1673-75 - Johann Christian Hoffmann, Prediger auf einem holländischen Ostindienfahrer
Das Paradies auf Mauritius
[Beim Aufenthalt in Kapstadt war bekannt geworden, daß der holländische Gouverneur der Insel Mauritius gestorben war und Frankreich und England den Krieg erklärt hatten.]
Beyde diese neue Zeitungen befahlen uns unsere Seefahrt nach Mauritius aufs eyligste zu befördern, damit diese Insul mit einem neuen Ober-Regenten so wohl, alß mit neuen und gegen den etwa gewärtigen Anfall der Feinde nöthigen praeparatorien versehen werden möchte. Derowegen säumeten wir uns nicht; sondern trathen unsere Reise mit Eintrettunge des neuen Jahrs, nach dem wir Vorgehens ziemlich proviantiret, wiederumb an, brachtens auch unter des Herrn Segen so weit, daß wir am 13 Februarij im Jahr 1673 die langerwünschte Insul Mauritius ins Gesicht bekamen und mit dem Abend, zu unser aller Freude, in deren Suyd-Ooster Hafen vor dem Niederländischen Casteel arrivirten.
Kaum lagen wir vor Ancker, wann uns gleichsam das Meer seinen Überfluß mildiglich zu erkennen gab, massen wir auß demselben in einer kleinen halben Stunde, mit nur 5 oder 6 Angeln mehr dann hundert Fische, deren ein jeder (einen in den andern gerechnet,) in die 3 Pfund woge, bekamen. Sonsten fanden wir bey unser erster Lands-Betrettung hieselbsten fast alles in ziemlicher disordre, die doch der neu-angekommene Commandeur mehr und mehr besserte, wie er dann vornemblich in eylfertigster Auffbauung einer Kirchen (weiln der zum Gottesdienst bißher gebrauchte Saal wegen des anitzo mitgebrachten vielen Volcks in etwas zu klein wurde) und Einführung eines löblichen Regiments seinen sorgfältigen Eyfer sehen liese.
Was die Insul belanget, ligt sie auff 20 Graden und 10 Minuten Suydlicher Polus-Höhe begreifft etwa 45 ä 50 Meyle in ihrem Umbgreiß, ist sonst ein hohes Land, daß auch dessen blaue und schattenreiche Gebirge gemeinlich bey dem hellesten Wetter mit dicken Wolcken bedeckt sind, aber dermassen fruchtbar, daß es von allem, was dem Menschen zu seiner Lebens-Nothdurfft gereichen mag, mildiglich einbringet, so gar, daß dem, so auf diesem Lande Hunger leiden muß, in Warheit Hände und Füsse müssen gebunden seyn. Allermassen der baumreiche Wald allerley wilde und zahme Thiere, so vor vielen Jahren darauff gesetzet und auß Mangel einiger Einwohner sich seithero unglaublich vermehret, in grossem Überfluß lieffert.
Unter andern gibt er Kühe, deren je zuweilen einige gefangen und gezähmet werden, Hirsche, Ziegen, Schweine und Land Schiltkröthen, die gemeiniglich so groß und starck, daß sie mit 2 á 3 Mann fortkriechen können, und gut zu essen seyn. Item: Wilde Gänse, Flamincken, dreyerley Arth vielfarbiger wilder Tauben, bunte und grüne Papageyen, rothe krumgeschnäbelte Raben mit blauen Köpffen, so nicht wohl fliegen können und Indianische Raben von den Holländern genennet werden, und endlich eine sonderliche Art rother Vögel, die man Toddarsche [Dodaers, Dodos] nennet, und in der Grösse eines gemeinen Huhns seynd, welche weil sie nit fliegen, nichstdestoweniger aber sehr geschwind lauffen können, auff eine belächliche und zwar folgende Weise gefangen werden: Man nimbt in die rechte Hand ein Stocklein, die Linckte aber bewickelt man mit einem rothen Läplein, die man solcher Gestalt denen Vögeln, so sich gemeinlich Haufen-weiß beysammen finden, gleichsamb lockend vorhält, wornach sich diese thörichte Vögel fast ohne Scheu herbey machen (nicht weiß Ich, ob sie diese Farbe so sehr hassen oder lieben) wann sie dann nahe gnug seyn, schlaget man zu und bekömt sie also, sobald man auch nur einen hat, und selbigen in die Hand nimbt, so lauffen auch die andern herzu, den Gefangenen gleichsam zu erretten und werden mit gleicher Müntze bezahlet.
In den Wäldern hiesigen Orths, wachsen allerhand Frucht-und sonst nutzbahre Bäume herfür, alß da sind Citronen, Pomerantzen, Pompelmoes, Palm, Cocus und Feygenbäume. Item Roth und Schwartz Ebenholtz, so jährlich naher Holland verführet wird und neben vielen andern mit unbekanten, auch ein solcher Baum, der dass wohlbekandte Gummi Elemi [Baumharz] außschwitzet, unserer Bäume aber findet man dieser Orther keine, es sey dann, daß Sie auß Holland mitbracht und hier gepflantzet werden, welche doch bey weitem keine so wachsthumliche und frucht-tragende Natur, wie die in Europa haben, und last es sich gäntzlich ansehen, alß ob ihre Natur mit keinem frembden Grund zu frieden seyn wolle.
Die Europaeische Getrayde, alß Korn, Weitzen, Hafer und Gerste, haben gleichfals alhier keine guthe Arth zuwachsen, und habe offt gesehen daß der Weitzen aufgegangen und Händelang worden, aber also ungeschosset stehen blieben, hergegen ist diese Lands-Arth sehr bequem, umb Reiß, Türkischen Weitzen, Welsche Bohnen, Zucker, Taback und fast allerley Vaterländische Kohlkräuter herfür zu bringen.
Die See hiesigen Orths reichet nicht weniger alß das Land, ihres Elements vielfältige Geschöpffe zu des Menschen Unterhalt dar, und zwar neben denen mancherley Arthen Fische, die sich alhier in unglaublicher Menge befinden, gibt das Meer: See-Schildkröten, Seekühe, Oestern, Muscheln: Item, das zur Gesundheit dienende Ambra, Agstein (doch nicht so rein wie der Preusische) und dergleichen. In Summa! Ein jedes Element pranget mit seinem Überfluß auffs herrlichste, in dem alle beyde nach der Oberhand trachten und ihr geführter Streit, (welches nemblich von beyden das meinste Nutz des Menschen verschafft) bißhero ungeschlichtet geblieben.
Dieses gesegneten Orths (den viele nicht unbillich ein Irdisches Paradeiß nennen,) gebrauchten wir zeit-wehrenden unsers daseins, nach vielen außgestandenen Schwehrigkeiten, dermassen, daß wir unseres vorigen und offt traurigen Wiederfahrens, nach Abfluß weniger Zeit fast gäntzlich vergassen. Täglich begab sich das gemeine Volck zur Jagt, die dann wegen unglaublicher Menge des Wilds, niemahls vergeblich geschehen. Massen denn Monatlich mehr dann 200 stück Hirsche und Böcke (die vielerley so wohl Meer alß frischen Revieres-Fische ungerechnet,) verbrauchet wurden.
Die Hirsche waren insgemein, vornemblich aber zu gewissen Zeiten und vor der Brunstzeit (so im May-Monat anfahet) so feist, daß sie vielmabl mehr alß 1 1/2 Finger dickes Fett auff ihren Rippen trugen und man auch nichts delicaters wünschen konte. Wegen ihrer Häufigkeit und offtermahligen Zahmheit werden sie nicht geschossen, sondern von Hunden gehetzet und gefangen, unterm Jagen begeben sie sich, so müglich, Troppenweiß zur See, in Meynung ihren Häschern zu entwischen, kommen aber alßdann erstlich recht in die Brühe, massen man ihnen nachschiffet und sie also abkählet.
Die Böcke und Ziegen, weil sie nicht allzuwohl lauffen, weniger aber in ihrem Lauff lange harren können, werden mit den Hunden gefangen, deren Häute (wie auch der Hirsche) nachdem sie Vorgehens alhier so wohl zu Corduan alß grau Ledder, besser, wie an ändern Orthen geschieht, bereitet, dem gantzen India zum Gebrauch dienen.
Die Schweine so man alhier, weiln sie, wie man sagt, das Ambra vom Gestade des Meers auff naschen und daher mager werden sollen, gäntzlich zu vertilgen und außzurotten gedencket, werden täglich in grosser abundantz mit Hunden zu todt gehätzet, und Magerheits halber ohngessen liegen gelassen.
Die Schildkröthen, so sich wohl hier alß anderer Orthen im Meer auffhalten sind grösser und breiter, wie die Land-Schildkröthen, pflegen sich bey warmem und stillem Gewitter auffm Meer liegend zu sonnen, können ohne Mühe, wann sie sich in den Untiefen auffhalten, mit den Händen ergriffen werden, auff welche Weise Ich sie selbst gefangen habe, können wegen ihrer Stärcke mit einem Mann fortschwimmen, wann man sie bekömt, muß man sie umbkehren und auff den Rücken legen, alßdenn können sie nicht wieder weglauffen und sind genug gefangen, leben sehr lange und können, auf dem Rücken liegend mehr dann 12 Tage lebendig bleiben, seyn gemeiniglich 2 1/2 Schuh breit, ihr Fleisch ist, nach dem es zubereitet weiß und dem Kalbfleisch an Geschmack gleich. Die Weibergen legen des Nachts ihre Eyer, deren sie 2 à 300 zugleich legen können, auff den Strand, und scharren sie eines Schuchs tieff in den Sand, damit sie unbeschädigt, durch der Sonnen-Hitze außgebrütet werden möchten, diese haben eine weise, jedoch weiche Schaale, kleiner und runder, wie Hüner Eyer und gut zu essen. Auß ihren Schilden, so durchleuchtig gläntzen, werden, wie bekandt, Kästlein, Kämme und viel schöne Sachen gemacht.
Die See-Kühe (von andern See-Mönche genannt, und von vielen vor die rechte Meerminnen gehalten) womit das Mauritianische Meer vor andern prahlet, sind einer seltzamen Arth und ungleich anders, dann die an der Caap befindliche See-Kühe formiret. Sie seynd 7 und mehr Werckschuhe lang, länglich-rund, von Haut glatt und kahl, das Hintertheil ihres Haupts ist schier wie eine Münchskappe, haben gar kleine Augen, und kleine Beine, an Armens statt haben sie zwey heraus gewachsene fellichte Stümpffe (die Ich bey nichts bequemers dann bey gerupffte Gänse-Fittiche vergleichen kan) und einen solchen Schwantz der in allem einem Fischschwantz, nur daß er in die Breite und nicht auff- und niderwerts stehet, gleichet, im übrigen haben sie Brüste, worauß sie ihre Junge säugen, wie ein Weibs-Person, ihre Haut ist auch einer Menschen-Haut, außgenommen, daß sie etwas braunlicher ist, von Ansehen gäntzlich gleich. Ihr Fleisch ist einer Hand dick durchwachsener natürlicher Speck, so den Speck der Schweine in allem beschämet, und wann es wohl zugerichtet ist, fast viele Leckerbißgen übertrifft, sein gantzes Gewicht belaufft sich auff 700 à 900 und zuweilen mehr Pfund. Gewißlich! Ein über alle masse seltzames Thier, deren Jungen eines Ich Rarigkeit halber würdig achtete außstopffen zu lassen und getrücknet mit mir zu nehmen, wann es seiner zarten Fettigkeit halber nicht verweset wäre. Diejenige so diß Thier fangen wollen, thun solches bey stillem und hellem Wetter, alß wann besagtes Thier sich nach der Untiefe umb sich des auß dem Grund herfürsprossenden Grases zu Nutz zu machen, pfleget zu verfügen. Alsdenn versehen sie sich mit einer dreyzinckichten Gabel, so pfeilsweise Widerhacken hat, an deren Stiel sie ein starck Seil, das Seil aber an ihr Schifflein binden, wann dieses geschehen, gehen sie ihm nach und wann sie nahe gnug bey ihm seyn, schiessen sie ihm die Harpuyn (so heist die Gabel) zum Leib hinein, welches so bald es sich verwundet befindet; mit dem Schif so lange hin und wieder läufft, biß es sich fast todt geblutet hat, worauff es die Fänger nach sich ziehen und sich zu Nutze machen.
Wie nun diese Africanische Insul in Ansehung ihres Überflusses wohl ein Vorrahts-Thresoir und wohlbesorgtes Proviant-Hauß kan genennet werden; Also ist sie auch in Betrachtunge ihres wohlgetemperirten Climats vor den gesundesten Orth, der irgendwo zu finden, billich zu halten.
Sintemahln daselbst niemahln einige pestilentzialische Kranckheiten vermercket worden und obwohln einige am Fieber laboriret haben, so weiß man doch von einigen Jahren her fast nicht, wann jemand eines natürlichen Todtes gestorben sey. Zu dem gibt es auch aldar keine verschlingende Crocodille, reissende Tyger, grimmige Löwen, Wölffe, Füchse oder dergleichen Raubthiere, viel weniger vergifftige Ungezieffer, wie sonsten an andern Indianischen Orthen, außgenommen vielfarbige Eydexen und Scorpionen, deren jene gantz kein; diese aber wenig Giffts bey sich haben, dannenhero ihre Stiche keinen mehrern Schmertzen alß der Bienenstich, erwecken.
Die Abwechslungen der Zeiten und Gewitter belangend, sind dieselbe mit denen, so an der Caap [Kap der Guten Hoffnung] regieren, fast gleicher Natur, nur daß es alhier etwas wärmer und in wehrender Regen-Mous-son windichter, alß an besagter Caap, zu seyn pfleget. Doch ist gleichwol diß Land mit dem Unheil behafftet, daß sich auff demselbigen nach einer drey- zuweilen auch siebenjährigen Zeit und zwar gemeiniglich im Februario ein erschrecklicher Sturm-Wind, den man Orkaan nennet, und zum öfftern viel Schiffbrüche in dieser Gegend verursachet, zu erregen pfleget.
Ein solcher Orkaan überfiel uns am 11 Februarij 1674 da dann der auß allen 4 Ecken der Welt auf einmahl herfür brausende Wind mit solchem erschrecklichen Ungestüm sich erhube, daß nit nur durch dessen durchdringliche Gewalt, unterschiedliche Gebäue (in deren Zahl auch unsere vor kurtzer Zeit auffgebauete Kirche begrieffen) zu Boden gewurffen; sondern auch die Wälder so laubloß gemacht wurden, daß sie es in viel Monaten nicht überwinden konten. Ja er bließ so kräfftig niederwärts, alß ob er von dem Himmel herab käme, sonst wehrete er ungefehr sechs Stunden lang.
On nun zwar Ich zu Auffenthaltung meines zeitlichen Lebens kein besser Land hätte begehren können, so ließ doch meine Reise-Lust mir umb alhier vor ewig zu bleiben, keines weges zu, sondern machte mich umb ein mehrer Theil Indiae, vornemblich der Niederländer Hauptstatt, das berühmte Batavia zu beschauen, je länger, je begieriger.
Daher Ich meine Dimission bey hiesigem Rath bittlich zu suchen mich etliche mahl erkühnete, die Ich auch endlich, doch nicht ohne grosse Mühe, erlangete, derowegen verfügte Ich mich nach meiner hiesigen Orths mehr dann zweyjährigen AmptsVerwaltung auff das nach Batavia destinirte und nunmehr seegelfertige Schiff Helena.
Hoffmann, Johann Christian
Reise nach dem Kaplande, nach Mauritius und nach Java 1671-1676
Kassel 1680; Neuausgabe Haag 1931