Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

Juni 1906 - Korvettenkapitän Lübbert
Das Forschungsschiff Planet auf Mauritius

 

Am Morgen des 8. kam die Insel mit ihren bizarren Formen, den wildzerissenen, bis zu 800 m hohen Bergkonturen in Sicht, worunter der kegelförmige Pieter Both, dem ein Felskoloss wie ein Punkt dem "i" aufsitzt, besonders auffällt. Bald lag das Schiff in Port Louis an sicherer Boje fest. Es ist ein guter Hafen, nahezu cyklonsicher und gilt als wichtige Etappenstation zwischen der Kapkolonie und Britisch Indien.
   Die gastliche Aufnahme in diesem Hafen war eine aussergewöhnlich freundliche und zuvorkommende. Der stellvertretende Gouverneur Sir Graham Bower, früher höherer Marineoffizier, war nicht allein bemüht, den Expeditionsmitgliedern die wissenschaftlichen Einrichtungen, als Observatorium, botanischer Garten, Museum, Hospitäler usw. zugänglich zu machen, sondern trug auch kameradschaftlicher Aufnahme durch ritterliche Gastlichkeit in dem Gouverneurs-Palast "Reduit" Rechnung. Dieser liegt auf der Höhe in kühlender Nachtfrische, weit entfernt von dem Getriebe der engen und warmen Hafenstadt Port Louis.
   Die Stadt ist keineswegs schön und sauber zu nennen.  Aber man bedenke auch, dass gegen 300.000 Inder, grösstenteils als Arbeiter für die Zuckerrohrpflanzungen auf der kleinen Insel Mauritius leben, ungefähr 6/7 der Gesamtbevölkerung, leben. Die Stadtbevölkerung von Port Louis hat ihre alte französische Abkunft noch nicht vergessen. Eben als "Planet" hier zu Anker lag, wurde die Nachricht verbreitet, dass Frankreich mit England in Verhandlung stehe, wegen Abtretung von Mauritius. Da ungefähr alle 100 Jahre seit der Entdeckung der Besitz der Insel zwischen Portugiesen, Holländern, Franzosen und Engländern gewechselt hat, so dachten die Zeitungen offenbar an die geschichtliche Wechseltradition. Natürlicherweise schenkte man dem Gerücht wenig Glauben. In Wirklichkeit würde solch ein Vorkommnis zur Zeit auch den französischen Pflanzern kaum willkommen gewesen sein, denn die augenblickliche Geschäftslage war auf Mauritius eine gute. Der Zuckerabsatz von Mauritius nach Indien hin und sogar nach Südafrika findet unter durchaus geistigen und lohnenden Bedingungen statt und darunter leidet das nahe französische Bourbon. Aber doch zeigt sich hier deutlich der Erfolg einer Klausel bei der Abtretung vor hundert Jahren, nach welcher Sprache, Sitten und Recht der französischen Bevölkerung von Mauritius 100 Jahre lang nicht angetastet werden sollten.
   Nahe dem Landungsplatz in Port Louis fährt beim Postgebäude die Eisenbahn über den freien Platz und mit dieser Fahrgelegenheit erreicht man in einer halben Stunde den nördlich gelegenen Botanischen Garten Pamplemousses. Er eifert mit dem Paradeniya-Garten auf Ceylon und dem von Buitenzorg auf Java um den Preis der Schönheit und er hat dazu ein Recht. Die Anlagen um einige kleine Teiche herum, zwischen denen Wege und Rasenplätze liegen, gehören unbestreitbar zu den üppigsten und vollendetsten Bildern tropischer Vegetationskultur. Da standen herrliche Exemplare von Ravenalen und Taropflanzen, überragt von blühenden Teakholzbäumen und Königspalmen. Auf einer der Inseln steht ein Pavillon, im Grün versteckt, in welchem ein üppiges Frühstück gereicht wurde. Von der Decke und an den Wänden des luftigen Hauses hingen Farne und Orchideen in zauberischer Pracht. Der Direktor hatte zu Ehren der Expedition allen Glanz entfaltet. Nach dem Essen pflanzten die Gäste Erinnerungsbäume: Diospyros der Kommandant, Labourdonaisia, Canarium usw. die übrigen.
   Im Garten Pamplemousses liegen an einer schönen Baumreihe auch die Gräber von Paul und Virginie, welche der Dichter auf dieser Insel ihr sonniges Dasein geniessen liess. Und der Botanische Garten ist dazu angetan, den Besucher in die romantische Stimmung alter französischer Tropenherrlichkeit zu versetzen.
   Zweier Autochthonen von Mauritius sei noch gedacht, der Dronte, auch Dodo genannt, und der Riesenschildkröte. Zur Zeit der Entdeckung durch den Portugiesen Peter Mascarenhas im Jahre 1505 waren der Dodo, ein flugunfähiger Vogel von der Grösse eines Schwans, und die Riesenschildkröte in grossen Massen auf der Insel vertreten. 150 Jahre später, und beide waren ausgerottet, da den Tieren kein Schutz zuerkannt wurde. Die Ostindienfahrer haben grossen Anteil an der Vernichtung.
   Der Mensch stellt sich als freies Wesen so oft in feindlichen Gegensatz zu der Natur. Hier zerstörte er, ohne ein grosses Ziel vor Augen zu haben, nur weil er Freude am Zerstören und Gefallen an der Übung seiner Kräfte hatte, und die Natur hatte ihre Kinder mit zu geringem Schutz ausgestattet.
   Die Holländer, welche die Portugiesen ablösten, und die Insel nach einem ihrer Prinzen "Mauritius" benannten, haben Ölbilder von dem Dodo überliefert, wodurch wenigstens das Ansehen des Tieres bekannt geblieben ist.
   Das Museum des Jardins in der Stadt bewahrt ein vollständiges Skelett der Dronte, des Didus ineptus L, dessen Schädel vor allem gut erhalten ist, und des kleineren Solitärs, des Aphanapteryx imperialis, sowie einer dritten kleineren Vogelart Aphanapteryx broeckii, welche die Einheimischen rouge bécasse nennen.
   Der Direktor des Museums gestattete freundlichst die Aufnahme der seltenen Stücke.Er hatte eine grosse Sammlung vereinzelter Knochen, welche immer noch gelegentlich gefunden werden; nur der Schädel mit dem grossen Schnabel ist selten auch nur einigermassen erhalten.
   Ein besonderes Interesse nahm noch die meteorologische Station in Anspruch mit ihren isolierten seismographischen und magnetischen Instrumenten, die alle in einem unterirdischen Gewölbe untergebracht sind.
   Die Station ist durch ihre Cyklonbeobachtungen dem Seefahrer hinreichend bekannt.
   Das dicht dabei stehende Arbeits- und Wohnhaus, in dem niederen Gelände beim botanischen Garten gelegen, ist moskitosicher gebaut, denn seit 1885 ist auf Mauritius die Malaria, wahrscheinlich von Indien her eingeschleppt.
   In dem hochgelegenen Reduit war eine solche Vorsicht nicht nötig, wenn auch Moskitonetze während der Nacht nicht entbehrt werden konnten. Die alte Residenz war im Botanischen Garten gelegen, bis der Wohnsitz des Gouverneurs nach Reduit auf die Höhe verlegt wurde. Reduit ist ein schlichter Bau, am Portal ragt noch die bourbonische Lilie, und die unteren Repräsentationsräume zeigen den Stil Ludwigs XV. Aber der Park um das Haus atmet englische Gartenkunst; allzu gross ist er nicht, denn zu beiden Seiten ist eine tiefe Schlucht, und die beiden Bäche, welche dieselbe ausgewühlt haben, bezeichnen seewärts durch ihre Vereinigung das Ende, ein Kap mit grossartigem Ausblick in die Tiefe und über das flutende Gelände. Diners, Bälle, Gartenfeste, Tennispartien seitens des Gouverneurs und der englischen Kameraden sowie Festlichkeiten an Bord machten jene wenigen Tage auf Mauritius für die Expeditionsmitglieder unvergesslich. Es war eine herzliche englische Gastfreundschaft.

 

Forschungsreise S.M.S. Planet 1906/7
1. Band Reisebeschreibung, bearbeitet durch Korvetten-Kapitän Lübbert
hrg. vom Reichs-Marine-Amt
Berlin 1909

Reiseliteratur weltweit - Geschichten rund um den Globus. Erlebtes und Überliefertes aus allen Teilen der Welt. Entdecker – Forscher – Abenteurer. Augenzeugenberichte aus drei Jahrtausenden. Die Sammlung wird laufend erweitert – Lesen Sie mal wieder rein!