Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

Um 1903 - J.P. Joolte, ehemaliger Burenkommandant
Ein Bure und die Eisenbahn
Hamburg

 

Merkwürdig ist es, wie leicht man gegen die Gesetze eines Landes verstößt, wenn man die Sprache nicht beherrscht. Infolge des großen Verkehres ist hier alles anders als bei uns, und dadurch, daß ich die Inschriften nicht lesen konnte, geriet ich leider manches Mal in Lokalitäten, die nicht für Herren waren, und mußte es mir gefallen lassen, mit Schimpf und Schande hinausgejagt zu werden.
   Auch meine Abfahrt von Hamburg war nicht beneidenswert. Ich verlangte am Schalter, wie es in Afrika üblich ist, ein „ticket“ nach Amsterdam. Der Herr erwiderte etwas, was ich nicht verstand, und ich wiederholte: „Een ticket naar Amsterdam!“ darauf bekam ich endlich ein Billet, wurde aber an der Sperre zurückgewiesen. Nach vieler Mühe verstand ich, daß hier kein Eingang sei. Schließlich errichte ich den Zug nach Amsterdam, stieg wie bei uns in ein Abteil 2. Klasse und machte mir’s für die lange Reise bequem. Aber meine Bequemlichkeit dauerte nicht lange.
   Nach wenigen Augenblicken hatte ich schon mit einem Kondukteur einen Streit, und meine Sachen wurden aus dem Zug geholt. Ein Hoteldiener, der englisch verstand, wurde herbeigerufen, und da erfuhr ich, daß ich ein Billet 4. Klasse hatte, das über eine andere Strecke gültig war. Schnell ein anderes gelöst, aber als ich zurückkam, fuhr der Zug vor meiner Nase ab nach Amsterdam.
   Glücklicherweise fahren hier die Züge schnell hintereinander, nicht so wie bei uns, wo man nur jede Woche am Mittwoch einen Schnellzug hat. Also lasse ich schleunigst nochmals ändern über Osnabrück, gebe allen guten Ratgebern die nötigen Trinkgelder und steige dann mit erleichtertem Herzen nochmals ein.
   Jetzt kann mir nichts mehr passieren, mein Billet nach Amsterdam ist vollkommen in Ordnung. Kaum habe ich mich gemütlich hingesetzt und meine Reisemütze aufgesetzt, als wieder ein Kondukteur erscheint und mich wieder zum Aussteigen auffordert. Ein zweiter Streit folgt. Wieder wird der hilfreiche Hoteldiener herbeigerufen und erklärt mir, daß ich mich in einem Frauenabteil befinde. Obwohl ich sage, daß ich keine Angst vor Damen habe, und daß bei uns die Damen gern mit den Herren zusammenführen, um Unterhaltung zu haben, so half doch alles nichts. Ich wurde nun von dem Schaffner selbst in das richtige Abteil gewiesen, und endlich fuhren wir ab – Gott sei Dank! – nach Amsterdam
   Um mich von den vielen Strapazen zu erholen, stecke ich mir behaglich eine Hamburger Zigarre an, bemerkte aber sofort an dem Gesichte meiner Nachbarin, daß ihr etwas nicht paßte. Ich dachte jedoch: „Alte Damen soll man nicht verwöhnen“, und so dampfte ich weiter, bis mir auf der nächsten Bahnstation auf den Hilferuf meines Gegenübers der unvermeidliche Schaffner mit großer Mühe klarmachte, daß ich mich in einem Nichtraucher-Coupé befände. Wie froh ich war, als ich über die Grenze war und wieder holländisch sprechen konnte, läßt sich denken.

 

Joolte, J.P.
Aus der zweiten Heimat. Reisen und Eindrücke eines Buren in Deutschland
Berlin 1905

Reiseliteratur weltweit - Geschichten rund um den Globus. Erlebtes und Überliefertes aus allen Teilen der Welt. Entdecker – Forscher – Abenteurer. Augenzeugenberichte aus drei Jahrtausenden. Die Sammlung wird laufend erweitert – Lesen Sie mal wieder rein!