1868 - Gerhard Rohlfs
In Adua/Adwa
Äthiopien
Wir umgingen nördlich den Semaita-Berg, eine Schlucht übersteigend, die ihn vom Raya-Berg trennt, und den Gu-Asses, den Gedem-Anharet, endlich den Aba Gerima links lassend, langten wir nach 3 Stunden vor Adua an.
Obgleich wir von einem unserer Armeedolmetscher, der von Adaua war, die Erlaubnis bekommen hatten, sein Haus zu beziehen, so zogen wir doch vor, unsere Zelte aufzuschlagen, und fanden auch einen hübschen Platz unter einem Feigenbaume, welcher Schatten für tausend Menschen bietet. Gleich darauf brachen wir aber auf, um die Stadt zu besehen. Adua liegt auf dem linken Ufer eines immer Wasser habenden Rinnsales, der vom Semaita kommt und Assem heisst.
Die Stadt Adua ist ganz verschieden von allen anderen abessinischen Orten. Mit einer Mauer umgeben macht sie den Eindruck einer wirklichen Stadt, und die hohen, oft mit einem Stockwerke versehenen Häuser, welche manchmal sogar kleine maurische Fenster haben, tragen nicht wenig dazu bei, den städtischen Eindruck zu erhöhen. Aber selbst die weitläufigen Vorörter mitgerechnet, welche Adua nach Süden und Osten umgeben, glaube ich nicht, dass die Stadt, wie Ferret und Gallinier angeben, 4000 Einwohner hat. Wenigstens jetzt glaube ich nicht zu niedrig zu greifen, wenn ich sie auf circa 2000 Einwohner schätze.
Unsere Ankunft hatte natürlich eine ungemein grosse Menge neugieriger und müssiger Menschen versammelt, welche uns lachend und lärmend nachgingen. Die Strassen sind überdies so eng und schmutzig, dass nur Menschen passiren können, zwei Maulthiere oder Pferde würden keinen Platz zum Ausweichen haben. An öffentlichen Gebäuden hat die ummauerte Stadt (die Vorstädte haben auch Kirchen) nur eine grosse Kirche aus neuerer Zeit, also im Rotundenstyl gebaut, und mit Stroh gedeckt. Sie ist der Maria geweiht. Eine grosse Zahl müssiger Priester lagerte im Hofe, welcher von schönen Oelbäumen beschattet ist. Ueberhaupt zeichnet sich Adua dadurch aus, dass in den kleinen Höfen, welche bei den Häusern sich befinden, überall Wein, Granaten, Apfelsinen und Pampelmuse sich befinden. Offenbar muss der Wein von Deutschen eingeführt sein, die Aduenser nennen die Weinrebe "Wein". Auch macht die nahe Küste sich hier bemerkbar, denn Adua ist immer Hauptmittelplatz zwischen dem rothen Meere und Abessinien gewesen. Hier war der Hauptfabrikort für die feinen Filigranarbeiten, bis Theodor auf seinem Zuge nach Tigre alle Arbeiter mit fortführte und dieselben seinem Hofstaate einverleibte. Ein Theil dieser Leute war eben jetzt wieder zurückgekehrt. Aber auch eine Menge anderer Handwerker findet man in Adua, welche man in den anderen Orten Abessinien's vergebens suchen würde. Der Handelsstand und die Handwerker sind hauptsächlich Mohammedaner, viele von ihnen kommen blos zeitweise von Massaua nach Adua. Auch einen Griechen trafen wir hier als Flintenhändler, und ein Araber, der eben erst von Massaua gekommen war, hatte Cigarren und Wermuth zu verkaufen. Leider hatte ein Engländer, ein gewisser Lord Adare, Correspondent des Daily Telegraph während der Expedition, der gerade einen Tag vor uns nach Adua gekommen war, Alles aufgekauft, so dass wir uns nichts von diesen Genüssen verschaffen konnten. Im Uebrigen waren die Aduenser ebenso ungastlich, geizig, frech und schmutzig wie die übrigen Tigrenser. Es scheint als ob in früheren Zeiten auch Juden in Adua gewesen seien, welche man in Abessinien unter dem Namen "Felascha" kennt, heutzutage giebt es keine mehr hier, nur in einigen Orten in Tembien und in Gondar sollen solche noch vorkommen. Wir besuchten dann das uns vom Dolmetsch angebotene Haus, aber es war so mit Wanzen, dieser allgemeinen Plage aller abessinischen Wohnungen, überfüllt, dass wir gleich jeden Gedanken, uns in Adua selbst einzurichten, aufgaben. Auch das Haus des Dr. Schimper besuchten wir, sahen uns aber sehr getäuscht, etwas besseres vorzufinden. Das einzige, was uns als merkwürdig auffiel, war das Studirzimmer in seiner Hütte, wie ein Observatorium, oben auf dem platten Dache des Hauses errichtet. Hier fanden wir den leeren Schrank einer schwäbischen Kukuksuhr, welche uns der jetzige Inwohner mit vielem Respect als etwas ganz Aussergewöhnliches zeigte. Dieser Schrank aus Bambus und Leder verfertigt sah höchst komisch aus, und anfangs wussten wir gar nicht was wir daraus machen sollten, bis zuletzt der Kopf, worin die Uhr selbst gewesen sein musste, uns zeigte, wozu er gedient haben müsste.
Dr. Schimper wurde in Adua zurück erwartet, einige seiner alten ehemaligen Diener lebten dort noch. Es scheint übrigens, dass Dr. Schimper durch seinen langen Aufenthalt in Abessinien selbst ganz Abessinier geworden ist, und weil er seit Jahren nichts Anderes gesehen hat, ausser Stande ist, Vergleiche anstellen zu können; so schien es mir höchst übertrieben, wenn er behauptete, dass Abessinien über 10.000.000 Einwohner habe; ich mochte dem Lande kaum ein und eine halbe Million zuschätzen, und Adua ein irdisches Paradies zu nennen, einen Ort, dessen Umgegend des Baumschmuckes entbehrt, zeigt deutlich genug, wie einseitig seine Meinung von Abessinien ist.
Zu unseren Zelten zurückgekehrt fanden wir eine ungeheuere Menschenmenge versammelt, theils neugierige Gaffer, theils Leute, welche allerlei Gegenstände natürlich zu den unverschämtesten Preisen zum Verkauf anboten. Auch ein Musikus hatte sich eingestellt, der auf einem Instrumente spielte und arg seinen Körper dabei verdrehte, unter Gesängen; kurz es etablirte sich ein vollkommener Jahrmarkt. Ein Priester, halb angetrunken, brachte uns einige Eier und eine kleine Flasche mit Araki, in Adua selbst destillirt; wir wollten ihm ein Gegengeschenk machen, aber er wollte nichts annehmen. Später kam er noch ein Mal und zwar nüchtern, und wir bekleideten ihn dann mit einem grossen Fliegennetz, in das wir ein Loch hineingeschnitten hatten, um den Kopf hindurch zu stecken. Herr Stumm und ich konnten uns des Lachens kaum enthalten, als wir den Pfaffen so mit einem Bettfliegennetz bekleidet sahen, und wie er sich vergebens abmühte Aermel zu finden, um seine Hände frei zu bekommen. Als wir ihm dann sagten, dass unsere Abuna ähnliche Mäntel trügen, beruhigte er sich und schritt stolz von allen Aduensern bewundert und angestaunt der Stadt zu. Nachher sollte aber das Lachen auf seiner Seite sein, er hatte uns nämlich dringend eingeladen, sein Haus, seinen Garten, seinen Springbrunnen zu besehen, und neugierig gemacht gingen wir, obschon es spät Abends war, mit nach der Stadt zurück. Wir fanden ein Haus schmutzig wie alle anderen und von derselben Einrichtung, einen kleinen Hof, wo in der That Granaten, Orangen und Weinreben waren, statt des Springbrunnens indess einen einfachen Ziehbrunnen, der jedoch als etwas Wunderbares gezeigt wurde. Dann brachte der Priester, und dies war seine Hauptabsicht, ein Löwenfell hervor, um es Herrn Stumm zu verkaufen, und wusste es so einzurichten, dass dieser es wirklich für 45 Thaler kaufte; ich denke der Priester hatte in seinem Leben nie ein so gutes Geschäft gemacht, er war so entzückt, dass er uns am folgenden Morgen noch sechs Eier zum Geschenk brachte.
Rohlfs, Gerhard
Land und Volk in Afrika; Berichte aus den Jahren 1865-1870
Bremen 1870