Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1883 - Richard Parkinson, Pflanzer und Forscher aus Schleswig-Holstein
Das Elend der Fremdarbeiter
Samoa

 

Es wird häufig behauptet, drei Jahre Arbeit übten einen civilisirenden Einfluß auf die Eingeborenen aus. Ich meinesteils bin ganz entgegengesetzter Meinung. Woher sollte der civilisirende Einfluß kommen? Von Seiten des Plantagenbesitzers geschieht nichts zur Civilisirung seiner Arbeiter. Für ihn ist der Arbeiter nur ein Lastthier, das täglich gefüttert werden muß, weil es sonst nicht imstande wäre, die zum Gedeihen der Pflanzung notwenige Arbeit zu verrichten. Die Ernährung der Arbeiter ist häufig unzureichend, und infolgedessen erkranken und sterben auch viele. In den Pflanzungen auf Samoa sterben in den günstigsten Jahren 10 Prozent der Arbeiter, und in den Colonien ist es genau ebenso. Bis vor wenigen Jahren entbehrten die zirka 1.200 Arbeiter in Samoa fast ganz der ärztlichen Pflege. Erst seit 1880 ist dort ein eigener Arzt für die Plantagenarbeiter angestellt.
   Noch niemals habe ich gehört, daß ein nach seiner Heimat zurückgekehrter Arbeiter die in den Pflanzungen erworbenen Kenntniß von dem Anbau nützlicher Kulturpflanzen auf seiner Insel praktisch verwerthet hätte. Die dreijährige, meist erzwungene Arbeit hat ihn aller Anstrengung abhold gemacht, er ist nach seiner Rückkehr der Faulste aller Faulen. Und warum sollte er auch noch ferner tätig sein? Hat er doch bei den ganzen bei der Anwerbung bedungenen Lohn mit heimgebracht und davon kann er eine geraume Zeit zehren. Außerdem eignet er sich ein wenig von der Sprache der weißen Männer an und kann daher mit bestem Erfolg betteln, wenn Schiffe seine Insel besuchen. Ja nicht selten sind gerade solche ehemaligen Plantagenarbeiter die Anstifter von Überfällen auf weiße Reisende oder Kaufleute. Durch harte, ungerechte Behandlung von Seiten ihrer weißen Herren hat sich in den Herzen ein tiefer Groll gegen dieselben festgesetzt, der dann in Haß gegen alle Weißen übergeht. Missionare und Ansiedler auf denjenigen Inseln, welche in den letzten Jahren das größte Kontingent von Arbeitern an die Südseepflanzungen geliefert haben, stimmen ohne Ausnahme darin überein, daß der zurückgekehrte Arbeiter nicht nur selber demoralisirt ist, sondern auch einen überaus demoralisirenden Einfluß auf seine daheim gebliebenen Landsleute ausübt.
   Aus dem Sammeldepot, das die deutsche Handelsgesellschaft in Mioko [Duke of York Inseln, Bismarck-Archipel] unterhält, wurden in dem Jahre 1883.84 circa 700 in Neu-Britannien und Neu-Irland angeworbenen Arbeiter nach Samoa verschifft. Die Angeworbenen werden hiernatürlich streng bewacht, damit sie nicht vor der Einschiffung entfliehen; dennoch finden Fluchtversuche häufig genug statt, und trotz der breite des St. Georgs-Kanals und dessen reißender Strömung mag mancher kühne Schwimmerseinen heimatlichen Strand erreichen.
   Englische Werbeschiffe führten im Jahre 1883 ungefähr 1500 Eingeborene von Neu-Britannien und Neu-Irland als Plantagenarbeiter nach Queensland und nach den Fidschi-Inseln.

 

Parkinson, Richard
Im Bismarck-Archipel. Erlebnisse und Beobachtungen auf der Insel Neu-Pommern (Neu-Britannien)
Leipzig 1887

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