Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1638 und 1648 - Jean Baptiste Tavernier
Eifersucht in Goa
Indien

 

Die Stadt ist sehr groß und hat schöne steinerne Mauern; die Häuser sind meistens prächtig erbaut, sonderlich des Vice-Roy Palast. Es gibt gar viel Gemächer darinnen und sieht man in manchen Sälen und Kammern mancherlei Gemälde, deren jedes die von Lissabon nach Goa und wieder von Goa nach Lissabon segelnden und mit grobem Geschütz wohl ausstaffierte Schiffe samt dem Namen des Kapitäns wie auch des Schiffes vorstellen.
   Wenn die Stadt nicht so nahe am Gebirge, mit dem sie umgeben ist, läge, wäre sie ohne Zweifel viel volkreicher, und die Luft allda wäre viel gesünder. Das Gebirge nimmt ihr die frische Luft und verursacht fast unerträgliche Hitze.
   Rind- und Schweinefleisch ist der Einwohner zu Goa gemeinste Speise. Es gibt zwar auch Hühner allda, aber wenig Tauben, und obwohl es nahe am Meer liegt, hat es doch Mangel an Fischen. Hingegen ist an mancherlei Konfekten da kein Abgang und wird auch dessen viel verbraucht.
   Ehe und bevor die Holländer die Macht der Portugiesen in Indien so geschwächt, war in Goa nichts als lauter Pracht und Reichtum zu sehen, seitdem aber, da diese letzten Ankömmlinge ihnen den Handel und Wandel auf allen Seiten entzogen und verringert haben, haben sie auch ihre Gold- und Silberquellen verloren und sind von ihrer vorigen Herrlichkeit ganz entblößt.
   Auf meiner ersten Reise nach Goa traf ich allda wohlhabende Leute an, die 2-3000 Taler Einkommen hatten. Bei meiner anderen Hinkunft aber heischten sie von mir heimlich des Abends Almosen, doch ihrem Stolz war dadurch nichts benommen, insonderheit dem Frauenvolk, das in Palankinen daher kommt und beim Hause stillhält bis der Knabe, so sie begleitet, die Complimenten von ihnen ausgerichtet hat.
   Man schickt ihnen sodann was man gern will oder gehet wohl selbst zu ihnen, wenn man sie gern von Gesicht sehen möchte, welches aber selten geschieht, weil ihr ganzes Haupt mit einem Schleier bedeckt ist. Sonst, so man ihnen selbst persönlich etwas an der Tür verehrt, werden sie einem gemeiniglich eine Schrift von einem Geistlichen überreichen, worin er sie recommendiert, auch ihrer vorigen Güter und jetzigen Armut gedacht wird. Kommt man also gar oft mit einer solchen Person in ein Gespräch und bittet sie ehrenhalber ins Haus auf eine gute Collation, die manchmal wohl gar bis auf den anderen Morgen währet.
   Wo die Portugiesen in den Landfestungen nicht so viel Besatzungen gehalten und, anstatt daß sie die Holländer damals verachtet, sich besser in acht genommen hätten, würden sie nicht auf so schwachen Füßen stehen wie sie sich jetzt befinden.
   Die nach Indien reisenden Portugiesen, sobald sie den Ort Capo bonae spei [Kap der Guten Hoffnung] vorbei gesegelt, sind alle Edelleute und setzten ihrem Namen Peter oder Hans, den sie zuvor hatten, als sie zu Schiffe gingen, das Wort Dom bei, weswegen man sie spottweise gemeiniglich Edelleute von Capo bonae spei nennt. So sie in höheren Stand treten, verändern sie auch ihre Sitten, und man kann wohl mit Wahrheit sagen, daß die Indien wohnenden Portugiesen für die allerrachgierigsten und eifersüchtigsten unter allen Völkern auf der Welt zu halten sind. Sobald sie einigen Argwohn auf ihre Weiber werfen, fertigen sie selbige mit Gift oder dem Stilet ab, und zwar ohne einiges Bedenken. Nimmermehr werden sie ihrem Widersacher vergeben. Wenn die Feinde von gleichen Kräften sind und sich nicht persönlich zusammen wagen dürfen, so gebrauchen sie schwarze leibeigene Knechte, die auf ihres Herrn Befehl, den einen oder anderen zu ermorden, blind hin ganz willigen Gehorsam leisten, welches gemeiniglich mit einem Stiletstoß wie auch mit Schießen oder vermittelst eines großen, eine halbe Pike langen Prügels, den sie ohnehin stets bei sich tragen, verrichtet wird.
   So es sich aber begeben sollte, daß sie den, welchen sie suchen, in langer Zeit nicht antreffen und ihm weder in der Stadt noch auf dem Felde bekommen können, so werden sie ihr böses Beginnen ohne einzige Ehrerbietung gegen die heiligen Orte wohl gar beim Altar verbringen, wie ich denn zwei Exempel, eins zu Daman, das andere zu Goa selbst gesehen. Nämlich als drei oder vier schwarze Sklaven etlicher Personen, denen sie nach dem Leben trachteten, in der Kirche bei der Meß gewahr wurden, schossen sie alle durch die Glasscheiben auf sie hinein ohne einzige Beisorge, daß auch andere, Unschuldige dadurch möchten getroffen oder verwundet werden.
   Die Gerichte haben auf solche Verbrecher kein Einsehen, indem meistens die großen Herren im Lande die Urheber sind. Ihre Gerichtsprozesse erlangen niemals ein Ende, und haben die Canarinen, so im Lande geboren, welche zugleich einen Solitator und Procurator abgeben und die allerarglistigsten und verschmitztesten Leute sind, selbige zu schlichten.
   Aber wieder auf die vorige Macht der Portugiesen in Indien zu kommen, so ist es gewiß, wenn die Holländer niemals dahin gekommen wären, würde man in den meisten portugiesischen Häusern kein Stück Eisen mehr [statt dessen aber Gold und Silber] gefunden haben; denn sie durften nur in die philippinischen und molukkischen Inseln oder gegen China fahren und bei ihrer Wiederkunft fünf und sechs, ja auf großen Waren gar zehn auf eines Profit machen.

 

Tavernier, Jean Baptiste
Vierzigjährige Reisebeschreibung worinnen dessen durch Türken, Persien, Indien und noch mehr andere Oerter höchst löblich vollbrachte sechsmalige Länderreise …vorgestellt
Band 2, Nürnberg 1682

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