1866 - Dr. Wangenheim, Missionsinspektor aus Berlin
Über das Trekken
Transvaal, Südafrika
Seine Ungebundenheit geht dem Bauern über Alles; sich unter ein geregeltes und gegliedertes Gesetz zu stellen, ist ihm undenkbar. Das Gesetz ist ihm nur dazu von Werth, damit es ihm die Anderen vom Halse halte und dass er unter dessen Schutz von Anderen Etwas verlangen könne. Das Gefühl, einem Staatsverband anzugehören, ein Vaterland zu haben, ist ihm völlig fremd; es giebt kein Transvaal'sches Volk, sondern nur Coterien einzelner Familien, die sich .gegenseitig helfen, so weit das Eigeninteresse seine Rechnung dabei findet. Vor den gesetzlichen Institutionen der Engländer in der alten Kolonie sind die Bauern in den Freistaat geflohen und von dem Freistaat in die Republik, und würde heute hier ein gesetzlich völlig geregelter Zustand aufgerichtet, auch nur so streng, dass Mord, Kinderraub, Erpressungen aller Art gegen die Kaffern mit objektiver Gerechtigkeit gestraft würden, so wäre ein grosser Theil der Bauernschaft ausser Stande, das zu ertragen, er würde „trekken", d. h. nach dem Zambesi hin eine neue Heimath suchen, da kein Patriotismus ihn an seine hiesige Scholle bindet.
Zu solchem Trekken oder Umherziehen hat der Bauer überhaupt grosse Neigung. Als Dr. Wangemann im Juni von Warmbad südwärts durch das Buschfeld ritt, sah er rechts und links Bauernwagen und Viehheerden, denn im Winter, wo ihre Plätze kein Futter bieten, ziehen die Bauern in dieses warme Buschfeld, in welchem immer nur einige Bäume zeitweise ihr Laub verlieren, so dass sie auch mitten im Winter immer noch Grünes finden, dazu ziemlich warmen Aufenthalt, genügend Gras für die Thiere und Wild genug, Fasanen, Perlhühner, Pfauen, Rebhühner, Springböcke, Rehböcke &c. für den Tisch. Das ist ein Leben, wie es dem Bauer gefällt, gänzlich unabhängig, auf Grund und Boden, der ihm nicht gehört, aber doch von Allen benutzt wird, eine Menge Bauern zu gleichem Zwecke in der Nähe, so dass es an Besuchen und Unterhaltungsgelegenheit nicht fehlt. So zieht der Bauer mit Weib und Kind, Ochsen und Ziegen, Dienstkaffern und Hunden hinaus, sobald der Winter beginnt. Sein Wagen ist sein Haus, die blosse Erde seine Küche, das Gebüsch sein Forst, das freie Gras seine Weide, das Wild seine Kost; versteigt er sich hoch; so hat er ein Zelt bei sich.
Dr. Wangemann‘s Reise in Süd-Afrika 1866-67
In: Petermann’s Geographische Mittheilungen
Ergänzungshaft 24
Gotha 1868