1906 - Kapitän Lübbert
Das Forschungsschiff Planet in Makassar
Sulawesi, Indonesien
Bei der Annäherung an Makassar wurden zahlreiche Fischerfahrzeuge passiert; das grosse Gebiet flachen Wassers in der Makassar-Strasse bietet bis auf mehr als 20 sm von der Küste den denkbar günstigsten Fischgrund. So war auch nirgends, früher oder später, eine so grosse Menge verschiedenartigster essbarer Seefische gesehen, wie in der grossen Fischhalle von Makassar. Über Mangkassar, Makasser und Makassar streiten die Weissen; das letztere ist jetzt am gebräuchlichsten.
Makassar ist der Stapelplatz, der Durchgangspunkt für die Erzeugnisse der Molukken und Papuas. Harz, sowie Bälge von Paradiesvögeln und Krontauben bilden ansehnliche Schiffsladungen der grossen malayischen Praus, welche den Handel mit Neu-Guinea unterhalten. Der Handel ist vorzüglich in der Hand der Chinesen, welche sich hier akkIimatisiert haben und zu den Millionären der Handelsstadt gehören. Viele reiche chinesische Familien sind seit Generationen hier; sie erscheinen nicht mehr als Zopfträger und haben ihre eigen Tempel und Klubhäuser, was der inneren Stadt manches Interessante beifügt. Der Handel Makassars hat einen grossen Aufschwung genommen. Vor einigen Jahren noch ging der Handelsverkehr mit Küstendampfern und Seglern nach Batavia oder Singapore und von dort weiter nach Europa. Heute bestehen direkte Dampferverbindungen mit Europa. Ausser holländischen Linien lassen der Norddeutsche Lloyd und die Deutsche Australlinie ihre Frachtdampfer dort anlaufen.
Der Beteiligung Deutschlands an dem Handel Makassars entspricht die stattliche deutsche Kolonie, welche dem Schiffe im Verein mit dem deutschen Konsul einen überaus herzlichen Empfang bereitete.
Die Makassar-Leute sind bei der weissen Bevölkerung nicht geschätzt; sie sind faul und anmassend; als Diener sind hier fast durchweg Javaner angestellt.
In der Markthalle konnte ein Hazardspiel beobachtet werden. Alles würfelte um Geld; Spieler und Zuschauer sitzen im Umkreis um einen offenen Platz, auf welchem Felder mit Zahlen wie beim Roulett aufgezeichnet sind. Nachdem gesetzt ist, wird mit Kreiselwürfeln gewürfelt und die Glückszahl bestimmt. Die Würfel werden darauf mit einer Kokosschale, die an Angelrute und Schnur befestigt ist, wieder eingeholt und die Gewinne in der Schale selbst ausgezahlt.
Der ganze Vorgang vollzieht sich in lautloser Stille bei angestrengter Aufmerksamkeit.
Zu interessanten Studien gaben die verschiedenen Bootsarten Anlass: Einbäume, Einausleger, Zweiausleger, der sampan djalan "Reiseboot", und die Prau, sampa lari "Boot rennend" genannt, weiter die eigenartige Weberei und die mannigfachen Musikinstrumente, sowie das Gefängnis mit seinen verschiedenen Menschenrassen u. s. w.
Auch Makassar hat, wie viele andere Städte des Ostens, vier deutlich geschiedene Teile: das Geschäfts-, Europäer-, Eingeborenen- und Chinesen-Viertel. Breit und schön ist das Europäer-Viertel angelegt. Prachtvolle, von gewaltigen Tamarinden und Nussbäumen gebildete Alleen führen vorbei an grossen Plätzen, an schattigen Gärten mit halbversteckten Villen, an Kasernen und Regierungsgebäuden. An einer solchen Allee liegt auf freiem Platz gegenüber dem altertümlichen Fort Rotterdam der erste Klub und weiterhin der Palast des Gouverneurs. Das alte Fort ist noch nicht entbehrlich geworden; noch vor einem Jahre mussten die Weissen seinen Schutz aufsuchen wegen der unsicheren Zustände im nahen südlich gelegenen Reich Goa, das etwa eine gute Wegstunde abliegt.
Forschungsreise S.M.S. Planet 1906/7
1. Band Reisebeschreibung, bearbeitet durch Korvetten-Kapitän Lübbert
hrg. vom Reichs-Marine-Amt
Berlin 1909