1851 - Heinrich Barth
In der Handelsmetropole Kano
Nigeria
Das heutige Kano ist von einer Ringmauer umschlossen, deren Umfang nicht viel weniger als vier deutsche Meilen [30 km] beträgt. Dieselbe ist in der That für dieses Land ein höchst großartiges Bauwerk und wird noch jetzt in bestem Zustand erhalten. Der ungeheure Raum, den die Mauer einschließt, wurde ganz unbezweifelt nie von den bewohnten Quartieren der Stadt ausgefüllt, diese wurden vielmehr früher an der Südseite von einer älteren, bei weitem nicht so ausgedehnten Mauer begrenzt, deren Spuren noch unverkennbar sind.
Das bewohnte Viertel nimmt nur den südöstlichen Theil des Raums innerhalb der Ringmauern en, zwischen dem Felsenhügel Dala und der südlichen Mauer; nur hier läuft die Mauer hart an den Wohnungen hin, ist dagegen an allen anderen Stellen durch ausgedehntes Feldland davon geschieden. Im Norden und Westen der Stadt mag diese Entfernung etwa eine Stunde betragen, im Osten dagegen weniger. Der Grund, die Befestigungswerke so weit hinauszurücken, war wohl kein anderer als ein rein strategischer; man wollte Raum gewinnen, zur Zeit einer Belagerung die Bewohner des flachen Landes aufnehmen und innerhalb der Mauern einen genügenden Vorrath von Korn für die gesammte Bevölkerung bauen zu können.
Ohne hier auf eine Aufzählung der einzelnen Quartiere eingehen zu wollen, die in meinem ausführlichen Tagebuch nachzusehen sind, bemerke ich nur noch, was schon oben angedeutet wurde, daß die Stadt durch den von Osten nach Westen sich erstreckenden sumpfigen Teich Djakara in zwei Theile getheilt wird, einen nördlichen kleineren und einen südlichen größern. Jener wird von der besiegten Rasse, den Habe oder Kohelan, und außerdem von den sich in stets steigender Zahl ansiedelnden Arabern bewohnt, dieser von der herrschenden Rasse der Fulbe. Wenn Kano das London des mittleren Sudan genannt wird, so kann man diese scheidende Djakara wohl mit der Themse vergleichen, obgleich sie nur ein stehendes Gewässer ist; denn wie die Themse die große Gosse Londons bildet, so ist die Djakara die Gosse Kanos, die Quais beider aber sind sich darin sehr ähnlich, daß sie nicht eben besonders anmuthig und wohlduftend sind. Überhaupt ist die Stadt in hohem Grade schmutzig und wird für Europäer stets einer der ungesundesten Orte bleiben.
Im Allgemeinen sind Thongebäude und Hütten in der ganzen Stadt untereinander gemengt, im südlichen Quartier aber sind die letzteren die vorherrschenden Wohnungen. Die Lehmhäuser, so weit ich ihr Inneres kennen lernte, d.h. in dem Quartier Dala, wo arabischer Einfluß vorherrschte, sind zwar meistens mit einer Art zweitem Stock versehen, aber höchst unbequem gebaut; der größtmöglichen Abgeschlossenheit des häuslichen Lebens ist jede Rücksicht auf Luft und Licht zum Opfer gebracht. Nur wenige Häuser machen hiervon eine Ausnahme. Die Hofräume sind stets sehr klein, und Kano bleibt hinsichtlich der Zweckmäßigkeit seines Baustyles weit hinter Agades und Timbuktu zurück.
Was die Anzahl der Einwohner betrifft, so vermag ich dieselbe nur annähernd anzugeben, glaube aber sicherlich nicht über die Wahrheit hinauszugehen, wenn ich die stehende Bevölkerung auf 30.000 veranschlage. Wie in jedem großen Handelsplatz, so ist auch hier die Bevölkerung sehr gemischt; die hauptsächlichsten Elemente sind die Kanori oder Leute von Bornu, die Haussaua, Fulbe, Nyffaua oder Tapua; Wangaraua giebt es hier nur sehr wenige, dagegen Araber in ansehnlicher Anzahl, die durch Handel und Handarbeit zur Wichtigkeit des Platzes nicht unbedeutend beitragen. Der Zudrang von Fremden und die Zahl der nur zeitweilig Ansässigen ist sehr groß, so daß zur Zeit der größtem Regsamkeit, in den Monaten Januar bis April, die stetige und wechselnde Bevölkerung zusammengenommen sich gewiß bis auf 60.000 Menschen belaufen kann. Was das Verhältniß der erobernden zu der besiegten Rasse betrifft, so glaube ich, daß die Zahl der in der Stadt wohnenden Fulbe oder Fellani, jedes Alter und Geschlecht inbegriffen, 4.000 nicht überschreitet. Während so die Zahl der Herrschenden eine geringe ist, ist dagegen diejenige der wirklich Unfreien, der Haussklaven, eine sehr bedeutende; doch glaube ich nicht, daß sie derjenigen der Freien gleichkommt, noch weniger sie übersteigt.
Ich habe schon gesagt, daß Kano die bedeutendste Stadt für den Handel im mittleren Negerlande nördlich vom Äquator ist, aber sie ist es auch für die Manufaktur. Daß Handel und Manufaktur hier Hand in Hand gehen und daß fast jede Familie ihren Antheil daran hat, darin besteht eben der große Vortheil Kanos. Sein Handel verbreitet sich im Norden bis nach Mursuk und Rhat, ja selbst bis Tripolis, erreicht im Westen nicht nur Timbuktu, sondern sogar die Küsten des Atlantischen Oceans; gegen Osten erstreckt er sich über ganz Bornu, ja bis nach Baghirmi, obgleich er in diesen beiden Ländern mit der eigenen Manufaktur der Eingebornen in Berührung kommt. Wenn die weite Ausdehnung des Handelsgebietes einer Stadt Central-Afrikas schon im Allgemeinen Staunen erregen muß, so hat insbesondere der Handel Kanos nach Westen hin, nach Timbuktu, ein bedeutendes kulturgeschichtliches Interesse, um so mehr, als diese eine vor meiner Reise völlig unbekannte Thatsache war. Alle in letztgenannter Stadt getragene Kleidung besserer Qualität kommt aus Kano oder Ssanssandi; in welchem Begehr aber die Baumwollenwaaren Kanos daselbst stehen, ergiebt sich aus dem ungeheuren Umweg, den die Waare macht, um den Gefahren der direkten Straße zwischen den beiden Orten, welche ich verfolgte, zu entgehen. Diese Handelsstraße führt nämlich auf dem ungeheuren nördlichen Umweg über Rhat, ja selbst über Ghadames, nach Tauat, und dann erst geht sie wieder südlich nach Arauan und Timbuktu. In hohem Grad merkwürdig aber ist dieser Handel, weil er aus einem erst in neuerer Zeit der Kultur erschlossenen Theil Mittel-Afrikas nach Gegenden führt, in denen weit früher reiche und mächtige Staaten blühten; ich meine die Landschaften am oberen Lauf des Niger. Leider sind wir nicht im Stande, seinen Entwicklungsgang im Einzelnen zu verfolgen; es scheint aber unzweifelhaft, daß die große Industrie in Kano nicht von hohem Alter sein kann, und kaum kann man sich denken, daß sie schon vor dem Falle Katsenas bestand, da erst nach dieser Zeit Kano zum Mittelpunkt des Handels wurde. Genug, in gegenwärtiger Zeit müssen die Bewohner des einstigen Reiches Ssonrhai, das, obgleich selbst erst mit seiner Handelsblüte und Macht auf den Trümmern des Reiches Melle emporwachsend, von dem erst jüngst erblühten Kano aus sich mit ihren Bedürfnissen versehen. Welch ein unendlicher Fortschritt und welche gänzliche Umwälzung aller Verhältnisse stellt sich in diesem einen Umstand dar, wenn wir ihn mit dem von Leo [Africanus] beschriebenen Zuständen vergleichen! Damals, im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts, die Kanaua und Katsenaua halbnackte Barbaren, der Markt von Ga-rho oder Gog, der großen, blühenden Ssonrhai-Hauptstadt, dagegen voll Gold und regem Handel; jetzt Kano eine gewaltige Stadt voll Leben und Gewerbfleiß, die einen großen Theil des ganzen Kontinents und selbst die Bewohner der Ruinen eben jener Hauptstadt des Ssonrhai-Reiches mit ihren Manufakturen versorgt! Und doch denkt sich der größte Theil des gebildeten Europas jene Länder Afrikas in starre, unbewegliche Barbarei versunken.
Gehen wir nun zu einer kurzen Betrachtung der Handels- und Gewerbthätigkeit Kanos in ihren einzelnen Zweigen über, so finden wir, daß dieselbe hauptsächlich in der Erzeugung und dem Vertrieb einheimischer Fabrikate und besonders von Baumwollenzeugen besteht, die in der Stadt selbst oder den zunächst gelegenen kleinen Ortschaften der Provinz aus einheimischer Baumwolle gewebt und mit selbstgezogenem Indigo gefärbt werden. Diese Baumwollenzeuge werden hauptsächlich zu drei wichtigen Artikeln verwendet: zur Tobe, „riga“ (Plural „rigona“), zu dem etwa zwei Ellen breiten und fünf Ellen langen, die gewöhnliche Frauentracht bildenden Tuch, „turkedi“, und zu dem schwarzen Gesichtsshawl der Männer, „rauani“. Dazu kommt noch, jedoch als weniger wichtig für den auswärtigen Handel, die „senne“, das von den Wohlhabenderen beider Geschlechter um die Schultern geschlagene Tuch. An und für sich bildet jedoch dieses Umschlagtuch einen bedeutenden Artikel und wird in der größten Mannichfaltigkeit gefertigt, sowohl in Bezug auf die Färbung, als auch auf das Muster des Gewebes, ferner ob aus Baumwolle, Baumwolle und Seide oder aus letzterer allein bestehend. Der Werth der gesammten Baumwollenmanufaktur mag 300 Millionen Kurdi [Erläuterung weiter unten im Text] betragen.
Außer den in Kano selbst gewebten und gefärbten Zeugen wird auch ein beträchtlicher Handel mit den in Nyffi verfertigten schwarzen Toben oder Hemden getrieben, welche man in Kano aus einem mir unbekannten Grunde nicht von derselben Schönheit herstellen kann. Dagegen verstehnen wieder die Leute von Nyffi nicht, die schön gefärbten Turkedis und Rauanis der Kanauer nachzuahmen. Außer den schwarzen giebt es noch verschieden gefärbte und gemusterte Arten dieser Hemden; eine derselben, welche kleine blaue und weiße Vierecke ein gesprenkeltes Aussehen geben, ist bei den Tuareg sehr beliebt; es ist das schon mehrfach genannte „Perlhuhnhemd“ derselben. Diese Kleidung sieht sehr gut aus. Ich wählte die Perlhuhntobe daher zu meinem Anzuge, sobald ich Mittel genug besaß, mir diesen afrikanischen Schmuck zu verschaffen; denn ein gutes Hemd dieser Art kostet 18 bis 20.000 Kurdi.
Ein anderer Hauptartikel einheimischer Industrie sind Sandalen, die in Kano mit großer Nettigkeit gearbeitet werden. Trotz ihrer Billigkeit – ein Paar der besten kosten nur 200 Kurdi – mögen doch jährlich für 20 Millionen gearbeitet werden. Ich glaube auch erwähnen zu müssen, daß die von den arabischen Schuhmachern in Kano gefertigten Schuhe in großer Menge nach Nordafrika ausgeführt werden. Arabische Lederarbeiter verfertigen hier ferner noch die bekannten „djebair“ (Singular „djebira“), die mit ihren vielen Taschen und ihrer reichen Stickerei ein eben so nützliches wie hübsches Geräth für den Reisenden abgeben.
Nicht unbedeutend ist auch die Zubereitung der Thierfelle selbst; sehr schön gegerbte Häute, „kulabu“, und rothe, mit dem aus dem Halm des Holcus gewonnenen Saft gefärbte Schaaffelle werden, etwas im Werth von 5 Millionen Kurdi, sogar bis nach Tripolis ausgeführt.
Es giebt noch manche andere Zweige der Manufaktur in Kano, z. B. die Einrahmung der kleinen, aus Tripoli eingeführten Spiegelchen, von denen man mir dort fälschlich sagte, daß sie im Innern als Geld cirkulirten, die Anfertigung kleiner Schachtel und Büchsen aus Leder und dem Kerne der Dumfrucht u.s.w.: doch sind dieselben alle von geringer Bedeutung für den Handel im Großen. Dasselbe ist der Fall mit einem sonst nicht unwichtigen Industriezweig, der Bearbeitung des Eisens, welches in großer Menge zu Speeren, Lanzen, Dolchen, Ackergeräthschaften, Steigbügeln und Zaumketten verarbeitet wird. Das Eisen von Kano ist jedoch keineswegs von solcher Güte, wie das anderer Orte Mittel-Afrikas. Auch Kupfer und Silber bilden Gegenstände gewerblicher Thätigkeit; letzteres wird von den Grobschmieden in nicht ungeschickter Weise zu Ringen, Arm- oder Beinsangen verarbeitet; über die Einfuhr dieser Metalle werde ich noch weiterhin eine Bemerkung einschalten.
Natürliche Produkte anderer Art, auf die der Großhandel sich erstreckt, sind das Negerkorn [Hirse] und die Guro- oder Kolanuß. Das Korn wird namentlich zum Austausch gegen das von den Tuareg eingeführte Salz verwendet, und die Guro- oder Kolanuß, die Frucht der Sterculia acuminata, bildet einen der wichtigsten Artikel auf dem Markte von Kano. Der jährliche Durchschnittswerth der Einfuhr mag etwa 100 Millionen Kurdi betragen; mit der Hälfte derselben wird ein bedeutender Transithandel getrieben, die andere Hälfte aber in der Provinz selber konsumirt, da der Genuß dieser Frucht den Eingebornen eben so zum Bedürfniß geworden ist, wie uns der Gebrauch von Kaffee und Thee.
Leider müssen wir, und zwar unter den wichtigsten Zweigen des einheimischen Handels, auch den Sklavenhandel aufführen. Im Ganzen genommen, glaube ich jedoch nicht, daß die Zahl der von Kano ausgeführten Sklaven 5.000 überschreitet; die meisten werden nach Bornu, andere nach Rhat und Fesan gebracht. Außerdem aber wird eine bedeutende Menge in einheimische Sklaverei verkauft, und der Ertrag des Handels dürfte sich im Ganzen auf 150 bis 200 Millionen Kurdi jährlich belaufen.
Wenn Kano bei dem Handel mit der Guronuß zum Theil nur die Spedition derselben vermittelt, so ist diese Art des Handels von ganz besonderer Wichtigkeit auch in Bezug auf die beträchtlichen Quantitäten Natron, welche von Bornu nach Nyffi gebracht werden. Man kann die jährlich durchlaufende Menge dieses Artikels gewiß ohne die geringste Übertreibung auf 20.000 Lasten (von Packochsen, Saumpferden, Eseln) veranschlagen, von denen allen an Durchgangszoll 10 Millionen Kurdi entrichtet werden. Außerdem geht das Natron durch verschiedene Hände und läßt überall ansehnlichen Gewinn zurück. Nur ein geringer Theil bleibt ganz in Kano. Ein anderer Speditionsartikel, jedoch von untergeordneter Bedeutung, ist Elfenbein, von dem nur höchstens 100 Kameellasten vo hier weiter befördert werden.
Die Einfuhr nach Kano geschieht zum Theil aus anderen Theilen Afrikas, zum Theil aus Europa. Der wichtigste Gegenstand der erstern Art ist das Salz des Airi. Die Salzkafla, mit welcher ich kam, bestand aus 3.000 Kameelladungen, von denen etwa ein Drittel für den Verbrauch der Provinz Kano selbst erforderliche sein mochte. Danach würden jährlich Landeserzeugnisse im Werth von 50 bis 80 Millionen im Austausch gegen diesen Einfuhrartikel gegeben werden müssen; fast Alles wird in Korn und Baumwollengeweben geliefert.
Arabische Kleidungsstücke, wie Bernuse [Burnusse], Kaftane, Westen, Beinkleider, werden zu bedeutendem Werthe, etwa für 50 Millionen eingeführt. Die gesuchtesten Manufakturen dieser Art kommen aus Tunis, ziemlich viel auch aus Kairo, und zwar vom letzteren Markt ausschließlich die bei den Tuareg und Negern so beliebten weißen Kopfbinden mit rother Borde. Weihrauch, vor allem das beliebte Luban (olibanum) und Djaui, Gewürze und Rosenöl, letzteres fast nur zu Geschenken an große Herren unter der Hand verkauft, bilden einen nicht unbedeutenden Einfuhrposten, der sich auf 30 bis 40 Millionen belaufen mag.
Ein interessanter Artikel aber, der weit getrennte Gegenden Afrikas mit einander verbindet, ist das Kupfer. Von Tripoli wird ziemlich viel altes Kupfer eingeführt, aber den hauptsächlichsten Vorrath dieses nützlichen Metalls bringen die zu Nimro wohnenden Djellaba, die es von der berühmten, im Süden von Dar For gelegenen Kupfermine (El Hofra) holen. Sie kaufen allda den Kantar Kupfer für einen jungen, sechs Spannen hohen Sklaven, „ssedaschi“, der dem Werth eines Kantars Elfenbein gleichkommt, und verkaufen ihn in Kukaua zum Wert von zwei Kantars Elfenbein. In Kano ist der Preis noch etwas höher und die Gesammteinfuhr mag hier 10 Millionen Kurdi betragen.
In Bezug auf die edlen Metalle ist zu bemerken, daß ein geringer Vorrath von Silber gelegentlich durch reisende Kaufleute eingeführt wird. Gold bringen die durchziehenden Pilger von Timbuktu dann und wann in kleinen Quantitäten, woher es kommt, daß der Kurs diese Metalls fast immer gleich ist und der Mithkal [in Timbuktu war das Mithkal 40% des Gewichts eines spanischen Talers, in Agadez 133%; über das Gewicht in Kano macht Barth keine Angaben] durchgängig zu 4.000 Kurdi gerechnet wird. 100 Mithkal Gold können wohl zu jeder Zeit in Kano ohne Mühe gekauft werden, aber nicht mehr.
Selbst das gewöhnliche Umlaufsgeld, die Kurdi, (Cypraea moneta), bildet auf dem Markte von Kano einen wichtigen Einfuhr- und Handelsartikel. (2.500 dieser Muscheln kommen einem spanischen oder österreichischen Thaler gleich, denn beide Münzen haben gewöhnlich den gleichen Werth. Die österreichischen Mara-Theresien-Thaler werden für den afrikanischen Markt stets neu mit der Jahreszahl 1788 geprägt und sind ihres schönen, blanken Aussehens wegen besonders bei den Frauen sehr beliebt.) Sie kommen von der Ostküste des Kontinents nach Badagri und werden von hier durch den Handel ins Innere geführt. Neuerdings sind sie von Haussa nach Bornu ausgeführt worden, wo sie erst zu meiner Zeit als Umlaufsmittel in Geltung gekommen sind.
Um das Bild des Handels von Kano zu vervollständigen, bleibt uns nur noch übrig, einen Blick auf die Einfuhr aus Europa zu werfen. Die hauptsächlichsten Waaren, welche von da auf den Markt in Kano kommen, sind: gebleichter, ungebleichter und gedruckter Kattun von Manchester, französische Seide, rothes Tuch aus Sachsen und aus Livorno (aus letzterer Stadt auch eine ungeheure Menge ganz roher Seide und grobe rothe Mützen), Glasperlen von Venedig, sehr grobes Papier, Spiegel, Nadeln und Kurzwaaren von Nürnberg, Schwertklingen von Solingen, Rasirmesser aus der Steiermark und Zucker aus Marseille. Was den Werth dieser Artikel betrifft, so schätze ich die eingeführten Manchesterwaaren auf 40 Millionen, die rohe, in Tripoli gefärbte Seide jährlich zu 3-bis 300 Kameelladungen im Werth von 70 Milllionen; der größte Theil hiervon bleibt im Lande und wird zur Ausschmückung der heimischen Fabrikat, Toben, Sandalen, Schuhe verwendet. Das Meiste, was von französischer Seide, die aus der Mode gekommen zu sein scheint, eingeführt wird, wird wieder nach Yoruba und Gondja ausgeführt. Der Betrag des ganzen davon auf den Markt von Kano gebrachten Vorraths wird 20 Millionen nicht übersteigen. Die Einfuhr des groben rothen Tuchs mag sich auf 15 Millionen, die der Perlen aller Art auf 50 Millionen belaufen; von letzteren bleiben wohl für 20 Millionen im Lande. Die Einfuhr des Zuckers zu 100 Kameelladungen mag 12 Millionen betragen. Grobes Papier, an der Küste seines Zeichen (drei Monde) wegen „tre lune“ genannt, wird im Betrag von nur etwa 5 Millionen importirt und in großen Quantitäten billig verkauft; daraus dürfen wir aber nicht auf eine große literarische Regsamkeit im Innern schließen, denn es dient hauptsächlich zum Einschlagen einheimischer Waaren. Nadeln, deren Packete das für die Einfuhr in moslemische Landschaften sehr unpassende Bild des verabscheuten Schweins als Stempel führen, kamen früher nur aus Nürnberg, jetzt kommen sie auch aus Livorno und bilden mit andern Kurzwaaren einen zwar unwichtigen, aber der Billigkeit wegen keine große Summe repräsentierenden Artikel. Eine bedeutende Rolle dagegen spielen auf dem Markt von Kano die Schwertklingen aus Solingen. Nicht nur ein großer Theil der Kel-owi – Viele derselben kaufen sich allerdings diese Waffe in Agades- und der benachbarten Tuareg-Stämme, sondern auch Haussana, Fulbe, Nyffaua und Kanori oder Bornauer versorgen sich damit auf hiesigem Markte. Jährlich dürften wohl 50.000 Stück eingeführt werden, und dies gäbe, die Klinge zu 1.000 Kurdi gerechnet, den für diese Gegenden höchst bedeutenden Werth von 50 Millionen. Der Umsatz dieser großen Summe wohl ganz den Kanaua zu gute, denn was für den eigenen Bedarf davon abgeht, wird reichlich dadurch ersetzt, daß die Handwerke in Kano den ganzen Vorrath mit Griffen und Scheiden versehen. Fast alle Klingen, die ich sah, selbst bei den westlichen Tuareg bis nach Timbuktu hin, waren aus Solingen, wie denn auch diese Waffe von den verschiedensten Stämmen fast mir einem und demselben Namen. „takoba“, bezeichnet wird.
Feuerwaffen werden, so viel ich bemerkte, nur in sehr geringer Menge auf den Markt von Kano gebracht, obgleich die Amerikaner begonnen haben, gewöhnliche Gewehre zu außerordentlich billigen Preisen über Nyffi einzuführen. Die in Steiermark verfertigten gewöhnlichen Rasirmesser endlich mit schwarzen hölzernen Griffen sind trotz ihrer schlechten Qualität bei den Eingebornen des Negerlandes sehr beliebt. Sie wissen diesen Klingen eine außerordentliche Schärfe zu geben und den erbärmlichen, höchst zerbrechlichen Griff durch einen Beschlag von Kupfer dauerhaft zu machen. Der Werth dieses Artikels wird wohl nicht mehr als zwei bis drei Millionen Kurdi betragen.
Die hier genannten europäischen Waaren werden jetzt noch vorzugsweise auf der Straße von Norden eingeführt, während der Kuara oder Niger von seiner Mündung aufwärts die natürliche Hochstraße des Handels nach den Ländern Mittel-Afrikas bildet. Diese Straße eröffnet zu haben, mit großem Aufwand an Menschenleben und Geld, ist eine der ruhmvollsten Errungenschaften englischer Entdeckung. Leider aber ist die Ausbeutung derselben zu legitimem Handel nicht mit gleicher Energie betrieben worden, die Benutzung jener Wasserstraße vielmehr in die Hände süd- und nordamerikanischer Sklavenhändler gefallen. Es ist dies nicht nur in Rücksicht der Humanität zu bedauern, sondern schadet auch dem Ansehen der Engländer ungemein in den Augen der Araber Inner-Afrikas. Denn zu deren ungeheurem und rechtem Ärger haben die Amerikaner Waaren gegen Austausch von Sklaven in großer Menge auf den Markt von Nyffi gebracht und angefangen, Mittel-Sudan damit zu überschwemmen, zum großen Schaden für den Handel der Araber. Mit den neusten, freilich nicht ganz glücklichen Expeditionen nach dem Kuara ist ein Schritt zur Umgestaltung dieser Verhältnisse geschehen.
Diese Bemerkungen über den in Kano betriebenen Handel werden genügen, um eine Vorstellung von dem ganzen Verkehrsleben daselbst zu geben. Obgleich die angeführten Zahlen hur auf ungefährer Schätzung beruhen, so läßt sich doch aus denselben erkennen, wie vortheilhaft der Verkehr für die Bewohner sein muß- Welche Quelle für den Nationalreichthum muß z. B. die Baumwollenmanufaktur allein sein mit ihrem jährlichen Gewinn von 300 Millionen Kurdi, wenn man bedenkt, daß eine eingeboren Familie bei bescheidenen Ansprüchen jährlich mit 60.000 Kurdi ganz bequem leben kann!
Überdies ist die Provinz Kano eines der fruchtbarsten Länder der Welt, hat Korn im Überfluß und nebenbei die prachtvollsten Weidegründe. Bedenken wir ferner, daß die Gewerbthätigkeit nicht in ungeheuren, die Stellung des Arbeiters erniedrigenden Fabriken betrieben wird, sondern daß jede Familie für sich, ohne ihr häusliches Leben aufzuopfern, daran Theil nimmt, so dürfen wir wohl schließen, daß Kano eines der glücklichsten Länder der Welt sein müsse. Und so ist es auch in der That, so weit die Lässigkeit des Fürsten im Stande ist, die Einwohner gegen die Gelüste der räuberischen, eben durch den Reichthum des Landes immer wach gehaltenen Nachbarn zu schützen.
Barth, Heinrich
Reisen und Entdeckungen in Nord- und Central-Afrika in den Jahren 1849 bis 1855
Im Auszuge bearbeitet
1.Band, Gotha 1859