Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1823 - Lord Byron
Über die Griechen

[Aus seinem Tagebuch, geschrieben am 28.9.1823 auf Kephalonia.]

 

Da ich nicht hierher gekommen bin, um mich einer Clique anzuschließen, sondern einer Nation - um mit ehrenhaften Männern zu verhandeln und nicht mit Spekulanten und Betrügern - (Beschuldigungen, die sich die Griechen nahezu täglich gegenseitig entgegenschleudern), wird es (meiner) großer Umsicht bedürfen, um nicht als Partisan zu gelten - und ich empfinde das als um so schwieriger - weil ich bereits von mehr als einer der sich streitenden Parteien Einladungen erhalten habe - immer unter dem Vorwand, dass sie vom reinen Glauben seien. - Aber schließlich - man sollte nicht verzweifeln - wenn auch alle Ausländer, die ich bis jetzt unter den Griechen angetroffen habe - angewidert heimreisen oder schon heimgereist sind. -
   Wer immer heutzutage nach Griechenland kommt, sollte es so tun, wie Mrs. Fry nach Newgate kam - nicht in der Erwartung, auf irgendwelche besonderen Anzeichen bestehender Redlichkeit zu treffen, sondern in der Hoffnung, dass Zeit und bessere Verfahren die jetzigen Tendenzen zu Einbruch  und Diebstahl, die dieser allgemeinen Leerung der Gefängnisse gefolgt sind, bezwingen werden. - Wenn die Gliedmaßen der Griechen ein bisschen weniger steif sind von den Fußfesseln vierer Jahrhunderte, werden sie nicht mehr so marschieren, »als ob sie Fesseln an den Beinen hätten« - - Nun sind die Ketten zwar zerbrochen - doch ihre Glieder scheppern noch - und die Saturnalien sind noch zu jung, um den Sklaven in einen nüchternen Bürger verwandelt zu haben. - Das Schlimmste an ihnen aber ist, dass sie (um einen groben aber den einzigen Ausdruck zu gebrauchen, der nicht hinter der Wahrheit zurückbleibt) solch verd--te Lügner sind; - solches Unvermögen, aufrichtig zu sein, gab es nicht seit Evas Zeiten im Paradies. - Einer von ihnen hatte vor kurzem etwas an der englischen Sprache auszusetzen - dass sie so wenige Schattierungen für das Nein habe - wohingegen ein Grieche aus einem  Nein - ein Ja - und vice versa - mit Hilfe der schlüpfrigen Eigenschaften seiner Sprache machen könne - dass Wortverdrehungen bis zu jedem beliebigen Ausmaß betrieben werden könnten und noch immer eine Hintertür bliebe, durch die der Meineid entwischen könne, ohne aufzufallen. - - Das war des Gentlemans eigene Rede - und sie ist nur zu bezweifeln, weil mit den Worten des Syllogismus - »Epimenides ja ein Kreter war«. [Im Neuen Testament steht, dass Kreter lügen, böse und faul sind.] Doch das mag sich nach und nach geben.

 

Byron, George Gordon; Marchand, Leslie (Hg.)
For Freedom's a Battle - Byron's Letters and Journals
Band 11, London 1981
Übersetzung: U. Keller

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