Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1682/83 - Otto Friedrich von der Gröben,
Die Gründung des Sklavenforts Großfriedrichsburg
Ghana

 

[Nach Portugiesen, Engländern und Holländern wollte der Große Kurfürst von Brandenburg auch am afrikanischen Handel mit Gold, Elfenbein und Sklaven Teil haben. Nach fünf Monaten Fahrt mit mehreren Landgängen und Handelsaktivitäten erreichten die zwei Schiffe unter dem Expeditionsleiter von der Gröben einen viel versprechenden Landungsplatz.]


Wir nahmen unsere Fahrt nach der ersten Spitze von Capo Tres Puntas, dahin wir mit großer Mühe gelangten, indem wir unser Schiff mehrenteil haben mit Palmen fortziehen müssen; allda lieget ein großes langes Dorf, Accoda, welches nach geworfenem Anker Capitain Philipp Blanck noch selbigen Abend besahe. Den anderen Tag, weil uns der contraire Wind und Strom zu segeln verhinderten, ging ich auch mit dem Schiff-Capitain und einem Ingenieur an Land. Kaum hatten wir die herrliche Gegend und Situation erblicket, da gefiel sie uns so wohl, daß ich bey denen Capiscirs [Häuptlingen] angehalten, ob sie zulassen wollten, daselbst ein brandenburgisches Fort zu bauen; welches sie mit Freuden gestattet.
   Worauf ich sie alle des andern Tages in die Fregatte Chur-Printz zu kommen ersuchet, versprechend, daß sie von unserem Capitains auf den Schiffs-Fahrzeugen sollten abgeholt werden. Worauf früh morgens die Capitains ans Land fuhren und meine zwey Schreiber nebst dem Kammer-Diener als Geisel an Land zu lassen mit sich nahmen. Brachten auch nachmittags acht Capiscirs an Bord, mit welchen ich fürs erste mündlich einen Contract geschlossen, willens, ihn folgenden Tag aufs Papier zu bringen und zu unterschreiben Nach vollkommener Richtigkeit ließ ich sie oben unter das Zelt (wo eine Taffel zubereitet war) führen und durch meine Ingenieurs dergestalt traktieren, daß man sie alle wegen der Trunkenheit an einem Tau in das Fahrzeug niederlassen muste. Sie wollten aber nicht eher vom Schiff, bis ich sie ingesampt beschenkt.
   Obschon ich und meine beyden Capitains sehr zweiffelten, daß ein bequemerer Ort auf der ganzen guineischen Küste zu finden wäre, so wollte ich dennoch nichts schriftliches mit denen von Accoda schließen, ich hätte denn zuvor die Capiscirs, an die ich abgeschickt worden, gesprochen, und die Gegend ihres Dominii gesehen.
   Was die Situation von Accoda betrifft, so ist zu Erbauung eines Forts eine Pen-Insul, so sich 30 Ruten in die See erstreckt und einen so guten Hafen machet, daß man in der schlimmen Zeit nicht allein ankommen, sondern auch ein ziemlich großes Fahrzeug vor allen Stürmen befreyen kann, hergegen hat zwar der Ort einige Berge umb sich liegen, denen man aber mit keinem Fahrzeug beykommen kann, weil die See sehr stark dawider stosset, also daß unmöglich einige Stücke darauf zu bringen.
   Damit ich aber wieder auf meine vorige Materie komme, fuhr ich mit den beyden Ingenieurs und zweyen Capitainen ans Land, die Nacht über daselbst zu verbleiben und folgends bey anbrechendem Tage mit dem Fahrzeuge an die Capiscirs von Tres Puntas zu schiffen, allda meine Commission abzulegen und die Gegend in Augenschein zu nehmen.
   Die Einwohner von Accoda waren sehr höflich, accommodirten uns die Nacht über nach Möglichkeit, Als wir des Morgens aufgestanden, versprachen sie uns, alle behülffliche Hand im Bau und allerhand zuträglichen Begebenheiten zu leisten; worauff wir ihnen einen silbernen Degen zum Pfande ließen, wieder zu kommen und aus dem Hafen ruderten. Gleich in der Ausfahrt begegnete uns der Kauffmann von Boutro [einer Küstensiedlung weiter westlich] mit einer grossen und viel kleinen Canoen, bey sich habend seine Concubinen, einen Assistenten, und ihre ganze Wirthschaft. Wir kanten ihn wohl, weil er uns und wir ihn wieder zu Boutru tractiret; deswegen wir ihn frageten: Wohin? Seine Antwort war: Ich bin geschickt vom General von Mina in Accoda zu wohnen, weßwegen er auch hie und da Häuser so lange zu meinem Aufenthalt bauen lassen, biß er eine rechte Logie wird können verfärtigen; und dazu ist allhier ein Accodaischer Capsicir, so mich abgeholet. Damit fuhr er ans Land und ließ seine Flagge auf ein Hauß stecken. Wir aber, da wir uns betrogen sahen, fuhren nach und verwiesen denen Schwartzen ihre Untreue, so uns herzlich gern behalten und die Pen-Insul zu unserm Bau schencken wollten, wofern wir begehreten, mit den Holländern in Compagnie zu legen. Weil uns solches Erbieten nicht angestanden, fuhren wir an unser Schiff. Mit der angehenden Nacht aber nahmen wir den Weg nach unsern Capiscirs in Tres Puntas. [Eine frühere Expedition hatte schon mit den Einwohnern dort verhandelt.]
   Unterdessen lavierte unsere andere Fregatte, Morian, mit einem starcken, obwohl contrairen Wind auf und legte sich vor den Wasser-Platz; in selbiger haben wir einen Theil der Nacht zugebracht.
   Da nun der Tag völlig angebrochen, setzten wir Obgemeldete uns in die Chaloupe, der Meynung, unsere Capiscirs zu suchen, denn uns war zwar die Gegend ihres Aufenthalts, aber nicht die Dorffschaft bekannt, derowegen wir erstlich an den Wasser-Platz ruderten, zu sehen, ob wir Wasser genug für unsere beyde Schiffe haben könten. Von dannen stiegen wir über hohe Berge, grausame Klippen, dicke Gebüsche, und gelangten endlich auf eine lustige Ebene, da wir zwar viel fruchtbare Bäume, aber lauter eingefallene und verlassene Näger-Hütten gefunden. Wir vermeineten, unsere Chaloupe sollte uns folgen, sie blieb aber am Wasser-Platz liegen, wo wir sie gelassen, weswegen wir fast vor Durst verschmachtet; denn die Sonne schien so heiß, daß wir es nicht eine Stunde mehr hätten ausstehen können, wenn nicht ungefähr mein Capitain ein wenig Wasser aus einem Felsen hätte lauffen gesehen; damit erlabeten wir unsern matten Geist. Wie fleißig wir aber nachsucheten, so funden wir doch nichts als Verwüstungen.
   Endlich wurden wir eines hohen Berges gewahr, welcher aber eine halbe Meile von uns entfernt lag. Weil nun die andern gantz ermüdet uns nicht folgen konten, nahm ich mit Capitain Philippen meinen Weg darauff zu, hoffend auf selbigem Schwartze anzutreffen, so uns Nachricht von unserem Capitains geben könten. Wir wurden aber in unserer Hoffnung betrogen und funden ebenfalls nichts als eine Zerstöhrung einer grossen Nägerey; so bei uns wunderliche Gedanken verursachte.
   Da wir nun die Gelegenheit des Berges recht in Augenschein nahmen (die uns zur Erbauung eins Forts sehr bequem vorkam), kamen an die 18 mit Mußqueten armirte Schwartzen mit ihren Weibern den Berg hinauffgestiegen, so uns vergewisserten, daß alle Einwohner dieser Gegend durch die von Adom vertrieben und erschlagen wären, welches Unglück auch gewiß unsere Capiscirs würde betroffen haben. Hiermit gingen sie ihren und wir unsern Weg.
   Als wir wieder zu den Unserigen gelanget, berichteten wir ihnen, daß der Berg zwar unbewohnet, jedoch sehr bequem zu einem Fort wäre. Hierauf sandten wir unsern bey uns habenden Schwartzen nach dem Fahrzeuge mit der Resolution, des andern Tages die Gelegenheit des Berges besser zu recognosciren. Unterdessen stiegen wir alle, einige Kühlung zu empfangen und vor der Grausamkeit der unerträglichen Hitze uns zu bergen, biß an den Hals ins Wasser und fingen mit bloßen Händen viel Fische, welche, sobald wir sie ans Land trugen, uns von den Raub-Vögeln unter den Händen weggenommen wurden, derohalben einer umb den andern bey den Fischen mit blossem Degen Schildwache halten muste. Endlich kam unser Fahrzeug, so aber wegen grossen See-stürtzens nicht konnte ans Land kommen, sondern wir musten biß an den Felsen gehen und fuhren ans Schiff, allwo wir uns mit Speise und Tranck wieder erquicketen.
   Den andern Tag fuhr ich mit meinen zwey Ingenieurs und Capitain Voß ans Land, des Berges Gelegenheit aus dem Grunde zu erkennen und ihn abzumessen. Als solches geschehen, sahen wir 1000 Schritt vom Berge einen kleinen Strom, dem wir uns naheten, und da wir die Tiefe ( so von 5 bis 6 Fuß war) messen wollten, funden wir die delicatesten Austern in grosser Quantität, deren sich unser Appetit etliche Tage nach einander bedienet. Während der Zeit wurden wir neun armirter Schwartzer (so gegen uns daher gingen) gewahr, die uns ausführlich berichteten, wie die drei Capiscirs umbs Leben kommen und die Einwohner vertrieben worden, derer sich unterschiedene ins Land retiriret, welche wir (wann es uns gefiele, des andern Tages wiederzukommen) zu Worten haben sollten. Inzwischen kam auch unsere andere Fregatte, Chur-Printz, angesegelt und warff Anker bey dem Wasser-Platz, in welche wir uns verfügeten und die Nacht über ausruheten.
   Des Morgens frühe gingen wir wieder an Land, bekamen aber keinen von unsern vertriebenen Nägers zu sprechen. Daraus mercketen wir, daß uns die anderen Mohren aus Hoffnung, von uns grosse Präsenten zu bekommen, so lange bey der Nase herumbgeführt.
   Dieweil wir den Berg zur Ebauung einer Vestung so bequem (als irgengs einen Ort auf der gantzen guineischen Küste) gefunden, forderte ich die 2 Capitains und beyde Ingenieurs, resolvirten wir zusammen ohne fernere Weitläuffigkeit auf gedachtem Berge Posten zu fassen; worauff ich meine Soldaten zusammen kommen lassen, ihnen vorstellend, wie man Willens wäre, ein Fort auf gedachtem Berge zu bauen. Wer Lust hätte, eine gewisse Zeit allhier in Guarnison zu bleiben, solte sich angeben. Darauff sich alle miteinander auf gewisse Conditiones freywillig offeriret.
   Also zogen wir nach Lösung von fünff Stücken mit Pauken und Schallmeyen ans Land und erfuhren bey unserer Ankunft, daß 2 Capiscirs aufm Berge wären, worauff ich mit fliegender Fahne, Pauken und Schallmeyen mich zu ihnen hinuaff begeben, da sie mir entgegen gekommen und mich in eine alte aufgeworffene Hütte gebeten, allwo ich ihnen mein Vornehmen zu verstehen gegeben und sie mit wenig Worten zu meinem Willen gebracht.
   Noch denselbigen Tag habe ich sechs dreypfündige Stücke durch einen engen Steig oben auf die Spitze gezogen und geschleppet; so ohne der Naturellen Hülffe unmöglich hätte geschehen können, weil der Berg zu hoch und der Weg zu rauhe war, auch ließ ich mir noch selbigen Tag ein Zelt von einem Schiffs-Segel aufschlagen und blieb die Nacht lieber am Lande.
   Den folgenden Tag als den ersten Januarii Anno 1683 brachte Capitain Voß die grosse Churfl. Brandenbugische Flagge vom Schiff, die ich mit Pauken und Trompeten auffgeholet, mit allen im Gewehr stehenden Soldaten empfangen und an einem hohen Flaggen-Stock aufziehen lassen, dabey mit 5 scharff geladenen Stücken das Neue Jahr geschossen, denen jedes Schiff mit 5 geantwortet und ich wieder mit drey bedankt. Und weil Sr Chrufl. Durchl. Nahme in aller Welt groß ist, also nennete ich auch den Berg den Grossen Friedrichs-Berg.
   Diesen Tag baueten sich unsere Soldaten ihre Baraquen, und ich ließ durch die Nägers für mich und meine Officire auch eine lange Baraque auffrichten.
   Indessen berieff ich meine Officirer nebst den zween Capsicirs zu mir ins Zelt, gab ihnen mein Vornehmen abermahl zu verstehen und begehrete mich ihrer Treue durch einen Eyd zu versichern. Worauff sie geantwortet, daß ich daran nicht zu zweiffeln, dafern ich mit ihnen Fensie sauffen wollte, daß wir es gleichfalls treu mit ihnen meynen, sie nie verlassen und wider ihre Feinde verteidigen wollten. Welches da ichs eingewilliget, ward eine Schale mit Brandtwein herbey gebracht und mit Schieß-Pulver durchgerühret. Daraus muste ich die unangenehme Gesundheit anfangen, die beyden Capiscirs folgeten mir nach und beschmierten mit dem Rest den gemeinen Schwartzen die Zunge, damit sie auch getreu bleiben möchten.
   Nach Verrichtung dieser herrlichen Ceremonien beschenckete ich so wohl die Capiscirs als auch die umstehenden Schwartzen reichlich, der Meynung, ich würde nicht mehr nöhtig haben, Präsenten auszutheilen. Aber die Zeit hat mich nachmals viel ein anderes gelehret. Selbigen Tag brachten wir noch 2 sechspfündige Stücke auf den Berg.
   Den folgenden Tag aber ward von denen Ingenieurs das Fort abgestochen, von denen Schwartzen Pallisaden angeschafft und von meinen Soldaten abgesetzet.
   Als wir in unserer Arbeit begriffen, gab sich ein bey uns ein Aximscher Capiscir an, so eine Holländische Flagge bey sich hatte mit Ordre von ihrem Kauffmann, selbige auf der Höhe wehen zu lassen, wofern wir noch nicht Post gefasset; er muste aber wie er gekommen wieder wegziehen. Folgends passirten täglich viel Capsicirs mit ihren Untersassen den Berg (indem allhier die gemeine Landstraße), welche fast alle bey uns eine Visite ablegeten, uns mit einer Schüssel Reiß oder einem paar Hüner beschenckende, dafür ich ihnen etliche Reichsthaler Wehrt wieder schencken und den Leib voll Brandtwein zu sauffen geben muste. Einige zogen davon, Einige blieben bey uns und baueten sich Häuser auf dem Berge, inzwischen daß unsere Leute und die Nägers in ihrer Arbeit fortfuhren.
   Selbiges Tages übergab Capitain Blanck (den ich zum Commandanten des Forts gemacht) dem Capitain Vossen sein Schiff und kam zu mir auf dem Berg zu wohnen. Kurtz darauf kam ein Englisch Schiff, so das Erste gewesen, das unsere Flagge mit Canonenschüssen begrüsset und bey uns geanckert. Darauff ging der Capitain Voß mit der Fregatte Morian nach Capo S. Apolonia zu handeln.
   Hierbey kann ich nicht unterlassen zu melden die Freygiebigkeit der Schwartzen, wenn ich sie beschencket oder ihnen etwas versprochen; alsdann fuhren sie behende an die Erde, ergriffen ein Stückchen Holtz, Erde oder was immer sie bekommen konten, und steckten es mir zum Zeichen der Danckbarkeit in die Hand. Wann sie mir ein Hun oder Schüssel Reiß brachten, wollte ich mich auch ihrer Mode bedienen. Aber es wollte nicht passiren; denn ihre Meynung war, dieser Gebrauch wäre allein bey den Schwartzen und nicht bey den Weissen.
   Damit ich wieder auf meinen Zweck gerahte, kam des andern Tages ein Dänischer Lordenträger bey unserm Castel zu Ancker, so uns gleichfalls mit fünf Schüssen gegrüssete. Noch diesen Tag fuhr ich an unsere Fregatte Chur-Printz von dannen an des Lordenträgers, allwo ich meinen matten Geist mit gutem Zerbster Bier wieder erquicket und nachgehends im Chur-Printz übernachtet.
   Als ich im besten Schlaf begriffen berichteten mir meine Leute die Ankunfft einer heimlichen Gesandschafft so mich sprechen wolte. Weil aber den Schwartzen nicht allerdings zu trauen, fürnehmlich des Nachts, da ich mir die Ursache solcher Visite nicht einbilden konnte, war erstlich bey mir keine Audienz zu erlangen. Als sie mir aber keine Ruhe ließen, nahm ich ein paar Pistolen unter den Rock und ließ sie vor mich. Da erkante ich sie für Einwohner von Accoda, die mich persuadiren wollten, unseren Berg zu verlassen und bey ihnen ein Fort zu bauen. Ich bestraffete an ihnen ihre erste an uns bewiesene Untreue, da sprach der Gesandte: Herr, siehe, hier bin ich ein Capiscir, dieser ist mein Bruder, da ist dessen Frau, und da ist sein Kind, die lasse ich dir zu Geisseln; begehen wir eine Untreue an dir, so thue ihnen was dir gefället. Ich beschied sie auf den andern Tag zu mir, weil ich vorher darüber Raht halten muste; welches geschehen.
   Darnach bekamen sie zur Antwort: Sie möchten sich patientiren, biß wir (wills GOtt) mit unseren Schiffen wieder kämen, alsdann könten wir ausführlicher sehen, was bey der Sache zu thun wäre. Welche Antwort sie zwar nicht gar verzweifflend, aber doch mit schlechter Hoffnung weggehend machte.
   Folgenden Tag setzte ich den Contract zu Papier, den ich mit denen Capsicirs (derer 14 nunmehr auf dem Berge waren) geschlossen, weil sie es selbst an mich offtmahls gesuchet. Da ich sie von der Accodaischen Gesandschafft wissen lassen waren sie noch mißtrauischer, indem sie in Furcht stunden, wir möchten sie verlassen. Derowegen berieff ich sie in mein Gezelt, setzte mich mit dem Commandanten Philipp Blancken und denen Capsicirs an eine Taffel, gab ihnen abermahl die im Contract stehenden Puncta auf Portugiesisch zu verstehen und begehrete, sie möchten selbige beschwören. Da forderten sie erstlich gewisse Wahren von mir, dafür sie unserer Compagnie den Berg und die umbliebene Gegend eigenthümlich verkauffeten. Nachmahls ließ ich eine Schale mit Brandtwein, Wermuth-Extract und Violensaft zurichten, nahm einen Löffel in die Hand und fragete den Aeltesten, ob ihm beliebe zu trincken; selbiger sagte: Ha, ich trincke, folgende Puncta, so man mir vorgelesen, zu halten und unter dieser über uns wehenden Flagge zu leben und zu sterben. Breche ich meinen Eyd, so lasse mich der grosse Monarch augenblicklich sterben.
   Einige unter ihnen wollten zwar Fetisie trincken, konten aber nicht eher mit den Ihrigen den Berg beziehen als umb drey, vier biß sechs Monaten, solches aber wollten die andern nicht zugeben.
   Nachdem sie nun alle den Eyd geleistet, nahm der älteste Capiscir die Schale in die Hand und begehrete: Ich sollte ihnen allen nebst dem Commandanten schwören, sie wider alle ihre Feinde zu beschirmen und in keiner Noht zu verlassen, ihnen ihr Weib und Kinder nicht wegzunehmen oder zu verkauffen, item, wider die Holländische Compagnie zu vertheidigen. Welches ich ihnen alles zu halten versprochen, ausgenommen, wenn sie den Holländern würden Ursach geben oder was entfrembden.
   Damit steckete mir der Capsicir einen Löffel voll des Tranckes in den Halß, daß ich 6 Wochen daran genug hatte, wie auch dem Commandanten, welcher (weiß nicht, ob im Schertz oder Ernst, wie ich wohl eher glaube) darauff sprach: Soll ich eure Weiber und Töchter nicht nehmen, so gebet mir ein Weib. Ein Capsicir fiel ihm in die Rede: Wollten wir nach Landes-Gebrauch trauen, so stünden ihre Töchter zu unseren Diensten. Wir nahmen diese in Schertz an, gaben ihnen ihre Präsenten, dazu noch einen Ancker Brandtewein, und ließen sie von uns.
   Der Kauffmann von Axim ließ sich des andern Tages bey mir anmelden, er wollte eine Commission bey mir ablegen. Da ich ihm nun die Ansprache verstattete, kam er von fernen mit 2 Fähnleins angezogen, dem ich einen Ingenieur entgegen schickte mit Bitte, er möchte doch sein übriges Volck nebst denen Fähnleins am Berge unten lassen: denn der Berg allbereit nicht mehr als eine Fahne leiden könnte; welches Ansuchen auch Statt gefunden.
   Hier muß ich den Leser ein wenig auffhalten mit der Kleidung und Auffzuge des Holländischen Herrn Gesandten: Als mein Volck gestellet, die Paucken und Schallmeyen sich hören ließen, sahe ich den Herrn Gesandten den Berg herauffsteigen, bekleidet mit einem rohten scharlachenem Rock mit durchbrochenen silbernen Knöpfen, auf der Schulter habend einen grossen Pusch Band, wie auch auf dem Hut und Degen, wie die alten Feder-Fechter zu tragen pflegen. Unten hatte er ein lederfarbenes Cammisol, nachmahls ein blau paar tafftene Hosen, ein grün langes Degengehenk, mit einem leibfarbenen gewircketen Gürtel umbgürtet. Die Schuhe waren gestickt und die Strümpfe von weißer Seide; und wären mehr Farben bey den Parisischen Krämern zu finden gewesen, ich wette, er hätte sie an seinen Leib gehangen. Hinter ihm gingen seine 2 Assistenten fast in gleicher Liberey. Darauf folgten 8 Schwartze so auf ausgehöleten kleinen Elephanten-Zähnen eine seltsame Music machten, in welche Harmonie ein Kerl auf einer kleinen Drommel mit einem krummen Hacken darein schlug. Diese Resonantz kam unsern Ohren so vor als wenn die Hirten in den Dörffern bey uns die Christ-Messe blasen.
   Da ich ihn in das Fort genöhtiget, ließ er sich durch einen Schwartzen entkleiden, damit wir die güldenen Knöpfe so er im Hembde und Hosen trug auch zu sehen bekämen. Also pflegete dieser vornehme Herr seiner Commodität, und erlabete sich mit einem Trunck Weins, kam darauff mit einer Protestation (so von ihrem General nicht einmahl eigenhändig unterzeichnet war) hervor. Ich fertigte ihn aber kürztlich ab, sprechend: Wir haben diesen Berg und dessen Gegend von den Schwartzen gekaufft; wollen sie protestiren, mögen sie es in Berlin thun. Würde er im übrigen mit seiner Compagnie unser Freund verbleiben, wollten wir alle Gegenfreundschafft von unserer Seite spühren lassen; widrigenfalls stünde ihnen frei zu thun, was sie nicht lassen könten. Hierauff ward noch etliche mahl getruncken und nachmals Abschied genommen.
   Wir brachten noch 2 sechs-pfündige Stücke hernach auf den Berg; und mein Volck begunte allbereit einer nach dem andern krank zu werden. Ich arbeitete so lange mit den Schwartzen biß mich auch die schwere Land-Kranckheit durch ein grausames Fieber darnieder geworffen.
   Als das Fieber auf einen Tag etwas nachgelassen, kamen unsere Capsicirs mit ihren Weibern und brachten mir und dem Commandanten unsere Bräute. Es waren Kinder von 9 Jahren, derer blosser Leib mit allerley Farben bemahlet war. Umb den Leib hatte jede ein subtil Tuch. Die Weiber ließen mir im Bette keine Ruhe, ich muste mich in meinem Schlaff-Peltz mit dem Commandanten zu Tische setzen; allda wurden uns unsere Amasien an die Seite gestellt, die Taffel gedeckt und ein recht Hochzeit-Mahl zugerichtet, wo auch der Wein nicht fehlen muste, so lange ihn die Weiber nicht im Haupte fühleten. Die Männer sassen, Landes Gebrauch gemäß, von ferne und soffen treulich auf den Brandtwein loß.
   Nachgehends wurden uns unsere Bräute von ihren Eltern übergeben und recommendiret. Unterdessen hielten die Weiber ihren Tantz mit solchem Geschrey, daß ich gezwungen ward, die angenehmen Compagnie zu verlassen und das Bette zu wehlen. Weil meine Braut kein Portugiesisch verstanden, ließ ich ihr durch meinen Jungen sagen, sie möchte nur itzo nach Hause gehen; wenn ich sie würde nöhtig haben, wollte ich sie schon fordern lassen.
   Inzwischen gab mir meine Krankheit so viel zu schaffen, daß ich nicht allein meiner Braut, sondern auch alles Frauen-Volcks in summa gradu vergaß, obschon mein schwartzer Engel mich in meinem Siechen-Lager täglich besuchtete, welches aber mehrentheils geschah, ihren hungrigen Magen zu füllen und etwas geschencket zu bekommen.
   Diese grimminge Land-Krankheit nahm so starck überhand, daß von 40 Mann nicht mehr als 5 ihre Wacht thun konten. Wir andern lagen alle zu Bette. Ich wuste in der Raserey von meinen Sinnen nicht, der Commandant, Ingenieurs, der Feldscherer nebst allen Soldaten konten sich nicht rühren, sondern sturben täglich einer nach dem andern so schleunig weg, daß man den Tag über nichts zu thun hatte als Gräber zu machen, so wir mit grünem Strauchwerck ausgestecket und die entseeleten Körper in GOttes Nahmen hinein geleget. Man hatte mich schon zweymahl für todt gehalten. Ja! Ich war in einem so elenden Zustadne begriffen, daß die Capsicirs selbst alle ihre Mittel hervorgesuchet mir zu helffen. Da ich einsmals meines Verstandes gantz beraubet in einer tiefen Ohnmacht lag, kam der Eine mit einem Hauffen Riemen, an welchen eiserne Pinnen waren; selbige zehlete er über meinem Haupte hin und her mit dabey gefügten gewissen Worten, welche aber von meinem Volck nicht konten verstanden werden. Folgenden Tages segnete mich sonder mein Wissen ein ander mit einem Ey. Der Dritte brachte einen jungen Hund, auf den er all mein Siechthum bannete und nachmahls denselben ertränckte. Unterdessen fraß der Todt die beyden Ingenieurs, den Secretarium, Sergeanten, 2 Matrosen und vier gemeine Soldaten.
   Die angefangene Arbeit blieb stecken, weil unsere 2 Zimmer-Leute auch kranck darnieder lagen. Biß endlich unser ander Schiff von Capo S: Apolonia zurücke kommen; von dem nahmen wir die 15 Matrosen ans Land, die, nebst einigen gesunden Soldaten das Wohnhauß mit den Baraquen verfärtiget und die Pallisaden mit Erde gefüllet.
   Kaum war unser Werck gethan, da schickte der Capiscir Casparo von Axim, der das gantze Land fast regieren will, seinen Sohn und ließ uns durch denselben warnen, wir möchten gute Wacht halten. Denn die Einwohner von Adom wollten uns binnen 2 Tagen mit 3 oder 4000 Mann überfallen. Mir war bey der Sache nicht wohl zu Muhte; dann unser waren ungefähr 50 Mann, diejenigen vom Schiff mitgezehlet; dabei hatten wir 200 wohl-armirte Schwartze.
   Des andern Tages vormittags kamen unsere Capiscirs, bittend, wir möchten doch ihr Weib, Kind, Hab und Gut ins Fort nehmen, denn der Feind wäre schon da. Zugleich höreten wir auch etliche 1000 Mann ein halb Viertel-Weges von uns im Gebüsche stets mit ihren Musqueten platzen. Wir hatten uns auch färtig gemacht und unsere Stücke mit Kartätschen geladen. Da sich nun der Feind (welcher vielleicht gemeinet wir sollten vor Schrecken lauffen) in stetem Feuer zu uns genahet, befahl ich mit einer sechspfündigen Kugel unter sie zu schießen, welche recht in den grössesten Hauffen geschlagen. Zugleich hatte der Krieg sein Ende (weil die Mohren nichts weniger als das grobe Geschütz vertragen können), sie höreten auf zu schießen und lieffen in aller Geschwindigkeit davon, denen unsere Schwartzen noch ein ziemliches Stück Weges nachsetzeten.
   Es hatte vielleicht unser Feind vermeynet, uns also mit Schrecken zu vertreiben, wie er vor uns die schwartzen Besitzer des Berges verjagt hatte. Als nun der Krieg geendet und unser Fort in Defension gebracht, stellete ich den Commandaten dem Volcke vor wie auch die Unter-Officirer dem gemeinen Mann.
   Nachdem ich endlich von mienem Volck und denen Capiscirs Abschied genommen, begab ich mich erstlich wieder auf die Fregatte Chur-Printz; da ließ ich meine Bagage einlegen und ging mit voller Kranckheit auf die andere Fregatte, Morian. Alle Leute zweiffelten an meinem Leben, weil ich noch mehr einem Todten als Lebendigen ähnlich sahe. Und was das ärgste war, ich kam in ein Schiff, wo anders nichts als verschimmelte Zwiebacken, dreißig Pfund verdorbener Stockfisch, stinkend Fleisch und faule Erbsen, dabey gut Speck und Gärsten-Grütze war. Daran hätte sich ein Krancker erholen sollen. Dieser Proviant benahm mir selbst und allem meinem siechen Volcke die Hoffnung des Lebens. Denn meine Leute insgesamt als ein Corporal, zwey Schreiber, drei Schallmeyenpfeifer, eine Kammerdiener und Junge waren noch alle kranck und lagerhaftig. Aber GOTT verläßt die Seinigen nicht. Denn da wir nunmehr voeneinander so wohl zu Lande als Wasser (weil die Fregatte Chur-Printz auf den Sclavenhandel gegangen) Abschied genommen, meineten wir, gerade über die Mittel-Linie zu schiffen. Es trieb uns aber zu der Krancken Glück eine contrairer Wind längs der Küste nach der Insel S. Thomae, da wir uns mit Schweinen, Hünern, Zucker, Coconüssen und anderen Erfrischungen reichlich versahen, die mir auch nächst Gottes Hülffe meine Gesundheit wieder erstattet.

 

Gröben, Otto Friedrich von der
Orientalische Reise-Beschreibung des brandenburgischen adelichen Pilgers
Marienwerder 1694

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