1836 - Helmuth von Moltke, preußischer Offizier in osmanischen Diensten
Die Brücke über das Goldene Horn
Konstantinopel
Das Neueste aus Konstantinopel ist, daß Achmet, der Capudan-Pascha, welcher bisher Muschir der Garden war, eine Brücke über den Hafen hat bauen lassen, die erste, welche seit dem strengen Winter zu Kaiser Theodosius Zeiten Galata mit Konstantinopel vereinte. Sie ist 657 Schritte lang, 25 Schritte breit, und ein ganzer Wald der schönsten Mastbäume ist darin versenkt. [Heute steht dort die moderne Atatürk-Brücke.] Man konnte nun vom Pallast des Großherrn zu Beschicktasch bis über die Brücke fahren, aber von dort ging es nicht weiter, und Mehmet Chosref Pascha befahl mir, die zweckmäßigste Richtung einer Straße zu ermitteln, welche von der Brücke nach dem Seraskeriat in den fahrbaren Divan jolu führen sollte. Die Aufgabe war leicht, denn Läden, Gartenmauern, Häuser und Kaffee’s, welche im Wege standen, wurden ohne Weiteres niedergerissen, und Sultan Mahmud war der Erste, welcher vorgestern in einem Wagen von Galata nach der Moschee Bajasids fuhr. Die Brücke wurde vorher mit einer religiösen Weihe eröffnet, der Padischah vollzog den Kurban oder das Opfer, indem er das Messer berührte, mit welchem dreizehn Widder an der Landschwelle der Brück geschlachtet wurden. Dem Capudan-Pascha schenkte er einen prachtvollen Säbel mit Brillanten.
Für die Bewohner von Konstantinopel und Pera (mit Ausnahme der Kaiktschi oder Ruderer) ist diese Brücke ein wahres Geschenk.
Moltke, Helmuth von
Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839
Berlin, Posen, Bomberg 1841