Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

Um 1811 - Johann Konrad Friederich, deutscher Offizier in französischen Diensten
Bei Ali Pascha
Ioannina, Griechenland

 

Da die Communication mit Italien jetzt immer schwieriger wurde und auch die Fahrt nach Otranto durch die Engländer fast ganz unterbrochen wurde, so sandte man öfters kleine Detachements nach Albanien ab, wohin wir ohnehin häufig auf die Jagd gingen, um Transporte von Lebensmitteln, in Reis, Mais, Ochsen, Ziegen u.s.w. bestehend, die für die Garnison von Corfu gegen gute Bezahlung ziemlich schlecht vom Ali Pascha von Janina geliefert wurden, zu escortiren.
   Als ich bei Butrinto mit meinen Leuten ans Land stieg, empfing mich ein Abgeordneter Alis, der uns bis Janina begleitete. In allen Orten, durch welche das Commando passirte, wurde es von der staunenden Menge, die zum erstenmal europäische Soldaten sah, angegafft, und Greise, Weiber und Kinder drängten sich um meine Leute, befühlten und betasteten sie, und Alles was sie an sich hatten, war ein Gegenstand ihrer Bewunderung. Als wir vor Janina angekommen waren, mußte ich Halt machen, und der Albaneser der uns bis hierher begleitet hatte, begab sich in die Stadt um unsere Ankunft zu melden. Kaum war es daselbst ruchbar geworden, daß französische Soldaten von Corfu angekommen seyen, als eine unzählige Menge Volks beiderlei Geschlechts, Griechen, Türken und Albaneser herbeiströmten, die Wunderthiere zu sehen. Beim besehen blieb es aber nicht, sondern sie mischten sich unter die Soldaten, betasteten deren Säbel, Gewehre, Patrontaschenschilder etc., alles was blinkte und das sie für edles Metall hielten, da es bei ihnen Gebrauch ist, alle ihre Waffen, aus denen oft ihr ganzes Vermögen besteht, mit Silber oder Gold beschlagen und verzieren zu lassen. Manche öffneten sogar die Patrontaschen und befühlten die Cartouches und Tornister auf eine Weise, daß ich zu thun hatte, meine Leute, die sich dies nicht gefallen lassen wollten, ruhig zu halten. Am neugierigsten und dreistesten waren die Frauen und Kinder.
   Glücklicherweise kam der Albaneser, einer von Alis Garden, mit einem Offizier des Paschas zurück, der mit einem: Oxo, oxo, Morée (Fort, fort ihr Kerls) das vor seinem Tyrannen zitternde Volk in einem Nu auseinanderjagte. Er kündigte mir an, daß wir kein Quartier in der Stadt erhalten würden, sondern bis nach Ablieferung der Lebensmittel vor derselben unter Zelten, die man in Zeit von einer Stunde für uns aufschlagen würde, lagern müßten, es sey indessen den Leuten erlaubt, einzeln und ohne Bajonnette in die Stadt zu gehen, übrigens würde man für unsere Bedürfnisse in jeder Hinsicht reichlich Sorge tragen und der Pascha uns in ein Paar Stunden selbst mit seinem Besuche beehren. Dies alles wurde vermittelst eines Dollmetschers in italiänischer Sprache verhandelt.
   Bald darauf kündigte ein unordentlich im Galopp dahersprengender, sehr reich gekleideter Trupp albanesischer und türkischer Reiter Alis Ankunft an, dem er mit einer sehr zahlreichen und glänzenden Suite bald folgte. Ich ließ die Mannschaft ins Gewehr treten, präsentiren und die Tambours aux champs schlagen; sogleich ließ Ali durch den Dollmetscher fragen, was dies zu bedeuten habe, und als er vernommen daß dies die höchste militärische Ehrenbezeigung sey, gab er sein Wohlgefallen durch ein beifälliges Lächeln zu erkennen. Ich ließ hierauf, nachdem ich seine Zustimmung erhalten, noch einige Handgriffe und Wendungen vornehmen, mehrmals abfeuern, Peloton-, Glieder- und Rottenfeuer machen, was sowohl vom Pascha als seinen Umgebungen mit Beifallsbezeugungen aufgenommen wurde. Was ihn am meisten ansprach, ließ er mich durch den Dollmetscher ersuchen zu wiederholen, erkundigte sich bis zu den kleinsten Details nach der Garnison zu Corfu, und nachdem er mich seiner Zufriedenheit und seines Wohlwollens hatte versichern lassen, so wie daß noch vor Abend für alle unsere Bedürfnisse gesorgt werden würde, verließ er uns nach einer Anwesenheit von beinahe 2 Stunden.
   In der That war er kaum weg, als Lebensmittel aller Art, Wein nebst mehrern türkischen Zelten, auch einige Divans und Polster herbeigebracht wurden, denen vier Sänften von Sklaven getragen und albanesischen Wachen umgeben folgten; vier türkische Frauen oder Sklavinnen befanden sich in denselben, die ihre besondern Zelte erhielten und die der besorgte Pascha zu meiner Privatunterhaltung bestimmt hatte, indem die Türken die Weiber wie ein jedes andere zu befriedigende nothwendige Bedürfniß betrachten. Ich machte ihnen, nachdem die Zelte aufgeschlagen waren, was zuerst geschah, einen Besuch um meine Neugierde zu befriedigen, und fand vier ziemlich robuste, wohlgenährte, korpulente Schönheiten, die gerade nicht mehr in der ersten Blüthezeit standen, hochroth geschminkt, schwarz bemalt waren, angestrichene Nägel und ziemlich grobe Züge hatten; genug es waren weder circassische noch griechische Schönheiten, ich verließ sie bald wieder und gestattete den Unteroffizieren und Soldaten sie zu besuchen, denn sie zurückzuschicken würde der Pascha für eine große Beleidigung angesehen haben. Als ich aber erfuhr, daß Ali mir ein Geschenk mit diesen Schönheiten machen wolle, die ich mit nach Corfu nehmen solle, ließ ich ihn am Tage unseres Abmarsches wissen, daß ich sehr bedauere, dies nicht annehmen  zu dürfen, indem es mit die französischen Gesetze verböten und ich bei meiner Rückkehr großen Unannehmlichkeiten ausgesetzt seyn würde, wenn ich vier Weiber mitbrächte. Diese Raison nahm er auch an.
   Den andern Morgen schickte er wieder Geflügel, eine große Quantität türkischen Taback nebst türkischen Pfeifen von rother Erde und vergoldet, für das ganze Commando; den Nachmittag kam er abermals selbst und ließ sich wieder einige Manoeuvres vormachen. Diese Besuche wiederholte er noch einigemal und beschenkte die Leute reichlich mit Taback.
   Des Morgens durchstrich ich die ungepflasterten Straßen Janinas und besah deren bunte Häuser, Moscheen etc.; auch hatte ich zweimal Audienz beim Pascha in dessen Palast, wo er mich mit einem Kistchen von Sandelholz, welches zwei Dutzend Fläschchen köstlichen Rosenöls enthielt, einem Päckchen von den im Serail verfertigten Pastilien, und mehrern ausgezeichnet schönen türkischen Pfeifen, deren Rohre mit Caschmir überzogen waren, und zwei caschmirnen Shawls von Werth beschenkte. Meine von Zeit zu Zeit später abgeschickten Nachfolger waren nicht so glücklich, die Sache war nichts neues mehr, und als erst das Mißgeschick des französischen Heeres in Rußland bekannt wurde, da zog der Pascha von Janina ganz andere Saiten auf, und bald nachher traten zwischen ihm und dem Gouverneur von Corfu Mißhelligkeiten ein.
   Einige Notizen über Janina und seinen merkwürdigen und grausamen Tyrannen dürften hier wohl an ihrem Platz seyn. Der Anblick der Hauptstadt Albaniens ist ganz orientalisch und über alle Beschreibung schön. Janina liegt an einem großen breiten Landsee, dem acherusischen der Alten, unfern der Stelle, wo das berühmte Orakel von Dodone war, und der sich am Fuß eines Berges hinzieht, in ihrer ganzen Herrlichkeit vor den Augen des erstaunten Ankommenden ausgebreitet. Die von Cypressenwäldchen umgebenen, stolz hervorragenden Minarets mit den vielen bunten dazwischen liegenden Häusern machen einen besonderen Eindruck. In den See zieht sich eine Halbinsel mit schroffen Felsen, auf der das alte Serail des Paschas, oder sogenannte Fort, und ebenfalls eine von Cypressen umgebene Moschee liegen. Eine hohe Mauer trennt sie von der Landseite. Von dieser Halbinsel kann man die ganze Stadt gut übersehen; ihr gegenüber liegt eine kleine Insel, auf der sich noch ein dem Pascha zugehöriger Pallast befand. Janina hat einen sehr großen Umfang, viel offene Plätze und Moscheen. Die Bazars sind mitten in der Stadt und nehmen zwölf Straßen ein, ein jeder ist für ein besonderes Gewerbe bestimmt, der eine für Juweliere, der andere für Waffenschmiede u.s.w. Hier hängen die Gebäude auch ziemlich zusammen, die Häuser der Reichen sind sehr geräumig und haben alle Gallerien. Der Judenkirchhof befindet sich mitten in der Stadt, die damals an 40.000 Einwohner zählen mochte, und außer 16 Moscheen auch 8 griechische Kirchen hatte, sogar sah ich einige Buchläden, in denen neugriechische Bücher verkauft wurden. In den Straße begegnete man bewaffneten Arnauten, Mohren, Tartaren, Türken, und Griechen, alle zu des Paschas Schaaren gehörend, dessen Pallast, der große Serail genannt, um ihn von dem seiner Söhne Muktar und Veli zu unterschieden, im südlichen Theil der Stadt auf einer Anhöhe, die dieselbe beherrscht, und eine Citadelle aus hohen Steinmassen bildet, liegt. Der obere Bau ist von Holz, und ganz türkisch mit vorspringenden Dächern, langen Fensterscheiben und bemalten Außenwänden. Er ist von finstern Straßen ungeben, die sehr enge Zugänge bilden. Durch ein hölzernes Thor kömmt man auf einen breiten unregelmäßigen Platz, der von zwei Seiten durch den Serail eingeschlossen ist. Dieser Platz wimmelte von den Soldaten von Alis Leibwache, die sehr reich gekleidet war. Von da kömmt man in eine Gallerie, die mit einer Menge Volk, als Türken, Albaneser, Mohren, Griechen, schwarzen Verschnittenen, Juden u.s.w. angefüllt ist, dann gelangte man in einen langen, reich verzierten Saal, in dem ein großer seidner Vorhang herabhing, welcher, wenn Ali Audienz gab, in die Höhe gezogen wurde, wo alsdann ein prächtiges, mit vielen Säulen prangendes großes Gemach sichtbar ward, von dessen Fenstern man die Aussicht auf den Landsee und das Pindus-Gebirge hatte. Der Fußboden war kostbar ausgelegt und mit reichen Vergoldungen geschmückt, an den Säulen hingen Dolche und alle mögliche Waffen von großem Werth, dem Pascha gehörend, rings um waren karmoisinrothe Divans, vor denen die kostbarsten Teppiche lagen. Ali selbst saß mit übers Kreuz geschlagenen Füßen unter einem karmoisin mit Gold gestickten prächtigen Thronhimmel. Er war von ziemlich hohem Wuchs, hatte ein dickes rundes Gesicht, eine offene Stirn, schlaue Züge und einen wilden grimmigen Blick. Er trug ein blaues, rothes oder gelbes, reich mit kostbaren Pelzen besetztes Oberkleid und bisweilen statt des Turbans eine Sammetmütze. Die Stimme war sehr rauh und hohl und sein brüllartiges Lachen hatte etwas Fürchterliches und Erschreckendes an sich.

 

Friederich, Johann Konrad
Vierzig Jahre aus dem Leben eines Todten. Hinterlassene Papiere eines französisch-preußischen Offiziers
Band 2, Tübingen 1848

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