25 - 24 v. Chr. - Strabo
Karthago
Karthago nun liegt auf einer Halbinsel, welche einen Umkreis von dreihundertsechzig Stadien (66,59 km) beschreibt und eine Mauer hat, deren von einem Meere zum anderen reichende Länge von sechzig Stadien (11,099 km) der Hals selbst einnimmt, wo die Karthager ihre Elefantenställe hatten, ein sehr geräumiger Platz. Mitten in der Stadt lag die Burg, welche Byrsa hieß, eine ziemlich steile und rings umwohnte Anhöhe, auf deren Gipfel der Tempel Äskulaps stand, welchen Hasdrubals Gattin bei der Eroberung mit sich zugleich verbrannte. Unter der Burg aber liegen die Häfen und Kothon, ein rundes und von einem Kanal, welcher auf beiden Seiten ringsherum Schifflager hat, umschlossenes Inselchen.
Die Stadt ist eine Gründung der Dido, welche von Tyrus Volk dahin führte. Und sowohl diese Kolonie als die übrigen bis nach Iberien hin, nicht nur dem anderen, sondern auch dem jenseits der Säulen [Gibraltar] gelegenen, gediehen den Phöniziern so glücklich, daß noch jetzt die Phönizier nicht nur den besten Teil Europas auf dem Festlande und den naheliegenden Inseln bewohnen, sondern sich auch ganz Libyen unterwarfen, soweit es nicht nur Wanderhirten bewohnbar war.
Infolge dieser Macht erhoben sie ihre Stadt zur Nebenbuhlerin Roms und führten mit diesem drei große Kriege. Am deutlichsten aber dürfte man ihre Macht aus dem letzten Kriege erkennen, in welchem sie von Scipio Amilianus bezwungen und ihre Stadt gänzlich zerstört wurde. Denn als sie diesen Krieg zu führen begannen, besaßen sie in Libyen dreihundert Städte und in der Stadt 700.000 Menschen; durch die Belagerung aber gezwungen, sich zur Nachgiebigkeit zu entschließen, überlieferten sie, um nicht (länger) bekriegt zu werden, 200.000 vollständige Rüstungen und 3000 Wurfgeschütze. Als sie jedoch den Krieg wiederaufzunehmen beschlossen, richteten sie sogleich Waffenwerkstätten ein, und täglich wurden 140 feste Schilde, 300 Säbel, 500 Lanzen und 1.000 Pfeile für das Wurfgeschütz geliefert; zu den Seilen der Wurfgeschütze aber gaben die Mägde ihr Haar hin.
Da sie zufolge des Friedensvertrags im zweiten Kriege seit fünfzig Jahren nur noch zwölf Schiffe hatten, bauten sie, obgleich schon auf die Byrsa geflüchtet, in zwei Monaten 120 überdeckte Schiffe und gruben, da die Mündung des Kothon bewacht wurde, eine andere Mündung, und die Flotte lief unversehens aus. Denn man hatte einen alten Vorrat von Bauholz, und eine Menge von Handwerkern arbeitete unablässig und wurde vom Staate beköstigt. Trotz solcher Kraftanstrengung wurde Karthago dennoch erobert und zerstört. Von dem den Karthagern unterworfenen Lande machten die Römer den einen Teil zu einer Statthalterschaft; zum Herrn des anderen aber ernannten sie den Masinissa und dessen Nachkommen von Micipsa an. Denn Masinissa stand seiner Tapferkeit und Freundschaft wegen bei den Römern in besonderer Gunst. Und wirklich ist es auch dieser Mann, welcher seine Wanderhirten zu Staatsbürgern und Ackerbauern umbildete und sie, statt zu rauben, Krieg führen lehrte. Diesen Leuten nämlich begegnete ihnen etwas Eigentümliches. Denn da sie ein gesegnetes, jedoch mit Raubtieren angefülltes Land bewohnten, so unterließen sie es, diese zu vertilgen, um ohne Furcht das Land zu bebauen, und wendeten sich gegeneinander, das Land aber überließen sie den wilden Tieren.
So kam es, daß sie ein unstetes Wanderleben führten, nicht anders als (Völker), die durch ungünstige Beschaffenheit des Bodens und der Luft in eine solche Lebensweise hineingeraten, so daß sogar die Massäsylier (davon) einen Eigennamen empfingen; denn sie heißen Nomaden. Solche Leute müssen natürlich einfach in ihrer Lebensweise und größtenteils Wurzel- und Fleischesser sein, auch sich von Milch und Käse nähren.
Nachdem nun Karthago eine lange Weile und fast dieselbe Zeit hindurch, wie Korinthus, verwüstet gelegen, wurde es auch ungefähr zu gleicher Zeit vom göttlichen Cäsar wiederaufgebaut, welcher (viele) Römer, die (den Aufenthalt in Karthago) vorzogen, und einige Soldaten als Ansiedler dahin sendete; und jetzt ist es (wieder) so gut bewohnt, wie irgendeine andere Stadt in Libyen.
Strabo
Erdbeschreibung in siebzehn Büchern
Übersetzt von C.C. Groskurd
Berlin/Stettin 1831-1834