1803 - George Annesley Mountnorris, Viscount Valentia
Prächtiger Empfang in Kolkata/Kalkutta
Indien
26. Jan. Um 7 Uhr nahm ich, begleitet von Herr Salt, Abschied von der Minerva, auf der ich beinahe 8 Monate zugebracht hatte. Die Staatsbarke, die wir bestiegen, erinnerte mich an die Feenmärchen. Sie war im Verhältniß ihrer Breite sehr lang und reich mit Grün und Gold verziert; ihr Vordertheil war ein vergoldeter ausgebreiteter Adler, der Hintertheil der Kopf und Leib eines Tigers. Die Mitte konnte 20 Personen mit Bequemlichkeit fassen, und war mit einem Himmel und Seitenvorhängen bedeckt; vorn saßen 20 Eingeborene in Scharlach gekleidet, mit rosenfarbenen Turbans, und ruderten mit großer Schnelligkeit.
Nach dem Frühstück in einem Wirthshause am Ufer setzten wir unsere Reise fort. Wie wir vorwärts kamen, ward der Fluß heller und die Gegend durch die Landsitze der Engländer an beiden Ufern verschönert; sie waren an sich malerisch, weiß, mit geräumigen Säulengängen gegen Süden versehen; die Fenster waren durch grüngemalte venetianische Blenden verschlossen. Jedes Haus war mit einer Pflanzung von Mangos und andern orientalischen Waldbäumen umringt. Wir landeten bei Herrn Farqueharson’s Garten, ungefähr 5 Meilen von Calcutta, wo Herr Graham’s Wagen uns erwartete, um uns nach seinem Hause zu bringen; wir kamen um zwei Uhr an und wurden äußerst gastfrei aufgenommen; er wohnt in Chowringee in einem herrlichen Hause, wo Zimmer für mich und Herrn Salt bereitet waren. Nachdem wir in Gesellschaft mit einigen Freunden unsers Wirths zu Hause gespeist hatten, begaben wir uns sämmtlich nach dem Gouvernementshause.
Die Staatszimmer waren zum ersten Mal erleuchtet. An dem obern Ende des größten lag ein sehr reicher persischer Teppich ausgebreitet; in der Mitte desselben war ein Musnud (orientalischer Polstersitz) von Gold und Karmesin angebracht, der vorher den Thron des Sultans Tippu verzierte. Auf demselben stand ein reicher Staatsstuhl für [Generalgouverneur] Lord Wellesley; an jeder Seite drei Sessel für die Mitglieder des Raths und die Richter. Nach der Thür herunter waren an beiden Seiten Sitze für die Damen, die sie nach den strengen Regeln des Ranges, den hier die längere oder kürzere Dienstzeit des Mannes, bestimmt, einnahmen.
Um 19 Uhr kam Lord Wellesley, begleitet von einer großen Schar Adjutanten u.s.w. und nahm seinen Sitz ein, nachdem er in der nördlichen Verandah die Begrüßungen einiger eingebornen Fürsten und die Vakils anderer empfangen hatte. Darauf begann der Tanz und währte bis zum Abendessen. Das Zimmer war nicht hinreichend erleuchtet, machte aber dennoch eine schöne Wirkung. Die Reihen von Chunampfeilern (eine Art Stuck) die jede Seite trugen, nebst dem übrigen Theil des Saales machten mit ihrem glänzenden Weiß einen Kontrast gegen die verschiedenen Kleider der Gesellschaft. Lord Wellesley trug die Orden von St. Patrick und den Halbmond in Diamanten. Auch viele europäische Damen waren reich mit Juwelen geschmückt.
Die schwarze Tracht der Armenier gefiel der Abwechslung wegen; und die köstlichen, aber übelkleidenden Gewänder ihrer Frauen, zusammen mit dem Aufzug der Offiziers, Nabobs, Perser und Eingeborenen glichen einer Maskerade. In einer Hinsicht ward sie übertroffen; die Charaktere wurden gut behauptet und das Kostume ward von Keinem verletzt. Ungefähr 800 Personen waren gegenwärtig, die hinreichenden Raum zu speisen unten im Marmorsaal fanden; von dort wurden sie um 1 Uhr nach den verschiedenen Verandahs geladen, um das Feuerwerk und die Beleuchtungen zu sehen. Die Seite der Citadelle, die nach dem Pallaste sieht, war mit einem Lichtglanze bedeckt, und alle Zugänge waren mit Lampen an Bambusstäben eingefaßt. Der Pöbel stahl viel Öl; und da es unmöglich war, eine so große Reihe mit einemmale anzuzünden, war die Wirkung weit unter dem, was sie hätte seyn müssen. Die Feuerwerke waren unbedeutend; nur die Raketen übertrafen alle, die ich je gesehen habe. Sie wurden aus Mörsern auf den Wällen der Citadelle geworfen. Auch waren die Farben verschiedener Stücke vortrefflich, und einem Kampf zwischen zwei Elephanten von Feuer, die auf Walzen gegeneinander gezogen worden, konnte man wenigstens das Verdienst der Sonderbarkeit nicht absprechen.
Die Nacht war sehr feucht und verursachte viele Erkältungen. Wir kehrten sehr zufrieden über den angenehmen Abend nach Hause.
Georg Viscount Valentia’s und Henry Salt’s Reisen nach Indien …
Band 1, Weimar 1811