818 - Wilhelm Müller
Das aufgewühlte Forum
Rom
Die neuen Reisebeschreiber haben die Aufräumung des Forum Romanum durch die französische Regierung, womit die heilige Statthalterschaft nachmals fortgefahren ist, weidlich gepriesen. Sie haben in der Abreißung der Hütten, Buden, Lauben und Hecken, die sich einst an die alten Trümmer schmiegten, in der Aufgrabung der Mauern und Säulen bis an den antiken Boden und in der Abscheidung derselben durch steinerne Umzäunungen eine dem heiligen Alterthume geziemende Ehrfurcht erkannt.
Dagegen klagen die Römer, und an sie schließen sich die deutschen Maler, über die Verschimpfung des alten Forum. Das schöne Forum, rufen sie aus, man erkennt es gar nicht mehr! Die abgeschmackten Antikler! Da haben sie den schönen Rasen aufgeworfen und runde tiefe Löcher um die abgeschälten Ruinen gezogen, und gar noch eine Mauer darum. Mit verschlossenem Thore, als ob ihnen Einer das Alterthum aus Rom wegstehlen wollte. Und die schönen Rebenlauben und die wunderliebliche Eremitenhütte im Kolisseum! Wer möchte jetzt noch auf dem Forum zeichnen? Fürwahr, es hätte nicht lange mehr mit den Franzosen in Rom dauern dürfen, so hätten sie gar die Kirchen niedergerissen, die auf antiken Fundamenten stehen, um nur das pure Alterthum aufzudecken; ja, sie hätten die grünen Ranken und Gesträuche und die bunten Blumen von dem Kolisseum heruntergejätet und endlich das moderne Sonnenlicht durch einen ungeheuren übergebaueten Antiquitätensaal von den antiken Trümmern abgeschnitten.
Kann man doch jetzt nicht im Finstern über das Forum gehen, ohne auf Schutthaufen und in Gruben zu fallen. Und statt der weißen Rinderheerden, die sonst auf dem grünen Rasen lageren, und ihrer braunen Treiber, die den lustigen Saltarello in dem Schatten der Eichen und Linden tanzten, schleichen jetzt nur Reiseschreiber mit Brillen, Meßstäben und dem Vasi über das aufgewühlte Feld.
Müller, Wilhelm
Rom, Römer und Römerinnen
Band 2, Berlin 1820