Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

Um 1200 - Michael Akominatos Choniates, Metropolit von Athen

Klage an den Kaiser in Konstantinopel über die Zustände in Athen

 

Unwürdige und niedrige Knechte deiner mächtigen und geheiligten Majestät, wagen wir, heiliger Gebieter, eine Bitte an dich.
    Unser Gebiet von Athen, schon längst der Menge seiner Bewohner durch ununterbrochene Drangsale, die auch noch immer fortdauern, entledigt, läuft jetzt Gefahr, sich in eine Wüstenei gleich der sprichwörtlich gewordenen skythischen zu verwandeln. Schuld daran ist aber, dass wir mit vielfachem Druck, ja mit grösserem und schwererem, als unsre weiter unten wohnenden Nachbarn belastet werden. Denn nicht nur haben wir zwei- und drei- und mehrmal so viel als unsre Nachbarlandschaften an Erpressungen und Aufpassereien der Zollerheber auszustehen, die da nach Flohfüssen unsre sandigen unfruchtbaren Felder ausmessen, ja die schier die Haare auf unsern Häuptern zahlen, geschweige erst die Blätter des Weinstocks oder jeglicher Pflanze; sondern die übrigen täglich vorkommenden weltlichen Lasten treten in den andern Landschaften entweder von vorn herein nicht in Kraft oder werden von den Prätoren erleichtert, die ihnen solche, wie es meistens geschieht, schenken, oder doch den Belasteten auf alle Weise beispringen; sämtlich in Kraft aber sind sie, und allzumal auf überlästige Weise und zuvörderst vor allen andern bei uns, die wir doch an Griechenlands äusserstem Ende wohnen!
    Zeugnis davon gibt das zuletzt verflossene Jahr, da in Folge anbefohlenen Baus von Galeeren wir zuerst und allein unter den Übrigen, wiewohl überall keine gebaut waren, zur Geldbuße verurteilt wurden; da ferner, bei Gelegenheit der Rückfahrt des Pausias Stirionos, abermals wir allein zu den Schiffen beisteuern mussten; da wir endlich dem Sguros und dem Prätor, gleichfalls zum Schiffsbau erpresstermassen und wider Willen eine Summe zahlten, wie sie das Gebiet vor Theben und Evripos (Euböa} nicht erlegten, obgleich unser Gebiet sonst nach altem Brauch, selbst wenn auf kaiserlichen Befehl eine Steuer ausgeschrieben worden, nur den kleinsten Teil von dem beizutragen hatte, was jene zu entrichten schuldig waren.
    Doch wollten wir uns die Eintreibung des Census, die Brandschatzung der Seeräuber noch gefallen lassen. Wie aber könnten wir den Druck und die Willkür der Prätoren nur ohne Tränen berichten? Denn obgleich dem zeitigen Prätor über unser Gebiet keinerlei Befugnis, weder die Gewalt, Steuern zu erheben, noch die prätorische Gerichtsbarkeit zusteht, wie ihm denn ein kaiserliches Chrysobullon selbst den Eintritt in Athen wehrt, kommt er dennoch, als Grund seines Kommens, aus Scheu vor den Chrysobullen wohl die Huldigungssteuer vorschützend , mit einem ganzen Heer der Seinen angezogen, schleppt alle Tagediebe aus dem Lande mit herbei, lauter unnützes Gesindel, und verschafft sich und ihnen die tägliche Nahrung durch Raub und Diebstahl, gleich als hätte er einen feindlichen Einfall in ein barbarisches Land unternommen. Vor ihm her aber läuft das Verderben in Gestalt von Untereinnehmern, die da täglich an Kost für Menschen und Rosse 500 Medimnen fordern, die ganze Herden Zugvieh, ganze Haufen Geflügels erpressen, die an Fischen eintreiben, was nur das Meer liefert, und eine solche Unmasse Weins, wie unsre Weinberge nicht zu erzeugen vermögen, und die ausserdem, um uns kurz zu fassen, noch die Leute einzeln verfolgen und in Strafe nehmen. Dazu verlangen sie dann noch Lohn, als wären sie unsre Wohltäter, und zwar keinen geringen und leichten Lohn, sondern eine Last Goldes, wie sie dem Gelüst ihrer unersättlichen Seele ansteht. Dazu kommt der Prätor selbst; oft, ehe er noch der Mutter Gottes seine Huldigung- dargebracht, macht er dem einen zum Verbrechen, dass er ihm nicht entgegen gekommen, während ein andrer um andrer Ursache willen eingekerkert und in Strafe genommen wird. Und so mit dem Unsern sich mästend, verlangt er Tag für Tag so viel ihm gut dünkt an Huldigungssteuer, wir wissen nicht, ob etwa als zu seinen Huldigungen am Altar der Mutter Gottes gehörig; und nicht er allein, sondern auch ein Logariastes, ein Protovestiarios, ein Protokentarchos und alle Folgenden nach der Reihe; und er versichert, sich nicht eher von dannen heben zu wollen, als bis das Verlangte in seinen Händen sei. Doch auf unsre vielen Bitten und Beteuerungen, dass dies nicht anders zu erschwingen sei, als wenn ein allgemeiner Schoss angeordnet werde, überzeugt er sich kaum hiervon, und der Erpressung freien Lauf lassend, rüstet er sich mit seiner Beute zum Aufbruch. Sodann, welches Zugtier wird nicht zum Frondienst gepresst? Ja, wie oft wird ein so gepresstes nicht dem Hausherrn wieder verkauft, nicht einmal, sondern häufig auch zum zweiten Mal? Oder, welche andre, irgend denkbare Art des Eigentums wird nicht geraubt und verhandelt, oder verschwindet sonst durch stillschweigende Wegnahme?
    Wozu nun solches uns betreffende Verderben, heiliger Herr, da der Staatsschatz nichts dabei gewinnt, vielmehr darunter leidet, indem binnen Kurzem die meisten von uns auswandern und unser bereits verödetes Land, wie ich schon oben sagte, immer mehr entvölkert, mithin der Ertrag der festgesetzten Auflagen nur geschmälert wird ? Indem wir deswegen etwas Weniges von dem, was wir erdulden, vorbringen, flehen wir zu deiner mildesten geheiligten Majestät, auch mit uns Erbarmen zu tragen und die Flut der Bedrückungen endlich zu hemmen, oder doch zu verfügen, dass uns erträglichere Lasten aufgelegt werden, gemäss den für uns bestehenden Verordnungen; denn wir verlangen nichts Neues oder sonst dem Staate Nachteiliges. Und vor allem befreie uns von der Prätoren Eingriffen, Gewaltmassregeln und Räubereien, indem der uns verwilligte Defensor, der erhabene kaiserliche Mystikos, von dem, was die Prätoren einliefern, das von uns Erhobene zurückhält, wie es im Sinn der betreffenden Verordnung; liegt, und indem durch eine andre schriftliche Bekanntmachung und Drohung ihnen angedeutet wird, in allem zu gehorchen, wenn sie nicht das Gebiet von Athen meiden wollten. Sodann mögen wir auch Schiffssteuer und Schiffe geben, soviel die Schätzung des dermaligen Logothetes tou dromou, Herrn Johannes Dukas, uns auferlegte, nur nicht mehr, und nicht mögen sie, statt der nach dieser Schätzung; uns obliegenden Schiffe uns Steuern abfordern ohne kaiserlichen Befehl. Denn auch dessen erdreistet man sich gegen uns Unglückselige nicht selten.
    Da wir aber such viele regelmässige Auflagen zu tragen haben, wie oben angeführt ward, so bitten wir, dass unsrer Landschaft nicht wieder die Last einer Auflage aufgebürdet werde, wenn auch vielleicht für die Lande weiter unten eine neue verfügt werden sollte, sondern dass die in dieser Hinsicht zu unsern Gunsten erlassene Verordnung deiner geheiligten Majestät bestätigt werden möge, so wie auch die verschiedentlich erlassenen, wodurch solchen Festungsmannschaften, die es etwa versuchen, auf irgend eine Art die Landstädte zu besetzen und dort feste Standquartiere zunehmen, dies gewehrt wird. Denn dabei steht nur die Landplage und Pest der Milizen in Aussicht; das Verderben aber, das die Milizen bringen, ist das Verderben unsres ganzen Gebiets.
    Wenn nun, was wir erbeten, geschähe, könnten wir wohl noch gerettet werden und zugleich für den Staatsschatz gerettet, was wir beisteuern; und gerettet würden wir nicht aufhören, für deine geheiligte Majestät zu beten, zu der wir jetzt als unwürdige Knechte zu flehen wagten.
    
Ellissen, Adolf
Michael Akominator von Chonä, Erzbischof von Athen: Nachrichten über sein Leben und seine Schriften …
Göttingen 1846

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