Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1497 - Arnold von Harff, Pilger vom Niederrhein
Der deutsche Handelshof und der Rialto
Venedig

 

Zu Venedig wurde ich von den Kaufleuten in das deutsche Haus geführt, daß man in lombardischer Sprache Fontigo tudisco [Fondaco dei Tedeschi] nennt, und in die Kammer von Anthonius Paffendorf, der jetzt zu Köln hinter Sankt Marien wohnhaft ist; da empfing mich die Gesellschaft der Kammer sehr ehrenvoll und bewies mir alle Freundschaft und führte mich an alle Enden der Stadt zu Besuch.
   Zuerst ist von diesem Kaufhaus zu schreiben. Da ich eine Zeit lang da war, so sah ich täglich viel Hantierung mit Gewürzen, Seidenstoffen und anderen kaufmännischen Packen, die in alle Kaufmannsstädte geschickt wurden, wie denn ein jeder Kaufmann seine eigene Kammer dort hat, aus Köln, Straßburg, Nürnberg, Augsburg, Lübeck und anderen deutschen Städten des Reiches. Die Kaufleute sagten mir, daß dieses Kaufhaus täglich der Herrschaft von Venedig 100 Dukaten freies Geld gäbe, bis alle Kaufmannschaft abgegolten und bezahlt wäre.
   Bei diesem deutschen Haus geht man rechter Hand über eine lange hölzerne Brücke. Dann kommt man auf einen kleinen Platz, den heißt man Rialto, dahin kommen die Kaufleute jeden Tag um neun oder zehn Uhr, um ihre Kaufmannschaft zu betreiben, und jeder weiß sich um diese Zeit einzufinden.  
   Dieser Platz ist rund umbaut und so groß wie der von Düren. Am Rande des Platzes sitzen die Wechsler und die, die das Geld von den Kaufleuten unter den Händen haben, die dort sind, die dann weniger zählen dürfen. Wenn ein Kaufmann mit dem anderen einig ist, überweist er ihn zu den Bänken, so daß wenig Geld unter den Kaufleuten bar gezahlt wird.
   Dann gibt es auf dem Rialto lange Straßen, die Läden haben wie Goldschmiede, Juweliere mit Perlen und köstlichem Gestein, auch eine Straße der Schneider, der Schuhmacher, der Seiler, der Verkäufer von leinenem Tüchern und anderen, die dort Handel treiben. Über diesen Läden ist es wie in einem Schlafsaal in einem Kloster, so daß jeglicher Kaufmann in Venedig da seine eigene Kammer hat, die voll Kaufmannschaft ist mit Spezereien, kostbaren Tüchern, seidenen Gewändern und anderen Dingen, so daß man wohl sagen kann, daß der Reichtum von Venedig sich auf diesem Platz befindet.

 

Groote, E. von (Hg.)
Die Pilgerfahrt des Arnold von Harff …
Cöln 1860; Faksimile Hildesheim/Zürich/New York 2004

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