1867 - Queen Victoria
Zu Besuch in Glenfiddich
Schottland
Dienstag, den 24. September 1867. Ein heller Morgen, aber ein abscheulich rauher Wind pfiff daher. Die Kammerfrauen, Emily und Annie, und Lady Churchill's Kammerjungfer brachen nach 7 Uhr mit Roß und dem Gepäck auf.
Um ein Viertel nach 9 Uhr nahm ich das Frühstück, und um 10 Uhr, nachdem ich Lenchen, Liebling Beatrice, den Knaben und Christian Adieu gesagt, fuhr ich mit Louise und Jane Churchill, Brown wie gewöhnlich auf dem Bocke, ab. Sir Thomas Biddulph war uns schon um 8 Uhr vorausgefahren. Ich kann den Wind, der uns durch und durch zu blasen schien, gar nicht beschreiben, besonders als wir von Alt-Craichie hinauf nach Gairnshiel fuhren. In letzterem Ort wechselten wir die Pferde, die uns nun den sehr steilen Berg Glashoil hinaufzogen, wo wir das Gepäck mit Blake (Lakai) antrafen, das mit Hilfe von vier Ackerpferden fortgeschafft wurde. Wir fuhren über Tornahoish und Cock-Brigg weiter, kreuzten den Don und fanden an dem kleinen Wirtshaus am Fuß des Berges von Bridge-End den Wagen mit den Kammerfrauen vor. Sie erwarteten dort das Gepäck, wir schickten sie aber voraus. Weiterfahrend nahm unser Postillon einen falschen Weg, wir mußten aussteigen, um das Umdrehen des Wagens zu ermöglichen, und dann kamen wir an einen sehr hohen Berg, dem Anfang der wildromantischen und großartigen Naturszenerie, die uns erwartete.
Louise und Jane Churchill gingen den Berg zu Fuß hinan, dessen steile Höhe wir dann herabfuhren, einen furchtbar tiefen Abgrund vor Augen. Wir wechselten wieder die Pferde mit solchen von der Post. Weiterfahrend hatten wir bergab zur Linken hohe grüne Hügel und eine tiefe Schlucht, und dann mußten wir diesen entsetzlichen Berg, Lecht genannt, drei Meilen lang hinunter! Unten angelangt, kamen wir in ein Tal oder vielmehr in eine schaurige Bergschlucht mit furchtbar schlechtem Wege, der sich in scharfen Biegungen drehte. Nicht weit von da befinden sich Eisenbergwerke, welche dem Herzog von Richmond gehören. Wir sahen hier eine Herde schöner Hochlandrinder grasen, und kamen, die Schlucht verlassend, in eine kultivierte Gegend mit Landwirtschaften und Bäumen, begrenzt in der Ferne von hohen Bergen, die man ganz deutlich sah, wie die Aussicht überhaupt von Anfang an klar gewesen.
Um halb 2 Uhr kamen wir bei Tomintoul, das reizend zwischen Hügeln, Bäumen und Feldern liegt, vorbei, es links liegenlassend, indem wie etwa ein und eine halbe Meile weiter von der Stadt abfuhren, dann stiegen wir aus und nahmen, am Wege sitzend, auf einer mit Heidekraut bedeckten Erhöhung unser Gabelfrühstück ein, worauf wir eine Strecke gingen.
Hier kam uns der Jäger des Herzogs von Richmond, Lindsay mit Namen, entgegen und ritt vor uns her. Nachdem wir wieder die Pferde gewechselt, kamen wir durch das kleine Dörfchen Knockandhu in das Glenlivet Tal, Schloß Blairfindy zur Linken lassend, dicht hinter der berühmten Brennerei von Glenlivet. Wir fuhren nun sechs Meilen lang durch eine reizende Landschaft mit reich bebauten Äckern, fernen hohen Bergen, Häusern und Hütten hier und da verstreut. In Tomnavulin, einer Farm, nicht weit von der Brücke gelegen, trafen wir Sir Thomas Biddulph, der in einem Karrenwagen gekommen war, sowie unsere Ponies an. Obgleich der Wind sich bedeutend gelegt hatte, war er doch noch stark genug, einem den Ritt unangenehm und ermüdend zu machen, daher entschlossen wir uns, zu fahren, und Sir Thomas ritt uns mit den Ponies voraus, um den Herzog anzutreffen, indes der Jäger des Letzteren sich neben Brown (Grant war diesmal nicht mit) auf den Bock setzte, um den Weg zu zeigen. Nachdem wir kurz hinter Tomnavoulin das Tal Glen Rinnes betreten, fuhren wir, die Berge von Ben Rinnes zur Linken, eine Stunde oder länger in demselben dahin zwischen schönen, großen Rübenfeldern, kleinen Anhöhen und bewaldeten Niederungen, in der Ferne hohe Berge - recht hübsch, aber nicht großartig. Nun umzog es sich, Nebel legte sich über die Berge, und gerade als wir ausgestiegen waren, um am Wege auf der Heide unseren Tee zu trinken, fing es an zu regnen und hörte auch für den Rest des Abends nicht mehr auf. Lindsay, der Jäger, holte einen Kessel mit kochendem Wasser aus dem nächsten Farmhause.
Zwei Meilen weiter kamen wir durch Dufftown, mit einer langen, steil aufsteigenden Straße, wie in Grantown, und wendeten uns dann scharf zur rechten, vorbei an Auchindoun, links ein hübsches Tal passierend. Nach drei weiteren Meilen kamen wir zu einem Tore nebst Schließerhäuschen, - der Einfahrt zu Glenfiddich. Hier betritt man die Bergregion erst ganz. Die Schlucht ist sehr schmal, durchschnitten von dem Fiddich, der sie durchfließt, grüne Berge, mit Birkengehölz bewachsen, erheben sich zu beiden Seiten, ähnlich wie in Inchronie, nur noch enger. Wie sahen Wild ganz nahe auf den Bergen.
Ein sehr guter Fahrweg windet sich nahezu drei Meilen durch die Schlucht, und plötzlich sieht man das Wohnhaus vor sich liegen, dessen Lage mich lebhaft an Corn Davon (bei Balmoral, nicht weit von Loch Bulig) erinnert, nur daß die Schlucht hier enger ist und die Berge höher sind. Es ist ein großes Jagdschloß von bedeutendem Umfange aber nur ein Stockwerk hoch. Wir erreichten es um halb 7 Uhr, wo es schon fast dunkel war, und Sir Thomas empfing uns, denn er hatte den Herzog verfehlt! Es war ihm indessen sogleich ein Bote nachgeschickt worden. - Wenn man das Haus betritt, kommt man erst in einen langen, niederen Korridor, an dessen einem Ende sich der Salon befindet, der die ganze Tiefe des Hauses einnimmt und dessen drei Fenster nach ebensoviel verschiedenen Seiten Aussicht gewährt. Hier hatte man den Tee vorbereitet. Wir gingen den Korridor entlang nach unseren Zimmern, die alle in einer Flucht liegen. Ein anderer, langer Korridor, etwas oberhalb der Tür der Halle, führt, im Rechteck mit dem ersteren, zu den Küchen und Dienerzimmern. An den Salon stößt das Zimmer von Sir Thomas Biddulph, dann das des Herzogs, neben diesem liegt die Stube, in welcher Brown und Roß zusammen wohnen, dann kommt die von Louise, daneben die einige, darauf das Zimmer für Emily und Annie zusammen, und etwas zurück die Stuben für Jane Churchill und ihre Kammerjungfer, - alle sehr behaglich und passend. Obgleich nun unsere Dienerschaft da war, so hatten wir doch kein Stück von dem Gepäck. Wir warteten und warteten – es kam nicht. So mußten wir Damen denn - Sir Thomas hatte sich weislich selbst einige Sachen mitgenommen- in unseren Reitkleidern, so wie wir waren, zum Diner einfinden. Da ich keine Haube da hatte, mußte mir Emily ihren schwarzen Spitzenschleier, als Coiffure arrangiert, aufstecken.
Ich hatte mich vor dem Diner ausgeruht und geschrieben. Der Herzog, welcher in Glenfiddich blieb, und Sir Thomas nahmen das Diner mit uns Damen ein.
Gleich uns hatten weder unsere Jungfern noch unsere Diener irgendwelche Aussicht, ihre Kleider zu wechseln. Nach dem Diner ging ich mit Louise und Jane in den Salon, der mir als Wohnzimmer angewiesen worden war, und Jane las uns vor. Noch während wir bei Tisch saßen, um halb 10 Uhr, sagte uns Roß, daß Blake, der Lakai, mit einigen kleineren der Gepäckstücke angekommen sei, aber von den notwendigsten Sachen, wie Kleider etc., sei noch nichts da. In Tomintoul war der Gepäckkarren zerbrochen, und Blake war mit einem kleinen Wagen bis Dufftown gekommen, die kleinen Stücke mit sich schleppend, aber die schweren Koffer kämen auf einem Karren nach und man hoffte, se würden bis 12 Uhr hier sein. Es scheint, als hätte man zuerst keine Pferde bekommen können, und nur mit den größten Schwierigkeiten waren endlich welche aufgetrieben worden. Louise und Jane Churchill zogen sich um 11 Uhr zurück.
Ich saß und schrieb, auf das Gepäck wartend. Man schickte einen Mann auf einem Pony mit einer Laterne aus, um danach zu sehen, endlich um ein Viertel nach 12 Uhr legte ich mich, da ich sehr müde war, auf dem Sofa nieder, und Brown ging selbst nachsehen. Um ein Uhr kam er zurück mit der Botschaft, daß nichts zu sehen noch zu hören sei von diesem unglückseligen Gepäck, und schlug mir vor, zu Bett zu gehen. Meine Kammerfrauen hatten leider nicht daran gedacht, selbst das notwendigste mitzunehmen, und mir war der Gedanke, mich, ohne meine gewöhnliche Nachttoilette gemacht zu haben, zu Bett zu legen, unangenehm. Es wurden indes einige Arrangements getroffen, die sehr unbehaglich waren und um 2 Uhr legte ich mich zu Bett, ohne schlafen zu können. Die Ermüdung trug aber den Sieg über das Unbehagen davon, und nach drei Uhr schlief ich endlich ein.
Königin Victoria
Neue Blätter aus meinem Tagebuche in den Hochlanden
Von 1862-1882
Stuttgart und Leipzig 1884