1821 - Fabian von Bellingshausen, russischer Polarforscher
Die Entdeckung der Peter I.-Insel
Antarktis
Am Mittag waren wir in 69° 21‘ 42‘‘S, 92° 38‘‘ W und bestimmten die magnetische Deklination zu 39° 49‘.
Um drei Uhr nachmittags erblickten wir im ENE vor uns einen dunkeln Fleck auf dem weiten Eishintergrund. Jeder sah durchs Fernrohr. Kein Zweifel, wir hatten Land vor uns. Auchdie Offiziere reichteten nun ihre Gläser auf den Fleck. Noch waren sie geteilter Meinung. Da bricht ein Sonnenstrahl durch die Wolken und lässt uns deutlich erkennen, dass Land vor uns liegt, Land, auf dem Klippen und Felsen von Eis undSchnee freigeblieben sind.
Die Freude, welche uns alle erfüllte, lässt sich nicht wohl beschreiben. Da hatten wir Land vor uns, nach dem unsere Gedanken in den letzten Wochen so oft verlangt, unser Blick fortwährend gespäht hatte, und an dessen Nähe wir doch immer wieder gezweifelt hatten, weil uns ein Zeichen gefehlt hatte: die treibenen Seegräser, die wir doch bisher auf unseren Fahrten im sülichen Eismeer sowohl bei Südgeorgien, bei den Südsandwichs, wie neulich bei der Macquarie-Insel immer als Boten des Landes zu finden unsgewöhnt hatten. Aberhier in der Eiswüste mochte freilich nicht der Ort für das Gedeihen selbst dieser niederen Flora sein.
Nun war unserer Hoffnung auf weiteres Land gar lebendig. Denn wir konnten uns nicht gut denken, dass in dem weiten Umkreis, den wir vor uns hatten, nur dieser eine Felck festen Landes vorhanden sein sollte. Zunächst freilich verdeckte uns dichter Nebel das gesehene wieder. Es hatte zuletzt in SE 78° vor uns gelegen. Ich ging zunächst nach N, um dann durch eine Wendung dem Lande näher zu kommen, die ich dann auch um 4 Uhr morgens am 11. Januar ausführte. Mittags waren wir dann in 69° 0‘ 48‘‘ SBr, 92° 29‘ 23‘‘ WL. Als dann die Sonne durchbrach, sahen wir vor uns eine hohe grosse Insel, die sich von NE 61° bis W erstrecktre und deren Steilwände von Schnee und Eis frei waren.
Als wir nahe genug heran waren, um eine gute Aufnahme zu bewerkstelligen, brachten wir zunächst auf beiden Schiffen eine dreifaches Hurra auf unsern Kaiser aus und dann ging es an ein Austauschen von Wahrnehmungen, welche die Offizier der beiden Korvetten gemacht hatten .
Die Ergebnisse der Aufnahme sind folgende: Die Insel verläuft von SE 10° nach NW 10°, ist 9 ½ Meilen lang, 4 Meilen breit und hat 24 ½ Meilen Umfang. Ihre Position ist 68° 57‘ SBR., 90° 46‘ WL. Für die Höhe haben wir verschiedene Werte erhalten: 4250 Fuss (Ssawodowskij), 3961 Fuss (Lasarew) und 4390 Fuss (Ssimanow) [Moderne Messung der höchsten Erhebung: 1640m]. In der Nähe des Nordendes der Insel bestimmten wir die magnetische Deklination zu 36° 6‘ E. Ich habe der Insel den Namen Peters des Ersten gegeben, zur Erinnerung an den grossen Begründer der russischen Flotte.
Ich drängte nun, ohne Zeitverlust weiterzukommen. Denn ich hoffte mit Sicherheit auf weitere Entdeckungen, da ich mir nicht denken konnte, dass die Peter I.-Insel ganz isoliert liegen solle, ohne Nachbarn.
In der Tat wurde, da wir nach NNE weiterfuhren, um 10 Uhr (11. Januar) weiteres Land östlich von unserer Insel, gemeldet. Ich bin aber geneigt, dies nicht für eine besondere Insel, sondern nur für eine besondere Insel, sondern nur für eine Fortsetzung der Peter I.-Insel anzusehen.
Wir fuhren dann mit ENE weiter, an der Nordseite der Insel vorüber, die uns bald im Nebel entschwand. Der Wind frischte auf, so dass uns die an sich geringe Kälte (- 2° R [-2,5° C]) recht empfindlich wurde, namentlich den Leuten im Ausguck.
Wir hatten heftige Wellen uns entgegen, so dass das Wasser oft über den Vorderteil des stark brandenden Schiffs hinwehschlug. Bis gegen Mittag wurde das aber besser und derSE-Wind flaute mehr und mehr ab. Die Nebel und Wolken zogen nach N ab, und es war +1° R. Wir fanden uns dann (13. Januar mittags) auf 67° 36‘ 9‘‘ SBr.,86° 8‘ 15‘‘ WL. Die Deklination ergab sich zu 33° 36‘ E. Als Windstille eintrat, setzten wirein Boot aus, in dem Ssawodowskij auf die zahlreich uns umgebenden Vögel Jagd machte. Er erbeuete einige der gewöhnlichen rauchgrauen Albarosse, einige Polarvögel und dann noch mehrere Albatrosse von einer Art, die wir in der der Nähe der Peter I.-Insel zum ersten Male gesehen hatten. Sie unterschieden sich von den gewöhnlichen sehr scharf durch die Färbung des Gefieders: Kopf, Hals, Flügel und Schwanz sind braun, der Schnabel schwarz, während Bauch und die Federn zwischen Schwanz und Rücken weiss sind.
Wir fuhren dann bei veränderlichem Wind wieder nach Süden zu, da wir uns in ganz einsfreiem Wasser befanden. Es war leidliches Wetter, nur ab und zu einige Schneeflocken.
Bellingshausen, Fabian von
Forschungsfahrten im südlichen Eismeer 1819-1821
Leipzig 1902