1824 - Gottfried Duden
Ein Brief aus Baltimore
USA
Eine Beschreibung von Baltimore dürfen Sie nicht erwarten. Ich hasse dergleichen Arbeiten so sehr, daß ich in Versuchung gerathen würde, die Nachrichten Anderer schlechthin zu copiren. Doch melde ich Ihnen, daß die Regelmäßigkeit und Reinlichkeit der Straßen, deren Schmutz durch unterirdische Kanäle abgeleitet wird, die Gasbeleuchtung in den vorzüglichsten Theilen der Stadt, der weiße Marmor an so vielen Wohnungen, der allgemeine Gebrauch der Teppiche, so wie überhaupt der Aufwand in den Möbeln, dem Ankömmlinge aus Europa die Gedanken an Wildnisse so ziemlich vertreiben können...
Die Menge der Neger und Mulatten war Anfangs nicht besonders ansprechend für mich. Indeß ist dieses Gefühl sehr vorübergehend. Fast sämmtliche Mietkutscher sind farbige Leute (ein laufender Ausdruck für Neger und Mulatten). Ihre Kutschen sehen gut aus, und manche sind von Gala-Wagen nicht zu unterscheiden. Man findet sie in allen Hauptstraßen, und für 25 Cents fahren sie nach jedem beliebigen Theile der Stadt.
Die Hitze war ziemlich heftig. Allein bei der allgemeinen Sitte, die Regenschirme auch gegen die Sonnenstrahlen zu gebrauchen, leidet man weniger davon, als in den Straßen deutscher Städte. Auch trift man nicht selten Reiter mit Regenschirmen, und für lange Reisen zu Pferde hält man sie, den kurzen Winter ausgenommen, nützlicher, als Mäntel.
In den Wirthshäusern zu Baltimore ist es nicht theurer, als in denen am Niederrhein. Wer aber in Privathäusern leben will, was in Nordamerika sehr gewöhnlich ist, und für einen längeren Aufenthalt schon die Ruhe erfordert, der kann für vier bis fünf Dollars wöchentlich auf gute Verpflegung samt guter Wohnung rechnen. In den besten Gasthäusern kostet dieß sieben und einen halben bis neun Dollars.
An der hiesigen Lebensweise fällt dem Deutschen nichts so sehr auf, als das öftere Fleischessen. Schon früh Morgens ist die Tafel voll von Fleisch-Speisen, und zwischen einem Mittagessen und einem Frühstück ist insofern kein Unterschied. Der Genuß des Weines ist in den Wirthshäusern ungewöhnlich. Im Inlande wird bis jetzt wenig Wein gewonnen und die fremden Weine sind einem hohen Zolle unterworfen. Man scheint, außer den gebrannten Wässern, dem Franzbranntweine, dem Pfirsich-Branntweine, dem Genevre und dem Whisky (Maisbranntweine), den Kaffee substituirt zu haben. Kaffee und Thee gehört nicht bloß zum Frühstück, sondern auch zum Abendessen, und oft gar zum Mittagessen. Jene geistigen Getränke werden indeß stäts mit Wasser verdünnt und der an Wein gewöhnte Europäer befindet sich ziemlich wohl dabei. Wenigstens ist er gesichert vor den vielerlei schädlichen Mischungen, die der Wein in Europa erleidet. Die mannigfaltigen Gerichte werden alle zu gleicher Zeit aufgetragen, und, sobald dieß geschehen ist, ruft der zweite Schellenklang, (welchem das Geläute zum Fertighalten etwa eine Viertelstunde vorhergeht) die Gäste in den Speisesaal, die oft stürmisch genug hineinfahren, und als gelte es einem sehr ernsthaften Geschäfte, ohne viele Worte, meist von einem und demselben Teller, und statt der Serviette das eigene Taschentuch gebrauchend, in Hast ihren Hunger stillen, um sich nach etwa fünf bis zehn Minuten wieder zu entfernen. Am widrigsten ist das am Abend. Statt eines Abendessens, welches zwischen acht und neun Uhr beginnt, und beim Nachtisch in eine Abendgesellschaft übergeht, findet man schon gegen sieben Uhr, wenn das Mittagessen noch nicht verdauet ist, die Tafel mit Speisen besetzt, und es ist dabei so strict auf eine schnelle Füllung des Magens abgesehen, daß sogar ein längerer Aufenthalt in dem Speisezimmer als ordnungswidrig gelten würde. In einigen Wirthshäusern wird zwar gegen fünf Uhr Thee und Kaffee gegeben, und das Abendessen erst gegen neun Uhr; allein hinsichtlich der Dauer und der Geselligkeit ist es überall gleich.
Duden, Gottfried
Bericht über eine Reise nach den westlichen Staaten Nordamerikas …
Elberfeld 1829