Juli 1906 - Korvettenkapitän Lübbert
Das Forschungsschiff Planet in Sri Lanka
Am 3. Juli wurde Colombo erreicht. Wer in Colombo gewesen ist, wird sich der Molen erinnern, welche in grossem Umkreis einen Teil des monsungepeitschten Meeres abschliessen und zum sicheren Hafen gestalten. Wohl kaum an einem anderen Platz der Welt wird so deutlich der Triumph der Technik und des Fleisses dem Besucher so offenkundig und den vor Augen geführt, wie hier. Tanjong Priok, Batavias Hafen, ist ähnlich angelegt; aber dort handelt es sich doch nur um ein stilleres Binnenmeer, und die Dimensionen sind nicht so gewaltig. Da liegen die grossen Ozeandampfer neben den malayischen Praus mit ihren hohen Aufbauten, da schwimmen die stattlichen Auslegerboote und Flossfahrzeuge, die sogenannten Katumaran, neben Ruderbooten und flinken Pinassen. Wer den Seeverkehr in seiner großartigsten Entfaltung sehen will, der muss nach Colombo gellen, wo abendländische Tatkraft und Umsicht mit orientalischer Tropenpracht einen einzigen Bund geschlossen haben. Der Hafen von Colombo ist landschaftlich nicht schön im Gegenteil. Vom Schiff aus sieht man nur einen flachen Landstrich mit flachen Häusern. Aber ist man erst in der Stadt selbst mit ihren Basaren und in den singhalesischen Vorstädten mit Tempeln und Gärten, entrollt sich ein wunderbares Bild.
In wenigen Stunden führt der Zug den Besucher ins Gebirge hinauf. Kandy, die Residenz der ehemaligen singhalesischen Fürsten mit seinem berühmten Zahntempel, kann man in einem Tag von Colombo aus besuchen; es ist das Ziel der meisten Reisenden, wenn sie nur einen vollen Tag Zeit haben. Dort wohnt man bequem im Queens-Hotel an den Ufern des grossen ummauerten Teiches. Aber das nur 500 in hoch gelegene Kandy ist jetzt überholt durch Nuwara Eliya, kurz Njuräliä gesprochen. Die Bahn zu dem ca. 2000 m hoch gelegenen Platz ist jüngst vollendet worden, ebenso nach der alten Hauptstadt im Norden, dem zauberhaften ruinenreichen Anuradjapura, von dessen Kunstschätzen sich jetzt eine ganze Reihe prächtiger Stücke im Museum von Colombo befinden. Wer Ceylon kennen lernen will, muss dies Museum besuchen, schon um sich über die eigenartige Fauna der Insel zu orientieren, die teilweise in ihren Urformen zu sehen ist.
Die Fahrt nach Kandy führt erst durch die Ebene, durch feuchtes, sumpfiges Tiefland; allenthalben Reisfelder, umrahmt von Baumgruppen, unter denen die schlanken Arecapalmen besonders hervorstechen; und dazwischen Teiche und Lotosblumen. Allmählich geht es bergan, steil und steiler: das Zahnrad ist in Tätigkeit getreten, und mit grossartiger Kühnheit windet sich der Bahnstrang empor, eingehauen in die Felsen, an schwindelnd steilen Abhängen entlang. Herrliche Fernblicke weit über das hügelige, Vorgelände hinweg in die Ebene hinein und auf die terrassenförmig aufgebauten Reisfelder in der Tiefe. Ein Tunnel, pechschwarzes Dunkel, und plötzlich eröffnet sich ein ganz anderes Bild: das Hochland mit seinen bizarren Formen, nur wenig von Wolken verhüllt; alles atmet die erhabene Planlosigkeit der freien Natur. Weiter geht's. Die ReisfeIder haben aufgehört, hier und da sind Teepflanzungen zu bemerken - und auf der ganzen Bahnstrecke von Kandy nach Nuwara Eliya drücken sie der Landschaft den Charakter auf - in ihrer Massenausdehnung keinen verschönernden. Nach dem Zusammenbruch der Kaffeeplantagen durch Schädlinge in der Mitte der achtziger Jahre, wobei eine Krisis nur durch den sonstigen Reichtum des Landes vermieden wurde, hat man sich nach einer kurzen, wenig einträglichen Übergangsperiode mit Chinarinde für Teekultur entschieden und wohl selbst nicht in den kühnsten Hoffnungen derartige Erfolge erwartet, wie sie eingetreten sind. Der Boden muss dem Teestrauch aussergewöhnlich gut zusagen. Das Ende der Entwicklung ist nicht abzusehen, da immer neues Land, das bisher als zu steil und zerklüftet brach liegen musste und mit wuchernder Tropenvegetation bedeckt war, gerodet und bepflanzt wird. Darin ist die Teepflanze, die im übrigen in sorgfältiger Behandlung auch bezüglich Entfernung des Unkrauts, ungefähr die Anforderungen des Weinstockes stellt, genügsam - gleich wie der Weinstock: sie wächst an den steilsten Hängen. Bei knorriger Staude gibt ihr vielverzweigtes Wurzelgeflecht der Humus-Schicht einen guten Halt gegen die starken Regengüsse.
Forschungsreise S.M.S. Planet 1906/7
1. Band Reisebeschreibung, bearbeitet durch Korvetten-Kapitän Lübbert
hrg. vom Reichs-Marine-Amt
Berlin 1909