden Indier hinreicht, um sich auf ein Jahr Unterhalt zu verschaffen. Diese Leichtigkeit, womit für die Bedürfnisse des Lebens gesorgt werden kann, brachte mich auf die Vermuthung, daß die Erzeugnisse des Bodens gemeinschaftlich wären; zumal da ich fast gewiß bin, daß die Häuser wenigstens einem ganzen Dorf oder Bezirk gemeinschaftlich sind. Ich habe eines dieser Häuser neben unserm Wohnplatz gemessen; es hatte dreyhundert zehn Fuß Länge, zehn Fuß Breite, und zehn Fuß Höhe in der Mitte; seine Gestalt, war wie eine umgestürzte Piroge; man konnte nur durch zwey Thüren von zwey Fuß Höhe hinein kommen, und so, daß man auf den Händen fort rutschen mußte. Dieses Haus kann mehr als zweyhundert Personen fassen; es ist nicht die Wohnung des Oberhaupts, weil kein Geräth darinn ist, und ein so großer Raum ihm unnütz seyn würde, es macht für sich allein ein Dorf, nebst zwey bis drey andern kleinen Häusern in geringer Entfernung.
   Wahrscheinlich ist in jedem Gebiet ein Oberhaupt, welches eine genauere Aufsicht über die Pflanzungen hat. Der Hauptmann Cook glaubte, daß dieses Oberhaupt der Eigenthümer davon wäre; wenn aber dieser berühmte Seefahrer einige Mühe gehabt hat, sich eine beträchtliche Menge von Patates und Ignames zu verschaffen, so muß man diesen Umstand nicht so sehr dem Mangel an Eßwaeren, zuschreiben, sondern der Nothwendigkeit, eine fast allgemeine Einstimmung zu deren Verkauf zu erhalten.
   An Ansehung der Weiber wage ich nicht zu entscheiden, ob sie einem ganzen Bezirk gemein sind, und ob die Kinder dem Staat gehören; gewiß ist, daß kein Indier über irgend ein Weib die Macht eines Ehemannes zu haben schien; und wenn dieses das eigenthümliche Gut eines jeden ist, so sind sie damit sehr verschwenderisch.
   Einige Häuser sind unter der Erde, wie ich bereits gesagt habe; aber die anderen sind von Binsen erbaut, ein Beweiß, daß in dem Innern der Insel morastige Stellen sind; diese Binsen sind sehr künstlich geordnet, und schützen sollkommen wider den Regen. Dieses Gebäude ruht auf einer Unterlage von gehauenen Steinen von achtzehn Zoll Dicke, in welche man, in gleichen Entfehrnungen, Löcher ausgehöhlt hat, in welche Stangen hinein treten, welche das Zimmerwerk ausmachen, und sich wie ein Gewölbe zurückbiegen; Matten von Binsen decken den Raum zwischen diesen Stangen.

 

La Pérouse, Jean- François de Galaup
Entdeckungsreise in den Jahren 1785, 1786, 1787 und 1788
Band 1, Leipzig 1799

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