Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1840 - Peter Dietrich Holthaus
Spaziergang durch Athen

 

Kommt man die Straße von Piräus, zu deren Seiten man die Trümmer alter Mauern erblickt, welche Athen vor Alters mit dem Hafen verbanden und zur Befestigung der Stadt dienten, so tritt man auf die neu angelegte Hermenstraße, welche, wie unsere Chausseen, mit feinem Sandschutt belegt, darunter aber gepflastert ist. Rechts und links heben sich neue Gebäude nach europäischer Art hervor. Täglich werden noch alte abgerissen und neue gebaut, was den Griechen ein Leichtes ist, in der Zeit von zwei Monaten sind sie gewöhnlich damit fertig.
    Bald gelangt man zu der Bazarstraße, welche die erste quer durchschneidet. Da ist ein reges Leben, ein immerwährendes, buntes Gewühl von Menschen. Da, wo sich beide Straßen kreuzen, werden öffentliche Auktionen gehalten. Auf beiden Seiten sind Kaufläden aller Art. Rechts hinauf ist ein großer Markt, wo man Gemüse, Früchte und Lebensmittel von der verschiedensten Art kaufen kann. Links gelangt man zu dem großen Kaffeehaus „della bella Grecia“, welches der Sammelplatz der vornehmen Griechen, Griechinnen und Fremden ist. Hier wogt es beständig, und besonders des Abends, wo alles spazieren geht, von Menschen auf und ab. Vor dem Hause werden Kaffee, Limonade, Eiswasser und andere kühlende Getränke gereicht. Die Gesellschaft sitzt um die Tische herum, die Männer rauchen ihren Tschibuk oder spanische Zigarren, und die Damen fühlen sich in dieser gemischten Gesellschaft recht wohl.
    Die feinen griechischen Herrchen spazieren in und her. Sie tragen enge, blaue Jäckchen, die mit Gold oder Silber gestickt sind; darunter ein Chemisette, worauf schöne Knöpfchen von Gold und Edelsteinen prangen, über der Hose eine Fustanelle, welche, einem Frauenrock ähnlich, von der Taille bis zu den Knien geht und sehr weit und faltenreich ist. Der Leib ist von einem bunten Shawl fest umschlossen, die Hose von den Knien an gamaschenartig und an der Seite mit Haken versehen. Weiße, baumwollene Strümpfe und schwarze, saffianlederne Schuhe bekleiden den Fuß. Den Kopf ziert ein rotes Fez mit einer blauseidenen Troddel. Der Hals ist entblößt und mit einem weißen Kragen umgeben. Ihr Gang ist stolz und gravitätisch.
    Eben so würdevoll schreiten die Palikaren, ausgediente Militärs, welche die Freiheitskämpfe mitgemacht haben, in ihrer mit Gold und Silber gestickten Uniform, mit krummem Säbel an der Seite, einher.
    Die Damen richten sich in ihrer Kleidung meistens nach dem Pariser Mode-Journal, bei einigen sieht man auch auf dem Kopfe ein hohes Fez.
    Folgen wir nun der Querstraße Athene, auf welcher dies Kaffeehaus liegt, so kommen wir vor der Stadt auf einen großen freien Platz, wo mehrere Buden stehen, in welchen man allerlei Erfrischungen haben kann. Am Sonntag Nachmittag ist hier die Militärmusik. Eine bunte Volksmenge wandert dann auf und ab, ergötzt sich an der Musik und labt sich an erfrischenden Getränken. Auch der König und die Königin kamen gewöhnlich auf Pferden herangeritten, hörten ein Musikstück an und entfernten sich dann wieder. Der König trug eine Fustanelle, einen gestickten Spenzer und eine gestickte Weste, ein rotes Fez mit einer blauen Troddel und einen schwarzen Schnurrbart, die Königin aber ein fränkisches Reitkleid. Das Gefolge von Dienern war in deutscher Tracht.
    Wir folgen nun wieder in gerader Richtung der zuerst betretenen Hermenstraße, die uns ans äußerste Ende der Stadt zum königlichen Palais führt, das aber noch im Werden ist. Eine Kirche, die auf der Hermenstraße der geraden Linie noch im Wege steht, wird bald abgebrochen werden, da der König den Prozess um dieselbe gewonnen hat. Der Bau des Palastes war zu meiner Zeit bis zum Gesimse vorgerückt. Er bildet ein Viereck mit einem großen, inneren Hofraum. Säulen, Ecksteine, Türbogen und andere Verzierungen waren von pentelischem Marmor, worunter sich Blöcke befanden, die nach unserem Gelde 15 bis 20 Taler sollen gekostet haben. Vor dem Palast ein großer, freier Platz. Man wird später eine herrliche Aussicht genießen, sowohl von der Straße auf das Palais wie von dem grossen Platz auf die lange Straße. Bis jetzt wohnt der König noch zur Miete.
    
Holthaus, Peter Dietrich
Wanderungen durch Europa und das Morgenland in den Jahren 1824 – 1849
3. Auflage, Barmen 1843

Reiseliteratur weltweit - Geschichten rund um den Globus. Erlebtes und Überliefertes aus allen Teilen der Welt. Entdecker – Forscher – Abenteurer. Augenzeugenberichte aus drei Jahrtausenden. Die Sammlung wird laufend erweitert – Lesen Sie mal wieder rein!