1889 - Eugen Zintgraff
Feiern in Donga
Nigeria
Es war der 28. Mai 1889, als ich meinen Einzug in Donga hielt, und dieser Tag ist für die Erforschung von Adamaua insofern denkwürdig, als hiermit der Anschluß an Flegels Reisen gewonnen war. Mit Wehmut gedachte ich des so früh dahingeschiedenen Forschers, der einst von Norden ausgehend demselben Ziel zugestrebt war, das ich als erster Europäer von Süden kommend nunmehr glücklich erreicht und damit die mir gestellte geografische Aufgabe, Adamaua vom Golfe von Guinea aus zu erschließen, erfolgreich gelöst hatte.
Um den Eingeborenen die Gemeinsamkeit der Flegelschen und meiner Bestrebungen vor Augen zu führen, folgte ich Benedicts Vorschlag, mir der Einfachheit halber den landesüblichen Namen Flegels In Adamaua, Abd-er-Rahman, zuzulegen. Einen Namen muß man bei den Leuten haben und daß ich, als sein Landsmann, den Eingeborenen gegenüber auch sein »Bruder« war, ist im Sinne der Neger selbstverständlich.
Die Freude über mein Kommen unter der Bevölkerung war groß; man sah jetzt wieder einen Deutschen. Aus manchen Anzeichen ging klar genug hervor, daß man den Druck, den die Royal Niger Co. ausübte, schwer empfand und daß man die Niederlassung von »Flegels« Leuten als willkommenes Gegengewicht gegen die unbeliebte Niger Co. mit Freuden begrüßt hätte. Wie aber die Dinge einmal lagen, konnte ich die Leute nur mit allgemeinen Redensarten und mit Hoffnung auf die Zukunft trösten.
Der Häuptling von Donga empfing mich in großer Audienz, angetan mit kostbaren Gewändern. Auch ich prunkte in einem weißseidenen Burnus sowie einem kunstvoll gedrehten Turban, Kleidungsstücken, die ich aus Lagos mitgebracht und für diesen Augenblick peinlich aufgespart hatte; sogar meine Füße steckten in roten Pantoffeln, einem Geschenk des Sultans von Donga, ja sie waren sogar mit Strümpfen, weißen Strümpfen bekleidet, die ich mir aus den Überresten einer alten Hose genäht hatte.
Wer an afrikanische Königshöfe gehen und dort etwas erreichen will, muß sich hübsch fein machen und nach den dortigen Gebräuchen richten. Im Vertrauen auf geistige oder physische Überlegenheit sich über die Gebräuche des Landes hinwegsetzen wollen, ist ein großer Fehler für jeden Afrikareisenden; der richtige Grundsatz für den einzelnen Ist: Mit den Wölfen zu heulen, sofern einem nicht geradezu Ungeheuerliches zugemutet wird. Aus diesem Grunde nahm ich auch keinen Anstand, die Feier des mohammedanischen Weihnachten, wozu mich der Häuptling eingeladen hatte, mitzumachen und auf freiem Felde In Gemeinschaft mit den Mohammedanern und meinem ungläubigen Gefolge Gott unter dem Namen Allahs zu verehren.
Es war am zweiten Tage unserer Anwesenheit In Donga, als des Neumondes langerwartetes Erscheinen durch Flintenschüsse und das Geschrei der Weiber, dessen gellender Ton durch ein eigentümliches schnelles Hin- und Herbewegen der Zunge noch erhöht wird, allem Volke verkündet wurde. Alsbald kam auch schon der mit der Sorge für die Fremden beauftragte Vertrauensmann des Sultans, um mir durch Sklaven einige Töpfe Bier sowie wohlschmeckende, in kräftiger Fleischbrühe gekochte Reisklößchen nebst gekochtem, stark gepfefferten Rindfleisch zu überreichen und mich im Namen seines Gebieters einzuladen, am anderen Morgen in dessen Begleitung mit meinen Leuten hinaus aufs Feld zu ziehen, um zu Allah zu beten. Ich sagte zu, und alsbald wurden seitens meiner Leute alle möglichen Lappen hervorgesucht, um sich für das bevorstehende Fest nach Möglichkeit herauszuputzen.
Am anderen Morgen um 10 Uhr zog ich mit meiner ganzen Mannschaft auf den großen Platz vor des Sultans Haus, wo schon ein buntes Leben herrschte. Dicht am Palaste - so konnte man ja wohl den weiten, mit Mauern, Zinnen und Türmen versehenen Lehmbau nennen - harrten zahlreiche Reiter ihres Gebieters, die Vornehmen in Sammet und Seide gekleidet, meist weiße, seltener gemusterte Stoffe. Auch die durch Nachtigal zuerst bekannt gewordenen Reiter des Sudan in Wattepanzern waren vertreten, die auf ihren mit Decken behangenen, mittelgroßen Pferden und mit den kupfernen, federbuschgeschmückten Helmen zum Turnier ausziehenden Rittern glichen. Den ganzen übrigen Platz füllte bewaffnetes Fußvolk in unterschiedlichen Trachten, nach Haufen geordnet. Die Reiter ließen beständig ihre Pferde tänzeln oder jagten, zu viert sich die Arme über die Schultern legend, Im gestreckten Galopp dahin, um plötzlich auf der Stelle zu parieren und gleichzeitig irgend einem Bekannten die leere Faust zum Gruß entgegenzuschütteln. Dies ist die gewöhnliche Begrüßung bei allen Graslandstämmen, nur daß der Grüßende in der Regel irgend eine Waffe in der Hand hält. Ich hielt mit meinen Leuten, die mit ihren verrosteten Gewehren und abgerissenen Jacken oder Hüfttüchern wie ein Haufen Straßenräuber aussahen, etwas abseits, wobei Ich die Häßlichkeit meines sonst streitbaren Hengstes unter den Falten des mich mantelartig umwallenden Burnusses möglichst zu verdecken suchte.
Endlich lärmten Trompeten und Pauken, und der Sultan erschien unter dem Tore. Er ritt, in weiße Seidengewänder gekleidet, das Gesicht nach mohammedanischer Sitte von der Nase abwärts mit einem Streifen des Turbans, dem Litam, verhüllt, auf einem tadellosen schneeweißen Hengste, den auf jeder Seite zwei Mann führten und dessen feuriges Ungestüm kaum zu bemeistern war. Die gleichfalls berittenen Vornehmsten jagten ihrem Herrscher zum Gruße entgegen und schlossen sich ihm zu vieren an, während unter Vorantritt von zwanzig gleichartig gekleideten Musketenträgern, sowie einer Musikbande, für welche Harmonie ein unbekannter Begriff zu sein schien, sich der Zug in Bewegung setzte. Ich folgte mit meinen Leuten unmittelbar im Anschluß an die Panzerreiter, hinter uns kamen die Leute des Sultans sowie die Aufgebote der Buschvölker aus den umliegenden Ortschaften und viel anderes Volk.
So zogen wir zum Osttor hinaus, etwa eine Viertelstunde weit ins Land. Auf einem großen Felde angelangt, stiegen die Reiter ab, und alles ordnete sich in mehreren Gliedern zu einem großen Viereck; ich stellte mich bescheiden möglichst nach hinten, um meinen Vordermännern die mir unbekannten Verbeugungen beim Gottesdienst usw. absehen zu können. Der Sultan stand natürlich vor dem ersten Gliede. Es waren mohammedanische Mollem - Missionare -anwesend, die einige Suren aus dem Koran vorlasen, und bei den verschiedenen Anrufungen Allahs warf sich alles zur Erde, während ich mich mit einem tiefen Bückling begnügte. Sonst stand man bei der Feier gerade mit herabhängenden Armen. Etwa eine halbe Stunde dauerte der Gottesdienst, dann stieg alles nach Abgabe einiger Flintenschüsse wieder zu Pferde. Vorher ließ auch ich noch meine 150 Mann eine Salve feuern, deren großartiger Eindruck dadurch etwas beeinträchtigt wurde, daß einige Lagosleute beim Abdrücken ihrer übermäßig geladenen Flinten rücklings zu Boden fielen, was man jedoch höchsten Ortes als ein unzweifelhaftes Zeichen guten Willens und als eine Erhöhung der Festlichkeit aufzufassen geruhte. Beim Rückweg wies mir der Häuptling den Ehrenplatz hinter der nun an der Spitze marschierenden Musik und den zwanzig Musketenträgern an, deren Uniform aus einem Zeuge bestand, dessen Muster das Fell eines Leoparden nachahmte. Als Kopfbedeckung trugen sie schwarze, mit einem roten Bande unter dem Kinn festgehaltene Helme aus Ziegenfellen.
An diesen Gottesdienst schloß sich ein weidliches Zechen in der schönen Halle des Sultans an, während die Vorhallen mit zahlreichen, fleißig dem Hirsebier zusprechenden Edlen gefüllt waren, woraus hervorgeht, daß diese Mohammedaner nicht allzu strenggläubig sind ...
Fünf Tage währte mein Aufenthalt in Donga, dann brach ich über Okari nach Ibi am Benue auf.
Zintgraff, Eugen
Nord-Kamerun
Berlin 1895