Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1804 - Adam Johann von Krusenstern
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Nagasaki, Japan

 

Am Abend um 10 Uhr erhielten wir einen Besuch aus Nangasaky von mehreren Magistrats-Personen oder Banjos, wie sie in Japan genannt werden. Ohne eine Einladung abzuwarten, gingen sie sogleich in die Kajüte und lagerten sich auf dem Diwan hin. Ihre Bedienten setzten vor jeden eine Laterne mit einem kleinen Kästchen, das ihren Tabaks-Apparat enthielt, und ein Gefäß mit Kohlen zum Anzünden ihrer Pfeifen hin, das für ihr beständiges Rauchen bei der geringen Grösse ihrer Pfeifen, aus denen sie höchstens vier bis fünf Züge tun, ein unentbehrliches Gerät ist. Die Begleitung dieser großen Herren bestand aus ungefähr 20 Personen, unter denen mehrere Tolks, oder japanische Dolmetscher der holländischen Sprache waren, die uns aufs genaueste über die Route befragten, die wir aus Cronstadt genommen hatten; vorzüglich aber, ob wir durch die Strasse von Corea oder längs der Ostküste von Japan gekommen wären? Es schien ihnen angenehm zu sein, zu hören, dass wir die letztere Route genommen hatten: denn bei unserer Abreise aus Japan machten wir die Erfahrung, dass sie auf die Passage zwischen Corea und den Japanischen Inseln sehr eifersüchtig sind. Der Hauptdolmetscher (Skiseyma mit Namen) verriet einige geographische Kenntnisse, wenigstens mehr als ich bei ihm erwartete. Er wusste z. B. sehr wohl, dass die Insel Teneriffa zu den Kanarischen Inseln, und die Insel Sta. Catharina zu Brasilien gehörte; obgleich ich nachher die Erfahrung machte, dass sowohl er wie die meisten seiner Kollegen in der Geographie ihrer eigenen Inseln höchst unwissend waren, vielleicht aber auch nur unwissend scheinen wollten. Was ihnen jedoch sehr auffiel, und was sie uns nicht sogleich zu glauben schienen, war, dass unsere Fahrt aus Kamtschatka nur einen Monat gedauert hätte.
   Den Opperhoofd oder Direktor der holländischen Faktorei, Myn Heer van Doeff, hatten die Banjos auch mit sich genommen; es dauerte aber über eine Stunde, ehe es ihm erlaubt ward, an Bord zu kommen. Kaum trat er mit seiner Begleitung, die aus seinem Sekretär, den beiden Kapitänen der hier liegenden Schiffe und einem Baron Pabst bestand, in die Kajüte, so mussten sie mehrere Minuten tief gebückt vor dem Banjos stehen, wozu sie durch den sehr unverschämten Befehl der Dolmetscher aufgefordert wurden: »Myn Heer Opperhoofd; Compliment voor de Opper Banjos!« Diese gehorsame und so sehr erniedrigende Aufmerksamkeit wurde nicht einmal durch ein Kopfnicken erwidert. Die so genannten Komplimente der Holländer halten das Mittel zwischen den Verbeugungen der Europäer und Japaner, welche letzteren darin bestehen, dass man sich platt auf die Erde wirft, mit dem Kopfe die Erde berührt, und dabei vorwärts und rückwärts kriecht, je nachdem der Untergebene von seinen Obern angesprochen wird. Den Holländern würde das Niederwerfen, ihrer Kleidung wegen, zu beschwerlich sein, und es lässt sich die dazu nötige Biegsamkeit des Körpers bei Leuten, die zu so etwas nicht erzogen sind, nicht voraussetzen. Um jedoch, so viel es angeht, die japanischen Gebräuche zu befolgen, muss der Holländer seinen Körper so tief biegen, dass er beinahe die Figur eines rechten Winkels bekommt; was aber noch weit beschwerlicher ist, so muss er mit ausgestreckten Händen so lange in dieser Stellung verweilen, bis er die Erlaubnis erhält, seinen Körper wieder aufzurichten: und es vergehen gewöhnlich mehrere Minuten, ehe diese erfolgt. Nie wagten es die Japaner, uns diese Demütigung aufzudringen. Es fuhr mir zwar am zweiten Tage ihres Besuchs einer von den Dolmetschern, da ich von den Banjos angeredet ward, sanft mit seiner Hand über den Rücken; da ich ihn aber mit Ernst hierüber ansah, so war dieses auch der einzige und letzte Versuch, den man an uns wagte. Um 12 Uhr fuhren alle auseinander. Sie versprachen den folgenden Tag wieder zu kommen, um das Schiff weiter in den Hafen zu führen. Über 20 Fahrzeuge blieben zur Wache in der Nähe des Schiffs.
   
Krusenstern, Adam Johann von
Reise um die Welt in den Jahren 1803, 1804, 1805 und 1806
1. Band, St. Petersburg 1810

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