Um 1800
Thomas Garnett
Staffa
Da der Morgen schön und die See ziemlich ruhig war, kam das Boot von Gometra herüber, um uns nach Staffa zu führen. An Bord fanden wir Wein für uns selber, Branntwein für die Bootsleute und einen Vorrat an Lebensmitteln für uns alle; auch dieses verdankten wir der Fürsorge unserer gütigen Wirtin. Wir verließen Mull um 11 Uhr; es war jetzt ganz still geworden, so daß die Bootsleute genötigt waren, zu den Rudern zu greifen. Wir steuerten in den Sund von Gometra hinein, einen engen Kanal zwischen den Inseln Gometra und Ulva, die in der Mündung des Loch-nayall liegen, und wovon die letztere von beträchtlichem Umfang ist. Der Kanal ist so schmal, daß die Boote nur mit hohem Wasser hindurch können. Sobald wir aus dem Sund heraus waren, sahen wir Staffa in einer Ferne von etwa zehn Meilen vor uns liegen, zur Zeit nur als einen schroffen, oben flachen Felsen, dessen Wände lotrecht in die See hinunter zu gehen schienen, sonst aber nicht Auffallendes zeigten. Der Tag blieb rein und schön. Eine leichte Brise erhob sich. Sogleich wurden die Segel gehißt und auf die Insel zugesteuert. Als wir aber noch drei Meilen entfernt waren, hörten wir ein Knallen wie von Kanonenschüssen; es folgte in abgemessenen Momenten, etwa jede halbe Minute einmal. Der Schall schien aus keiner großen Ferne zu kommen, wir wußten nichts anderes, als daß Schiffe in der Nähe sein mußten, die entweder in Not oder miteinander im Gefecht begriffen wären. Uns verlangte, die Insel zu erreichen, von deren Gipfel wir dieser Schiffe ansichtig zu werden hoffen durften. Als wir aber um die nördliche Spitze lenkten, entdeckten wir die Ursache des Getöses. Es befand sich nämlich in der nordwestlichen Felsenwand eine Höhlung, die einem ungeheuren Mörser glich. So wenig es jetzt auch wehte, so ging die See doch immer noch sehr hoch, und die Wogen, die durch den neulichen Sturm zu Bergen aufgetürmt worden waren, schlugen mit Gewalt gegen die Insel. So oft nun eine Woge an diesen Teil des Felsens anprallte, verdichtete die Gewalt des Andrangs die Luft in der Höhlung und füllte sie zur Hälfte mit Wasser; sobald aber die Kraft des Stoßes und der Druck der Welle nachließ, drängte die Schnellkraft der verdichteten Luft das Wasser in einem dampfähnlichen Gischt und mit dem Knallen eines der stärksten Kanonenschüsse wieder zur Höhle hinaus.
So wie wir die westliche Küste der Insel entlang ruderten, fielen uns die Basaltpfeiler in die Augen, jedoch zur Zeit noch ziemlich irregulär. Jetzt reichten sie von oben etwa nur bis zur Hälfte des Felsens herab, der so wie die Pfeiler aus dem Grau ins Schwarze spielte, dann stiegen sie aus dem Wasser in die Höhe und schienen in der Mitte plötzlich abzubrechen. Als wir um die südliche Spitze lenkten, wurden die Pfeiler um vieles regelmäßiger. Die Insel glich von dieser Seite einer unermeßlichen Kathedrale, deren ungeheures Dach von staunenerregenden Pfeilern, die mit aller Regelmäßigkeit der Kunst gebildet schienen, gestützt war. Aus dem Boden ragten Reihen von abgebrochenen, aufrecht stehenden Pfeilern hervor, die einen der verwunderungswürdigsten Dämme bildeten. Auf dem Gipfel des Eilands, außerhalb der Säulenordnung, war der grüne Rasen häufig durch kleinere Pfeiler zerrissen, die sich nach allen möglichen Richtungen, hauptsächlich jedoch nach Westen neigten und mit dem Horizont einen Winkel von ungefähr 30 Grad bildeten. Die großen Pfeiler waren von einer dunklen, ins Schwarze spielenden Purpurfarbe, jedoch mit lichtgrünen, gelben und orangefarbenen Streifen reich verziert. Verschiedene Gattungen von Moosen, die auf dem Stein wuchsen, bildeten diesen prächtigen Farbenschmelz. Die Basis, auf der die Pfeiler ruhten, bestand aus einer grandichten Lava von lichtbrauner Farbe und ohne alle Regelmäßigkeit in den Formen. Dies Lavabett streicht in einem starken Abhang vom Fuß der Säulen in die See hinunter.
Etwas weiter hin, auf derselben Seite der Insel, erblickten wir die Fingalshöhle, eine der prachtvollsten Aussichten fürwahr, welche dem Auge mag gewährt werden. Sie gleicht dem Inneren eines Münsters von unermeßlichem Umfang, der jedes menschliche Kunstwerk an Regelmäßigkeit erreicht, an Größe und Erhabenheit aber unendlich hinter sich zurück läßt.
Die Regelmäßigkeit ist das Einzige, was die Kunst sich rühmt, vor der Natur voraus zu haben; hier aber hat die Natur gezeigt, daß es ihr ein Leichtes sei, auch in diesem Stück den Menschen in ein Nichts herab zu setzen, und ihm seine eigene Geringfügigkeit fühlbar zu machen. Es unterscheiden sich die Werke der Natur gemeiniglich durch einen Charakter von Hoheit, welcher jene gleichmäßige Stellung des Einzelnen, so die Menschen Regelmäßigkeit nennen, die aber richtiger Beschränktheit der Begriffe und Armut der Ideen heißen könnte, verschmäht. Hier aber hat dieselbe in einer spielenden Laune ein regelmäßiges Stück Architektur aufgeführt; allein nach einem so unermeßlichen Maßstab, daß alle Tempel, von Menschenhänden erbaut, dagegen in Nichts zusammenschrumpfen.
Westwärts von der großen Höhle gibt es eine kleinere, die Rabenhöhle heißt. Sie ist in dem Lavastrom ausgehöhlt, der den Basaltpfeilern zur Grundlage dient.
Fast mitten auf der Insel fanden wir zwei armseligen Hütten, die aus Säulenenden und rauhen Stücken Lava aufgeführt waren; die Eine diente einer Hirtenfamilie, die das Vieh auf der Insel hütete, zur Wohnung, die Andere als Scheune und Kuhhaus. Auf dem Abhang eines Hügels neben der Hütte leißen wir uns nieder, um uns an dem Vorrat, den die sorgsame Lady Maclean uns mitgegeben, gütlich zu tun. Die Frau des Hirten brachte uns etwas Milch in einem unförmigen und so schweren hölzernen Napf, daß wir ihn kaum zum Munde heben konnten; andere Gefäße waren nicht vorhanden, auch keine Löffel. In der Tat ist die Lebensart der Leute hier sehr einfach; Milch und Kartoffeln, dann und wann ein Fisch machen die ganze Nahrung aus. Da kein Holz auf der Insel ist, so brennen sie getrocknete Soden, die weiter nichts Berennbares enthalten als die faserigen Wurzeln des Grases.
Drei Jahre nacheinander hatte diese Familie hier des Winters wie des Sommers gewohnt. Im Winter war ihre Lage bisweilen sehr unbehaglich gewesen, denn wenn es heftig stürmte, so schlugen die Wellen so gewaltig gegen die Felsen, daß die ganze Insel schütterte, daß selbst das Haus, obgleich in der Mitte gelegen, zitterte, und sogar der Topf, der über dem Feuer hing, eine schwingende Bewegung annahm. Hierüber ängstigten die guten Leute sich eines Winters so sehr, daß sie beschlossen, bei nächster Gelegenheit die Insel zu verlassen, da niemand als der böse Feind selber das Eiland so gewaltig schütteln könnte. Seitdem wohnen sie nur des Sommers hier; aber auch dann ist ihre Lage keineswegs beneidenswert; denn wegen der Brandung ist es unmöglich, ein Boot in der Bucht zu halten, so daß kaum abzusehen ist, wie sie es machen sollten im Fall, daß Einer von ihnen erkrankte oder gar stürbe.
Ein kleines natürliches Becken, worin sich der Regen sammelt, reicht ihnen das benötigte Wasser; wäre das Klima weniger naß, so dürfte es ihnen leicht zu Zeiten daran fehlen; wenige heiße Tage wären hinreichend, den ganzen Vorrat aufzutrocknen.
Thomas Garnett's Reise durch die schottischen Hochlande und einen Teil der Hebriden
Wien 1825