Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1836 - Helmuth von Moltke, preußischer Offizier in osmanischen Diensten

Über den mobilen Reichtum in Konstantinopel

 

Noch vor zwölf Jahren galt der spanische Thaler 7 Piaster, jetzt kauft man ihn für 21. Wer damals über ein Vermögen von 100.000 Thalern verfügte, findet heute, daß er nur 33.000 besitzt. Diese Calamität ist größer in der Türkei als in jedem anderen Lande, weil sehr wenig Kapitalien in Grundbesitz angelegt werden, und die Reichthümer hier meist nur aus Geldvermögen bestehen. In den gesitteten Ländern Europas entspringen die Vermögen aus einer wirklichen Hervorbringung werthvoller Gegenstände; der welche auf diese Weise seinen Reichthum erwirbt, mehrt zugleich den des Staats, und das Geld ist nur der Ausdruck für die Menge der sachlichen Güter, über welche er verfügt. In der Türkei ist die Münze das Gut selbst, und Reichthum eine zufällige Anhäufung der einmal vorhandenen Geldmenge auf das eine oder andere Individuum. Der sehr hohe Zinsfuß von 20 Procent ist in diesem Lande weit entfernt, ein Beweis von der großen Thätigkeit der Kapitalien zu sein; er zeugt nur von der großen Gefahr, welche damit verbunden ist, sein Geld aus der Hand zu geben. Die Bedingung alles Reichthums hier ist, daß man ihn flüchten könne. Der Rajah [Nicht-Muslim] wird lieber ein Geschmeide aus für 100.000 Piaster kaufen, als eine Fabrik, eine Mühle oder ein Vorwerk anlegen. Nirgends giebt es mehr Vorliebe für Schmuck als hier, und die Juwelen, welche in reichen Familien selbst Kinder von wenig Jahren tragen, sind ein glänzender Beweis für die Armuth des Landes.

 

Moltke, Helmuth von
Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839
Berlin, Posen, Bomberg 1841

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